Bereits mit seiner ersten 12″, dem düsteren Technostomper ‚Take Me Baby‘ aus dem Jahre 1995, gelang dem finnischen Ausnahmemusiker Jimi Tenor ein weltweiter Clubhit. Dabei sind dem heute 52-jährigen zwei Dinge bei der Kreation seiner Musik besonders wichtig: simpel in der Entstehung, bedeutungsvoll im Klang. Bescheidenheit trägt einen Namen: Jimi Tenor.
Nach seinem Debütalbum `Sähkömies‘, dem Zweitling ‚Europa‘, dem grandiosen ‚Intervision‘ (1997) und ‚Organism‘ (1999) und einigen weiteren großartiger Releases, verließ Tenor 2007 den Pfad des Solokünstlers und widmete sich vermehrt kooperativeren Musikprojekten, beispielsweise zusammen mit dem afrikanischem Musiker Kabu Kabu (Joystone; 2007/ 4th Dimension; 2009) oder 2009 ‚Inspiration Information‘ (Strut) zusammen mit dem ehemaligen Fela Kuti Drummer Tony Allen. Nachdem Jimi Tenor in den vergangenen 20 Jahren insgesamt 18 Alben, auf wegweisenden Labels wie Warp, Kitty-Yo, Ubiquity oder Strut, veröffentlichte, erschien Anfang Juni sein aktuelles Werk ‚Order of Nothingness‘ auf dem Berliner Label Philophon, eine unter dem Genre Future Jazz eingeordnete Platte, bei dem Tenor, wie bei dem 2016er Werk ‚Saxentric‘ (Herakles Records) ohne musikalischen Sidekick auskommt. Gerade Fans der frühen Werke dürften sich hier angesprochen fühlen.
Im Rahmen der Veröffentlichung sprachen wir mit Jimi Tenor über seine Liebe zur Natur, die geistige Freiheit kreativ zu arbeiten und die Möglichkeiten, die ihm sein ‚Take Me Baby‘ – Hit für die weitere Karriere ermöglichte.
Jimi, ist das Cover zu deinem neuen Album ‚Order of Nothingness‘ eine Reminiszenz an dein 1999er-Album ‚Organism‘? Du stehst auf beiden glückselig in der Natur.
Ich mache viele Fotos, wenn ich im Wald bin. Es ist ein wiederkehrendes Motiv.
Was bedeutet dir die Natur? Wie wichtig ist sie für deine Musik?
Natur ist definitiv wichtig für mich. Wenn ich Songs schreibe mache ich viele Spaziergänge. Oft bekomme ich dabei Ideen. Klingt vielleicht uncool, aber es funktioniert. Weil du deinen Geist befreist. In der heutigen Zeit von Facebook und Co. ist dein Gehirn ständig voller Informationen. Für meine Arbeit brauchst du Zeit, auch mal nichts zu tun.
Ist es für dich heute schwieriger, deinen Geist frei zubekommen?
Also vielleicht gehe ich auch zu viel ins Internet. Ich denke zwar nicht, aber vielleicht liege ich falsch. Ich versuche, nicht ständig online zu sein, aber das Internet ist ein sehr mächtiger Feind.
Wenn du ein neues Projekt startest, wie gehst du da ran?
Da ist eine Idee und dann geht mein Geist auf Reisen. Ich habe auf jeden Fall so ein Mantra im Kopf, das mich vorantreibt und sagt: weiter, weiter, weiter. Sicherlich wäre ab und an ein Akkordwechsel spannend, aber dafür ist es dann zu spät.
Vielleicht im nächsten Song…
… (lacht) oder im nächsten Leben.
Deine Musik klingt sehr analog… Ist das eher deine Welt, als die digitale?
Auf dem Album gibt es sogar historische Instrumente. Eine Hammond Extravoice aus den späten 50ern. Das ist ein früher Synthesizer. Zeug fürs Museum (lacht), ich benutze viele akustische Instrumente. Die Baselines habe ich mit einer Orgel gespielt. Keine Ahnung, ob ich mehr analog oder digital mache. Im Grunde ist mir das auch egal. Aber ich denke, es gibt viel Digitales auf dem Album.
Was ist das Wichtigste, wenn du dich an neue Songs setzt?
Meine Songs möchte ich simpel aber bedeutungsvoll machen. Nicht so wichtig, was für Synthesizer dabei sind. Oder viele seltsame Akkorde. Okay, in diesem Album gibt es ein paar lustige Delays.
Simpel aber bedeutungsvoll trifft auch auf deinen 1995er Clubhit ‚Take Me Baby‘ zu.
Ja, aber das ist lange her. Ich muss sowas nicht nochmal machen. Ich kann natürlich etwas Ähnliches machen, um damit mehr Geld zu machen. Aber ich möchte eher ein erfülltes Leben haben. Bei Auftritten spiele ich immerhin manchmal andere Versionen von dem Song. Das macht Spaß.
War aber sicher ein guter Start für dich und deine weitere Karriere. Ich vermute, die Platte hat sich ganz gut verkauft? Ein Exemplar davon steht bei uns im Redaktionsregal.
Es verkauft sich immer noch. So ein ‚Hit‘ gibt dir viel Freiheit. Der Song ist nicht wie »Smoke on the Water«, bei dem sich Leute beklagen, wenn er nicht gespielt wird. Okay, manchmal beschweren sich Leute, wenn ich ‚Take Me Baby‘ nicht spiele. Aber das Set-up ist heute ein anderes. Wenn ich mit Akustik-Instrumenten auf die Bühne kommen, weiß man, dass es ein anderer Sound ist.
Deine Fans vertrauen dir und deinen Ideen.
Ja. Wir haben eine Afro-Beat-Version von ‚Take Me Baby‘ gemacht. Das war lustig.
Werden sie dich zeitnah live erleben können?
Es wird natürlich Konzerte mit dem neuen Album geben. Wir haben eine Band und spielen eine große Show in der Elbphilharmonie Anfang nächsten Jahres. Da soll eine ziemlich gute Akustik sein.
Deine Musik ist inspirierend und live kommt viel Energie rüber.
Im normalen Leben bin ich nicht so eine aufregende Person. Aber auf der Bühne ist das was anderes. Ich mag es auf der Bühne.
Musstest du das Bühnendasein lernen?
Definitiv. Ich war sehr schüchtern als junger Mensch. Aber ich lernte und heute macht mir das nicht mehr viel aus. Ich gucke manchmal nicht ins Publikum, was nicht komplett falsch ist, wenn du im Showbusiness bist. Aber ist mir egal. Ich will richtig spielen und wenn ich ins Publikum gucke verliere ich meine Konzentration. Besser die Augen schließen und Musik machen.
Gut, dass du kein Sänger bist…
(lacht) Wenn ich singe, ist das ein Bonus. Sagen wir so. Ich denke ich bin mehr Songwriter als Sänger. Aber ich singe ein bisschen.
Danke für das Gespräch.
Das Album ‚Order of Nothingness‘ ist bei Philophon erschienen.
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