Verglichen wurde „La isla mínima – Mörderland“ vielerorts mit der ersten Staffel der hochgelobten US-Serie „True Detective“, in der zwei Kriminalbeamte im Sumpfland Louisianas nach einem Serienkiller fahnden. Parallelen zwischen beiden Werken liegen sicher auf der Hand. Am besten sollte man den fiebrig-brodelnden Provinzthriller aber komplett losgelöst von der amerikanischen Fernsehproduktion betrachten.
Spanien im Jahr 1980: Schon diese Reise der Großstadtpolizisten Juan (Javier Gutiérrez) und Pedro (Raúl Arévalo) in den unwegsamen Süden Andalusiens verläuft alles andere als reibungslos. Nachdem ihr Wagen schlapp gemacht hat, lassen sich die beiden Ermittler von Einheimischen in eine kleine Ortschaft im Guadalquivir-Delta bringen, in der zwei jugendliche Schwestern spurlos verschwunden sind. Dort angekommen, spüren die Beamten schnell, dass sie nicht willkommen sind, und können auch den Vater der vermissten Mädchen nicht zum Reden bringen. Als kurz darauf die übel zugerichteten Leichen der Schwestern gefunden werden, kommt langsam, aber sicher Bewegung in den Fall. Juan und Pedro hegen den Verdacht, dass sie es hier mit einem Serienmörder zu tun haben, der die Verzweiflung junger Frauen ausnutzt.
Die Aufmerksamkeit des Zuschauers gewinnt der Film schon mit seiner betörend-geheimnisvollen Titelsequenz, die den in zahlreiche Flussläufe verästelten Handlungsort aus der Vogelperspektive einfängt. Tief unten am Boden quälen sich die aus Madrid zwangsabgeordneten Protagonisten mit schweigsamen Landbewohnern, unheimlichen Prophezeiungen und der flirrende Hitze herum, die Kameramann Alex Catalán in seinen atmosphärischen Sepia-Bildern überzeugend transportiert. Dass „La isla mínima – Mörderland“ mehr ist als ein stimmungsvoller, beeindruckend fotografierter Kriminalthriller, liegt vor allem am sozipolitischen Kontext, der immer wieder in die beschwerlichen Ermittlungen einbricht. Obwohl sich Spanien fünf Jahre nach dem Tod Francos mitten in einem Demokratisierungsprozess – der sogenannten Transición – befindet, sind die Schatten der Vergangenheit noch überall zu spüren. Der linke Idealist Pedro findet in seinem Hotelzimmer etwa ein Kruzifix, das mit Hitler- und Franco-Bildern drapiert ist, und zerbricht sich außerdem den Kopf über die Anschuldigungen gegen seinen älteren Partner, der sich während der Diktatur die Finger schmutzig gemacht haben soll. Aus der gegensätzliche Zeichnung der Hauptfiguren – Pedro steht als werdender Vater und Demokrat für die Zukunft, während der aufbrausend-gewalttätige Juan die alten Zeiten verkörpert – bezieht das von Regisseur Alberto Rodríguez und Rafael Cobos verfasste Drehbuch eine eigenwillige Spannung, ohne simple Schwarz-Weiß-Muster zu bemühen. Je näher der dramatische Showdown im sintflutartigen Regen rückt, umso deutlicher zeigt sich die innere Zerrissenheit der auf den ersten Blick grundverschiedenen Ermittler. Auch Pedro ist kein Heiliger und Juan nicht bloß ein jähzorniger Haudegen ohne moralische Überzeugungen.
La isla mínima – Mörderland
Länge: 105 Min.
Regie: Alberto Rodríguez
DarstellerInnen: Javier Gutiérrez, Raúl Arévalo, Antonio de la Torre, Nerea Barros, Salva Reina, Jesús Castro, Manolo Solo
Kinostart: 04.08.2016