Afrob, ASD, Reimemonster, Robbe
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Afrob: »Rap gehört niemandem!« | Live am 1. März im SO36

Afrob bezeichnet sich zwar selbst als New Schooler, gehört aber trotzdem schon lange zum Inventar der Deutschrap-Szene. Mit „Reimemonster“ schuf er schon 1999 eine der großen Hymnen des Subgenres. Mit „Mutterschiff“ 2016 sein sechstes Soloalbum und von Altersstarsinnigkeit ist bis heute keine Spur. Stattdessen zeigt sich Afrob experimentierfreudiger denn je. Wir unterhielten uns damals mit Afrob zur VÖ von „Mutterschiff“ über Soundästhetiken, True Schooler und die Güte der Menschheit.

Man kann sagen, du hast mit „Push“ vor vier Jahren ein kleines Comeback gefeiert. Dieses Comeback kam bei Kritikern und Fans gut an, auch die Verkaufszahlen waren bemerkenswert. Welche Heransgehensweise hat man, wenn man dann nachlegen muss?

Dazwischen war ja auch noch das ASD Album. Da habe ich ähnliche Dinge umgesetzt wie auf „Push“ und dann kam ich irgendwann an den Punkt, an dem ich das Gefühl hatte, dass diese Art, Musik zu machen sich für mich ein bisschen erschöpft hat. Ich hab entschieden, den Schritt zu machen, den ich eigentlich schon immer machen wollte, nämlich den zu mehr Musik, mehr Melodie. Ich wollte mich in all den musikalischen Dingen, die ich schon lange mit mir herumtrage auf dieser Platte mal austoben. Gesungene Hooks und so weiter. Da sind die Berührungsängste verschwunden. Der Druck war dann natürlich, das auch noch gut zu machen.

Heißt das, du hast dich vorher vielleicht zu wenig getraut, Experimente zu machen?

Das Problem bei mir ist, dass ich Vieles mag. Dann muss ich Prioritäten setzen. Ich hätte auch ein Mixtape machen können mit Allem, womit ich gerne herumspiele. Aber ich finde, Mixtapes wirken immer so verloren. Wenn du geile Songs schreibst und dann gibst du denen einen Mixtape Rahmen, fand ich das schon immer scheiße. Den Mut musste ich aber auch erstmal haben, zu sagen, ich mache jetzt einen Song mit Autotune. Das ist zum Effektgerät meines Vertrauens geworden in letzter Zeit, ich bin großer Autotune-Fan.

Kannst du Künstler nennen, die du hörst und feierst, die dich zu solchen Experimenten inspirieren?

Das ganze neue Zeug natürlich. PARTYNEXTDOOR finde ich sehr geil, vor Allem in Verbindung mit 40, dem Produzenten von Drake. Young Thug natürlich. Lil Dirk, die ganzen OTF-Sachen.

Das sind ja widerum eher Mixtape Künstler, die einen riesigen Output haben. Hast du dich bewusst für ein Album entschieden, um eine andere Stringenz zu wahren?

Richtig. Wobei ein Song („Kein Weg zurück“, Anm. d. Red.) klingt schon nach Mixtape und ich finde diese Attitüde auch geil, nicht über jede Zeile nochmal drüber gehen, das ist einfach pur, das ist ehrlich. Ich hab auch bei dieser Platte gelernt, dass man zu streng ist mit jedem Song. Das sind 16 Songs, dann darf man doch auch an ein paar Stellen experimentieren. Und ich glaube, viele Experimente sind gelungen.

Es geht im Promotext passend zum Titel um den Begriff Zukunft in Bezug auf dein Soundbild. Ich hatte das Gefühl, damit sind gar nicht unbedingt die Trap Songs gemeint, sondern so ein schwereres, langsameres Soundbild, das auch die erste Videoauskopplung „Ich bin dieser“ schon hatte, das eher assoziativ mit Zukunft zu tun hat und zu dem man sich gut ein Raumschiff vorstellen kann.

Ich wollte eigentlich damals beim ASD-Projekt schon so ein Raumschiff-Ding machen. Das Soundbild nimmt halt viel Tempo raus, da hast du wahrscheinlich Recht, und wirkt dadurch wie ein Marsch, wie ein Uhrwerk, so wie man sich Zukunft irgendwie vorstellt. Und da ich eh dafür bekannt bin, dass ich meine Stimme mehr noch als Instrument benutze als ein klassischer Lyricist, kann ich dann sehr genau auf die Patterns kommen und entwickle noch mehr Drive.

