Wie geht Graffiti mit Kommerz zusammen? Und was passiert, wenn man es auf Leinwände packt und in Galerien hängt? Wir sprachen mit Kai „RAWS“ Imhof. Er trägt seine Graffiti-Kunst freiwillig vom Blatt Papier auf Reebok Schuhe. Und von der Straße auf die Leinwand. Er denkt Graffiti in seiner Ausstellung #Neograffism neu.

Gibt halt immer was zu meckern

Ähnliche Fragen haben wir uns schon einmal im Jahr 2017 gestellt. Aufhänger war damals das „Kunstprojekt“ THE HAUS. Und der geplante Bau des Contemporary Art Museum. Um das Wesentliche von damals auf den Punkt zu bringen: Die Szene spaltet sich. Die einen sagen, Graffiti verliert abseits der Straßen seine Ausdruckskraft. Die anderen meinen, jetzt sei endlich die Chance, Urban Art als Teil der bildenden Kunst zu begreifen. Ähnliches auf der Seite der Kunstinteressierten: Die einen feiern den Eintritt der Straßenkunst in die Galerien und Museen. Andere sagen: Bloß weg mit dem Scheiss. Das ist doch keine Kunst. Ja, gibt halt immer was zu meckern.

Mach’s dir selbst

Am Ende müssen das Künstlerinnen und Künstler für sich selbst entscheiden. Sich selbst einordnen zwischen politischer Rebellion an schmutzigen Hauswänden und dem Kunstmarkt. Und auch Kunstinteressierte müssen für sich entscheiden, ob sie sich damit auseinandersetzen wollen oder ob sie Urban Art -insbesondere Graffiti- weiterhin als unnötige Schmiererei abtun möchten. Irgendwer wird am Ende trotzdem heulen. Ist dann halt so.

Na wo issa denn? Foto: © Promo

Im Interview: Kai „RAWS“ Imhof bezieht Position

Was ist denn nun mit Graffiti und Kommerz? Kai, du arbeitest mit bekannten Marken zusammen – ist das graffiti-konform? Wie verträgt sich das mit „Systemkritik“ die Graffiti bedeuten kann? 

Ob das graffiti-konform ist, ist mir relativ egal. Es ist Raws-konform. Ich kann das für mich verantworten und arbeite ja auch nicht mit jedem Konzern zusammen. Für mich war es immer der größte Traum, mit meiner Leidenschaft Geld zu verdienen. Und das tue ich mittlerweile. Ich war nie der große Graffitibomber und habe recht früh gemerkt, dass ich das auch nicht sein möchte. Es gibt eh immer krassere Leute auf dem Gebiet. Ich denke auch darüber nach, dass ich gar kein „Graffitikünstler“ bin. Vielleicht bin ich nur ein Künstler, der auf den Straßen angefangen hat und jetzt einfach Buchstaben und Formen auf Leinwand malt und das für sich selbst einordnen möchte. Deswegen auch #Neograffism. Denn Graffiti im klassischen Sinne male ich nicht mehr. Da gibt es andere, die viel radikaler sind.

#Neograffism ist der Name deiner Ausstellung. Neo lässt sich mit revolutionär übersetzen: was ist an deinen Graffiti revolutionär? 

Genau. Neograffism steht für mich für die Symbiose aus Graffiti, Grafik und Minimalismus. Ich denke, dass meine visuelle Sprache sehr eigen ist. Ich finde es spannend das klassische Graffiti zu brechen und mit Grafik zu verbinden, um so etwas neues zu kreieren. Der Einfluss von Bauhaus und Minimalism wird mit etwas sehr Zeitgenössischem (Graffiti) kombiniert und wirft so die Frage nach der Einordnung von Graffiti im Kunstkontext auf.

Wird fett. Foto: © Promo

Wie steht’s um die Einordnung im Kunstkontext? Ist Graffiti Kunst?

Für mich persönlich ist es Kunst. Denn Kunst kommt nicht von Können und definiert sich nicht über Ästhetik. Kunst regt zur Diskussion an. Und das tut Graffiti. Auch die sogenannten „Schmierereien“ sind Kunst in meinen Augen. Vielleicht gerade diese Taggs, weil Sie sich nicht den Regeln der Gesellschaft unterordnen. Schaut euch die Bilder von Jonathan Meese an. Diese sind genauso radikal, wie die Graffiti in der Stadt, nur dass seine Kunst großteils auf Leinwand stattfindet. Graffiti findet im Strassenbild statt ohne Erlaubnis. Ist das nicht sogar noch radikaler?

Was bedeutet Kunst für dich?

Fragen aufwerfen. Zur Diskussion anregen. Die Qualität von Kunst definiert sich nicht über Schönheit.

Ist Graffiti politisch? 

Gute Frage. Das kommt darauf an, wie man Graffiti definiert. Ist es noch Graffiti, wenn man Buchstaben auf Leinwand malt und diese in die Gallerie hängt? Ich hab da selbst keine Antwort. Aber für mich persönlich ist das klassische Graffiti auf der Straße hochpolitisch. Denn die Jungs unterwerfen sich nicht den Regeln der Gesellschaft und suchen sich ihren Freiraum. Ob es dem Staat passt oder nicht. Sicherlich ist nicht jeder Graffitisprüher politisch, aber die Graffitis und Aktionen in meinen Augen schon. Es geht also um Freiheit, Gegenkultur und Slebstverwirklichung – was ist das, wenn nicht politisch?

Was erwartet die Besucher auf deiner Ausstellung?

Es erwartet sie der Grenzgang zwischen Graffiti, Grafik und Minimalismus in einer sehr eigenen Sprache. Der Besucher soll mit den Fragen konfrontiert werden, ab wann gestalterisch Graffiti für Ihn zur Kunst wird. Was für Ihn Kunst ist. Wie er Graffiti definiert. Es wird verschiedenste ästhetishe Ansätze geben um sich den Fragen von mehreren Blickwinkeln anzunähern.

Wie wünscht du dir die Graffiti-Zukunft? 

Ich wünsche mir vor allem, dass es immer Jungs und Mädels gibt, die auf der Straße ihr eigenes radikales Ding durchziehen ohne sich Regeln unterzuordnen. Weder den Graffiti-Regeln, noch den gesellschaftliche Regeln. Und ich wünsche mir, dass die Gesellschaft immer mehr ein Gefühl für Graffiti bekommt. Nicht unbedingt, dass sie das toll und gut finden, aber zumindest eine Art Verständnis aufbringt und nicht alles einfach als Schmierei von Jugendlichen abtut.

 

#Neograffism by Kai „RAWS“ Imhof | Urban Spree 
23. Mai Vernissage 19 Uhr
23.5. bis Ende Juni 2019
Di – So 12 bis 19 Uhr

Urban Spree Galerie
Revaler Str. 99
10245 Berlin

Hier geht’s zur Veranstaltung.
Und hier zum Kai.

Foto: © Promo