Wer schreit stirbt. Nach dieser einfachen Regel funktioniert „A Quiet Place“. In dieser verstörend-ruhigen Welt hat jedes Geräusch unmittelbar den Tod zur Folge. Jeder noch so winzige Laut ruft Kreaturen herbei. Außerirdische Wesen mit ziemlich fiesen Zähnen. Sie sind blind, aber haben ein unfassbar gutes Gehör. Und einen Mordshunger.

Seit Beginn des Horrorfilms ist der Schrei sein Markenzeichen. Geschrien wird immer, von Psycho bis Scream, der das auch noch im Titel trägt. Ein Film dieser Sparte, der ohne Schreie auskommt, in dem jedes Geräusch quasi verboten ist, muss also etwas Besonderes sein. Ein kleiner Trick entfaltet in dem Film seine volle dramaturgische Wirkung. Der Verzicht auf das prägendste Element aller Filme: Sprache. Dialoge gibt es kaum. Diese Idee sorgt dafür, dass Geräusche wieder etwas Spezielles werden, etwas Unerwartetes. Jeder Laut wird zum Nervenkitzel. „A Quiet Place“ braucht keine gigantischen Kulissen oder animierte Actionszenen. Es reicht eine fünfköpfige Familie, die in einer einsamen Welt um ihr Überleben kämpft. Wer schreit stirbt: mit dieser einfachen Regel gelingt Regisseur John Krasinski, gleichzeitig Hauptdarsteller und im wahren Leben verheiratet mit Emily Blunt (Edge of Tomorrow, Girl on the Train), ein dramaturgischer Geniestreich.

Revenge of the Hörgerät

Das Hollywood-Paar tut sich für den Film auch beruflich zusammen und spielt in „A Quiet Place“ ein Ehepaar, das mit seinen drei Kindern unterwegs ist durch eine verlassene Welt. In dieser Welt hat vor kurzem eine Alien-Invasion stattgefunden. Die Invasoren, hungrige knöcherne Viecher, sind anfangs kaum zu sehen, was den besonderen Reiz ausmacht. Die Familie streift durch menschenleere Straßenzüge, sprichwörtlich auf leisen Sohlen. Sie laufen barfuß, um kein Geräusch zu machen. Auf einem kleinen verlassenen Bauernhof verstecken sie sich vor den Aliens. Schöner Gegensatz: Während die Monster blind sind, aber dafür ausgesprochen gut hören, kann die Tochter der Familie (Millicent Simmonds) zwar ganz gut sehen, ist aber taub. Ihr defektes Hörgerät spielt eine wichtige Rolle – mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.

Todesfalle Baby-Bauch

Im Kino leidet man mit mit dieser kleinen Familie, die nur leben will. Die Handlung ist einfach, aber effektvoll. Wenn man nicht einmal schreien darf, während man dem Tod ins Gesicht blickt, ist der Horror perfekt. Dann wird jedes Geräusch zu blankem Nervenkitzel. ​Die bange Frage des Films: Wer von dieser wunderbaren Familie muss am Ende dran glauben – oder als nächstes. Kleine Missgeschicke bekommen plötzlich eine sehr große Bedeutung, sie rufen die Monster auf den Plan in dieser idyllischen Welt. Die Gegend ist ein schöner Kontrast. Er zeigt: Es kann so schön sein, aber leider lauern widerliche Aliens im Unterholz. Kleine menschliche Fehler – ein übersehener Nagel, eine umgekippte Lampe – lösen furchtbare Dinge aus, so dass man sich als Zuschauer über diese kleinen Missgeschicke unglaublich ärgert. Kleine Fehler bedrohen die Existenz dieser tapferen Familie. Und dann ist Emily Blunt im Film auch noch schwanger. Jeder weiß, was „schwanger“ bedeutet: schwanger = Geburt = Geschrei. Blunts dicker Bauch wird zum Omen.

Ideen helfen manchmal

Horror, Thriller oder Drama: fachsimpeln darüber, welchem Genre der Film zuzuordnen ist, ist müßig. Er hat von allem ein bisschen. Eine Komödie ist er jedenfalls nicht. In dem was er ist, ist er konsequent. In den USA ist „A Quiet Place“ ist auf Platz 1 der Kinocharts. Wo Blockbuster mit Effektorgien und Materialschlachten aufwarten um zu überzeugen, besinnt sich der Film auf das, was Kino ausmacht: Handlung und Dramaturgie. Dieser Film zeigt: Es braucht keine künstlichen Welten, keine sinnlosen Schießereien, es braucht nur eine gute Idee und eine konsequente Umsetzung. Selbst wenn die Idee lautet: Wer schreit stirbt. Liebes Hollywood, mehr davon!

A Quiet Place 

030 Magazin, Kino, Film, Filmkritik, horror

Länge: 90 Min.

Regie: John Krasinski

Darsteller: Emily Blunt, John Krasinski, Millicent Simmonds, Noah Jupe, Cade Woodward

Kinostart: 12.4.2018

 

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