Wenn du die Stimme seit jeher als Instrument benutzt, bietet es sich ja eigentlich an, mit Autotune zu experimentieren, oder? Das ist dann wirklich das Effektgerät zu deinem Instrument.

Es funktioniert für mich als Effektgerät. Dieses Plugin hat ja einen schlechten Ruf, aber ich wollte das nie benutzen, um etwas zu fixen, sondern eben als Effekt, so wie einen Hall oder einen Kompressor. Ich hab mir größtenteils sogar die Melodien über das Autotune ausgedacht und dann normal eingesungen. Bei manchen Parts auf der Platte denkt man, es sei Autotune, es ist aber einfach so gesungen.

Hast du für das Visuelle bestimmte Inspirationsquellen gehabt? Das Cover sieht krass aus.

Ja. Ich bin ein großer Fan von dem Cover für Miles Davis‚ Bitches Brew. Das ist eine Illustration, die auch dieses Tag/ Nacht-Ding abbildet. Es ist auf der Platte dann eine Collage geworden und keine Illustration, weil das zu aufwändig und zu teuer geworden wäre. Wie gesagt, ich mag viele verschiedene Musikrichtungen, Backpacker-Zeug, aber auch Trap und ich hatte dann das Gefühl, das spiegelt auch einfach mein Wesen wieder. (Afrob philosophiert jetzt über die Tag/ Nacht oder Gut/ Böse-Binaritäten, die das Cover abbildet) Ich bin ein verletzlicher Mensch, aber manchmal auch um mich schlagend aggressiv. Man sieht in der Welt auch viele schlimme Dinge, aber im Endeffekt gibt es auch sehr viel Schönes. Und über diese Gedanken kam ich dann letztendlich auch zum Mutterschiff als eine Art Zufluchtsort.

A propos Binarität: Gen Anfang der Tracklist gibt es sehr aggressive Representer auf der Platte, gen Ende der Tracklist dann tiefgründige und sozialkritische Songs. Was würdest du jemandem entgegnen, der dir das als Widerspruch oder mangelnden roten Faden auslegt?

Das kann sehr gut sein. Man läuft mit solchen Ideen immer Gefahr, dass das Album keinen roten Faden hat. Es ist auch überliefert, dass No I.D. zu Nas gesagt haben soll: „You destroyed Hip-Hop.“, weil er als Erster damals weg ist von dem Konzept ein Produzent, ein MC und die Musik damit so samplerartig hat werden lassen. Man darf nicht vergessen, dass ich von der Generation her auch New School bin. Ich kenne gerade mal noch Gang Starr und „Step in the arena“. Ich bin auch schon mit diesem Style groß geworden. Und ich hab diese Probleme immer übers Tracklisting gelöst. Hinten setzt dann eher die Entspannung ein. Das ist okay, wenn man ein Rapalbum durchhört, bekommt man ja so viel an Informationen, dass man gen Ende erschöpft ist und dann ist es auch okay, runter zu fahren und andere Qualitäten der Musik hervorzuheben, den Mix etwa.

Ich hab auf deiner Facebook-Seite neulich ein Bild mit Torch und Toni-L gesehen, da hast du in der Beschreibung auch schon betont, dass du New Schooler bist und noch zu anderen Leuten aufgeschaut hast.

Ich war 22, als ich mein erstes Album veröffentlicht hab, ich kam gerade von der Schule. Da war ich noch jung, aber ich hatte AC-Konzerte auch schon mit 15 gesehen. (Advanced Chemistry, Anm. d. Red.) Ich finde es auch schön, jemanden zu haben, zu dem man noch aufschauen kann. Deswegen höre ich auch Rick Ross gerne. Der ist sogar jünger als ich, aber ich hab das Gefühl, er ist so ein 50-jähriger Barry White. Ich kann ihm zuhören und hab das Gefühl, er beschreibt Dinge, die ich aus meinem Alltag kenne.

Ich hab auf Facebook und Youtube die Kommentare zu „One Man Show“ gelesen, der zweiten Videoauskopplung, die vom Soundbild her ein voller Trap-Song war. Da kommen ordentlich die True Schooler hervor, die sich verraten fühlen, dass du solche Sounds machst. Hast du das Gefühl, wenn man so lange dabei ist wie du ist es schwieriger, solche Experimente zu machen?

