[amazon_link asins=’B072B5NF9Z‘ template=’ProductAd‘ store=’030magazin0a-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’f7bb0c8f-623c-11e7-9d88-65fdfdbdacbd‘]Mura Masa veröffentlicht dieser Tage ein ersehntes Album. Da hat das 21-jährige Produzentenwunder aus Großbritannien seinen ersten Nummer 1-Hit in den Spotify-Charts längst hinter sich und tourt mit aufwändigem Live-Setup um die Welt. Von einem eigenständigen Musiker, der beiläufig zum Popstar werden könnte.

Streng genommen ist das Langspiel-Debüt des bürgerlichen Alex Crossan schon ein bisschen her. „Soundtrack to A Death“ hieß das gute Stück, das 2014 beim Berliner Plattenverlag JAKARTA Records erschien. Labelkopf Habibi Funk konnte neben den üblichen Verdächtigen der deutschen Instrumental HipHop-Szene und einem Haufen arabischer Musik immer wieder auch die heiß gehandelten Namen der Future Beats-Szene wie Kaytranada oder Ta-Ku ins Boot holen. Vorher war das Album nur auf dem Soundcloud-Account des des damals gerade volljährigen Briten zu hören gewesen. Um es gleich geklärt zu haben: Future Beats ist ein merkwürdiger und vager Begriff. Die Musik von Kaytranada unterscheidet sich stark von der Ta-Ku. Der Grund dafür, dass viele Künstler unter einem solchen Label zusammengefasst werden, liegt vermutlich darin, dass sie die Grenzen zwischen digitalen und analogen Sounds, zwischen HipHop und House verwaschen und der Mensch in seiner Suche nach Orientierung natürlich Dingen, die sich Labels entziehen sofort ein neues Label geben muss. Auf der regelmäßigen Labelnacht von JAKARTA im Privatclub in Kreuzberg läuft seither verlässlich der Song „Lotus Eater“. Ein asiatisch anmutendes Sample trifft auf eine dubbig wummernde Bassline. Der Loop, die trockene Snare, der zentral platzierte Drop erinnern an Drum’n’Bass, wären da nicht der straighte Viervierteltakt und das vertraute Plattenknistern im Hintergrund. Eine Vokalspur vermisst man neben der eingängigen Lead nicht und nach zweieinhalb Minuten ist der Track auch schon durch. Das Faible für asiatische Tonleitern findet sich auf dem ersten Album häufiger. Schon Mura Masas Künstlername ist einem japanischen Schwertschmied entlehnt, der im 16. Jahrhundert besonders scharfe Klingen geschaffen haben soll. Ein Verweis also auf ein perfektionistisch ausgeübtes Handwerk? Auf das Choppen und Screwen?

Mit Mura Masas Musiksozialisierung kann sich der geneigte Konsument gut identifizieren – während der jugendlichen Selbstfindung in Punk- und Metal-Bands unterwegs gewesen, Zuhause The Smiths-Texte analysiert, enttäuscht vom mangelnden Engagement der Mitstreiter irgendwann alleine vor den Rechner gesetzt, eine Ableton-Lizenz gekauft und Hudson Mohawke entdeckt. Nicht einmal zwei Jahre später war er einer der frühen Produzenten im Bereich urbaner Sounds, die es mit dem Soundcloud-Hustle und ohne Vokalisten in die Selections schafften. Heute ist die Internet-Plattform ein Mixtape-Marktplatz geworden, dem Lil Peep oder Night Lovell Auftritte in Berlin verdanken, bevor sie überhaupt ein physisches Release veröffentlicht haben. Wer braucht noch physische Releases?

Alex macht eins. Natürlich kann die Spotify-Generation auf Amazon auch den MP3-Download wählen – für unschlagbare 7,59 Euro. Auch eine CD und eine Schallplatte erscheinen aber auf dem eigenen Label Anchor Point, vertrieben von Polydor und Interscope und damit letztlich der Mutterfirma Universal. Von Soundcloud also zum Major-Vertrieb! Wie konnte das passieren? Vor Allem passierte im September 2016 A$AP Rocky und bewies, dass Mura Masas Produktionen zwar ohne Vokalisten nicht leer, mit einem gekonnten Vokalisten aber womöglich sogar noch spannender klingen. Als Rocky in London war, fragte Alex nach einem Meeting und ließ seine Musik für sich sprechen. Die Produktion an sich war 2015 bereits Teil der JAKARTA-EP „Someday Somewhere“ gewesen. Wenn der Chef der A$AP-Gang und Inhaber zweier Nummer 1-Alben sich zu einer solchen Kollaboration hinreißen lässt, schlägt das Wellen und erzeugt Reichweite. Dass eine solche Kollaboration Milieu-Grenzen überschreitet und Zielgruppen-Grenzen ad absurdum führt, ist glücklicherweise anno domini kaum noch der Rede wert. Auf dem nun erscheinenden Album – das für die breite Öffentlichkeit das prägendste seiner Karriere sein wird und natürlich selbstbetitelt ist – geben sich Größen der amerikanischen Pop- und HipHop-Welt wie Desiigner und Gorillaz-Urheber Damon Albarn und alternative britische Künstler wie die Sängerin Nao die Klinke in die Hand. Fast alle Tracks arbeiten mit Vokalisten oder zumindest einem verfremdeten Sample.

Mura Masa bewegt sich nicht mehr nur zwischen HipHop und House, sondern ebenso häufig im Pop und im R’n’B, ohne seine Markenzeichen – die warmen Synthesizer, harfenartigen Arpeggios und leichtfüßigen Steel Drums – einbüßen zu müssen. Der „Soundtrack To A Death“ ist einem erwachseneren Soundtrack für die Liebe zur Musik gewichen. Zugegeben, ein Track wie „Lotus Flower“ wird sich vermutlich nicht mehr finden. Dafür ein Künstler, der sich gefunden hat, ebenso eigenständige wie eingängige Songs schreibt und demnächst vielleicht nicht nur im Privatclub, sondern auf jeder zweiten Szene-Party zu hören sein wird, wo ihn jemand elegant zwischen Diplo und Flume, vielleicht aber auch zwischen Drake und The Weeknd, vielleicht aber auch zwischen Tame Impala und den Glass Animals versteckt.

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