Remote x, Stadtführung, Tour, Berlin, Theater

Hallo? 2019? Die Zukunft klopft an. Eine künstliche Intelligenz führt Menschengruppen durch Berlin. Doch Vorsicht: wer glaubt triviale Klugscheißer-Informationen über das Brandenburger Tor zu erhalten, sollte sich von dieser Tour fernhalten.

Julia zeigt dir, wo es langgeht

Julia heißt sie. Mit ihrer netten, leicht abgehackten Stimme säuselt sie dir ins Ohr. Und weiß dabei genau was sie will: dir sagen wo es langgeht. Nein, Julia ist keine Domina, die dir den Wunsch der absoluten Unterwerfung erfüllen könnte. Sie ist auch weder die unterbezahlte Telefonberatung eines Callcenters, noch das Navi, welches an deiner Windschutzscheibe klebt. Obwohl, mit Letzterem kommen wir der Sache zumindest näher.

Die Grenzen des Theaters brechen auf

Julia ist der Name einer künstlichen Intelligenz. Oder der Name von etwas, was diesem Konzept sehr nahe kommt. Sie ist die deutsche Stimme der Veranstaltung Remote X und koordiniert Menschen mit ihren Anweisungen durch Berlin Mitte. Zu Beginn der Tour werden Kopfhörer verteilt. Darüber erklärt sie genau, welcher Weg angetreten werden muss und . Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine einfache Stadtführung. Die Veranstaltung ist zusätzlich ein Theaterprojekt und ein soziales Experiment. Wer sich einen informativen Sightseeing-Guide erhofft, ist hier an der falschen Adresse.

Remote X, Stadtführung, Berlin, Audio

Foto: © Florian Merdes / Badisches Staatstheater Karlsruhe

 Ferngesteuerte Schafe bilden eine Herde

Zunächst wird eine Gruppe aus 50 Personen gebildet. Sie laufen gemeinsam und doch jede*r für sich. Während des Rundgangs spielt Hintergrundmusik. Das Erlebnis soll dadurch nicht nur atmosphärischer wirken. Musik regt dazu an, das persönliche Tempo, die Bewegungen, an den Rhythmus anzupassen. Die Einzelnen werden aneinander synchronisiert. Es entsteht eine Herde. Um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, kontrolliert Julia zwischendurch auch das Verhalten. Manchmal fordert sie dazu auf das Schritttempo zu steigern, zu springen, oder zu tanzen. Die Akteure beobachten dabei einander und begeben sich gleichzeitig in die Selbstreflexion. Es ist erstaunlich, wie schnell der Mensch sich leiten lässt. Ferngesteuert führt er Tätigkeiten aus, ohne diese zu hinterfragen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel sind die klugen Köpfe hinter dem Projekt Remote X. Seit 2000 arbeiten sie gemeinsam unter dem Namen Rimini Protokoll. Für sie findet Theater nicht nur auf der Bühne statt. Durch Experimente in den Bereichen Hörspiel, Film und Installation wollen sie die Sichtweisen auf die Wirklichkeit erweitern. Remote X entstand in Berlin in Kooperation mit dem HAU Hebel am Ufer. Ähnliche Ausführung wurden kurz darauf in mehreren Städten, darunter Lissabon, Moskau und Abu Dhabi präsentiert. Während einer virtuellen Schnitzeljagd durch urbane Landschaften, schaffen die Macher ein Bewusstsein für das, was besonders in der Zeit der Digitalisierung in Vergessenheit gerät: das Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkontrolle.

Remote Mitte | Maxim Gorki Theater
23. April bis 12. Juni 2019
Maxim Gorki Theater
Am Festungsgraben 2
10117  Berlin

Hier geht’s zur Veranstaltung.

Foto: ©Foto: © Florian Merdes / Badisches Staatstheater Karlsruhe