Ja. Aber ich denke immer auch: Irgendwo haben die natürlich Recht. Die und ich mögen ja die selbe Musik. Ich mag aber neue Musik auch. Für manche Leute ist diese Zeit halt das Allerbeste, das sie so geprägt hat, dass sie sich immer darauf berufen. Ich bin, zum Glück muss ich sagen, nicht so sein Mensch. Ich finde auch, man sollte nicht so dogmatisch sein und einem Künstler seine Freiheit lassen und das auch mal hinnehmen. Und ich glaube, ganz viele Leute tun das auch. Ich bin ja kein Gefangener der Meinung Anderer. Als ich damals Leuten „Reimemonster“ gezeigt hab, haben auch viele gesagt: „Mach das nicht!“

Das heißt, du orientierst dich beim Songwriting nicht daran, was die Leute am ehesten von dir erwarten?

Doch, ganz ehrlich, natürlich tu ich das. Ich glaube auch, die meisten Künstler würden lügen, wenn sie sagen, dass sie das nicht tun. Wären sie auch schön blöd. Und trotzdem fake ich ja nichts. Das ist die Art, wie mich Leute kennen gelernt und lieben gelernt haben und das verstehe ich halt auch. Und ich bin natürlich auch immer noch ein Boom Baper und finde das immer noch geil und solche Sachen sind auch auf der Platte drauf. Vor Allem auf der Bonus EP hab ich nur so Golden Era Beats gepickt. Aber ein bisschen Freiheit gönne ich mir einfach und ich glaube, es steht auch jedem ein bisschen Gelassenheit gut. Es gibt auch Leute, die zu mir kommen und sagen „Ey Robbe, ist persönlich gar nicht mein Ding, aber mach mal weiter so, du hast schon Plan.“ Das ist dann für mich okay. Aber man darf den Leuten ja nicht das Gefühl geben, sie haben ein Anrecht auf meine Musik. Es gibt auch Leute, die sagen, seit „Rolle mit Hip-Hop“ hab ich nur noch Scheißplatten gemacht.

Es gibt ja zur Zeit viele derartige Diskussionen, nicht nur auf Grund der Trap-Welle. Als die Beginner einen Song mit Gzuz veröffentlicht haben, kamen auch die True Schooler hervor. Woran liegt es, dass die Musiker selbst open minded sind, aber ihre Fans nicht?

Ganz ehrlich, die True Schooler oder wie man sie nennen möchte, die gab es schon immer. Es ist auch okay, die braucht es auch. Ich sage immer: „Keine gute Party ohne Hater!“ Denn die zwingen dich immer, die 10% besser zu sein oder die Strophe nochmal zu überdenken. Das tun nicht deine Kumpels, das tun die Leute da draußen. Aber man muss Allen einmal sagen: Rap gehört niemandem! Jeder darf ihn so interpretieren. wie er möchte. Und genau diese Offenheit, die die Musik besitzt, lässt sie auch weiter bestehen, und zwar in dem Maße, dass es heute die größte Jugendmusikkultur der Welt ist. Das ist es doch, was wir früher mal Alle wollten. Jetzt haben wir die Vielfalt, jeder kann sich aussuchen, was er gut findet, was will man mehr. Ich finde, Hip-Hop 2016 ist eine tolle Momentaufnahme.

Bezüglich des Sounds ist mir noch aufgefallen, dass es zwei Songs mit Reggae/ Dancehall-Anleihen gibt, den mit Gentleman natürlich, aber auch „Herz und Seele“. Ist das auch ein Stil, der dich interessiert?

Ja, ich glaube, das hört man auch. Auf der letzten Platte hatten die Boom Bap-Beats auch schon Reggae-Einschlag. Das interessiert mich sehr. Ich würde auch nicht ausschließen, dass ich mal ein Reggae-Album mache. Mich quatschen auch so viele Leute darauf an. Gentleman sagt mir schon seit 1997, dass ich ein Reggae-Album machen soll. Auch auf Grund der Art, wie ich Liveshows hoste. Da muss ich mich manchmal zurück nehmen, damit das Chaos nicht zu groß wird. Beim Reggae ist es ja live das Chaos, das den Reiz ausmacht und die letzte antizipieren jedes Geräusch, jedes Airhorn, jede vier Takte Beat. Hier können die Leute schon eher nachvollziehen, worauf sie tanzen. Mal sehen, Reggae interessiert mich auf jeden Fall sehr.

Afrob & Tribes of Jizu spielen am 1. März ab 20 Uhr im SO36.

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