Keine Zeit zu Sterben, James Bond, 007, Daniel Craig

Spaß am Grenzübertritt | 007-Regisseur Cary Joji Fukunaga über „Keine Zeit zu sterben“

Der Sohn eines Japaners und einer Schwedin studierte Geschichte, mit seinem Kinodebüt Drama „Sin nombre“ wurde Cary Joji Fukunaga beim renommierten Sundance Film Festival 2009 gleich doppelt prämiert. Für sein Historiendrama „Jane Eyre“ standen Mia Wasikowska und Michael Fassbender vor der Kamera. Es folgte die HBO-Serie „True Detective“, sowie das Kriegsdrama „Beasts of No Nation“ mit Idris Elba, welches 2015 in Venedig seine Premiere erlebet. Die Neuverfilmung von „Stephen Kings Es“ scheiterte nach Differenzen mit dem Studio.

So erging es auch Danny Boyle mit dem 25.Bond – und Cary Fukunaga übernahm mit „Keine Zeit zu sterben“ das Abschiedsabenteuer von Daniel Craig. Mit dem Regisseur unterhielt sich unser [030] Mitarbeiter Dieter Oßwald.

Mister Fukunage, was hat Sie an 007 interessiert? 

Fukunaga: Mich haben viele Dinge interessiert. Allein schon die Tatsache, dass es ein neuer Bond mit Daniel sein würde, fand ich faszinierend. Ich traf mich mit Barbara Broccoli, der Produzentin, schon vor einigen Jahren und fragte sie damals, wie es ohne Daniel Craig mit Bond weitergehen würde. Wir plauderten über mögliche Nachfolger, aber keiner von denen konnte Daniel das Wasser reichen. Als Danny Boyle als Regisseur aus dem aktuellen Bond-Projekt ausstieg, schrieb ich Barbara und fragte, ob ich nicht in die Reihe möglicher Regie-Kandidaten aufgenommen werden könnte.

Was macht außer Daniel Craig für Sie den Reiz aus?

Fukunaga: Wann hat man schon eine Figur, die solch eine Ikone ist wie James Bond? Wann hat man die Möglichkeit, ein letztes Kapitel in 007 zu schreiben? Gar nicht so reden von der immensen Größe dieser Produktion. Das ist wie lebendes Spielzeug in aufregenden Kulissen. Solch eine Chance kann man sich nicht entgehen lassen.

Wie lautet die Erfolgsformel für 007?

Fukunaga: Das weiß ich nicht. Meine persönliche Formel lautet: Tue alles dafür, dass die Geschichte funktioniert. Eine gute Story ist immer entscheidend für den Erfolg. Ich kenne genügend spektakuläre Filme, bei denen ich mir dachte: An der Geschichte hätte man durchaus noch mehr arbeiten können!

Namen wie Pussy Galore aus Connery Zeiten wären heute undenkbar. Umgekehrt wäre ein zu politisch korrekter Bond kaum passend. Wie modernisiert man solch einen Genre-Dinosaurier, ohne dass er zum Weichei, zum Woke 007 gerät?

Fukunaga: Daniel hat dabei in seinen vorigen Filmen schon sehr gute Arbeit geleistet. Er hat da seine ganz eigenen Ansichten. Nicht zufällig gibt es bereits in „Casino Royale“ eine sehr starke, unabhängige Frauenfigur. Wir führen diese Tradition mit „Keine Zeit zu sterben“ nun fort. Und das funktioniert eben nur mit einer guten Geschichte. 

James Bond, No time to die

Regiesseur Cary Joji Fukunaga (Mitte) mit Bond Darsteller Daniel Craig und 007 Darstellerin Lashana Lynch. – Foto: EON Productions

Am Drehbuch hat mit „Killing Eve“-Autorin Phoebe Waller-Bridge erstmals eine Frau mitgeschrieben. Haben die Bond-Girls auf die kreative Seite gewechselt? Gibt es mehr Frauenpower denn je in 007?

Fukunaga: Das wäre die Vermutung, wann man von außen auf die Sache blickt. Tatsächlich gingen meine Gespräche mit Phoebe über wirklich alle möglichen Themen und jede der Figuren. Phoebe ist eine talentierte Autorin, die sehr interessante Situationen entwickelt und für eine völlig ungewöhnliche Dynamik in den Szenen sorgt. Ihr besondere Blick für Konflikte macht die Sache für den Zuschauer sehr befriedigend.

In der aktuellen Dokumentation „Being James Bond“ klagt Produzentin Barbara Broccoli, dass jene homoerotische Anspielung zwischen Daniel Craig und Javier Bardem in „Skyfall“ nur schwierig beim Studio durchgesetzt werden konnte. Wie weit darf man gehen bei einem 007? 

Fukunaga: Es macht immer Spaß, Grenzen zu testen und zu verschieben. Jede unerwartete Handlung einer Figur macht sie doch umso interessanter. Allerdings darf das nicht auf Kosten der Glaubwürdigkeit gehen. Wenn man es übertreibt und nur auf einen Effekt schielt, funktioniert es nicht. Man darf den Kontext und die Geschichte nicht aus den Augen verlieren.

Wie sehr spüren Sie den Erwartungsdruck bei den Dreharbeiten? Kann man den ganzen Hype einfach ausknipsen? 

Fukunaga: Am Abend von einem Drehtag interessieren mich nur die Ergebnisse der Arbeit, da denke ich nicht darüber nach, dass es sich um einen Film mit einem Budget von über 200 Millionen Dollar handelt. Ich konzentriere mich allein darauf, dass wir den Drehplan einhalten und jede Abteilung der Crew bestens vorbereitet ist.  

Wie sentimental geriet der letzte Drehtag?

Fukunaga: Der letzte Drehtag war sehr emotional, was mich überraschte. Üblicherweise ist der Abschlusstag nichts besonderes. Die einen denken an die Postproduktion, die anderen an ihre nächsten Projekte. Diesmal war es schon anders. Bond ist eben doch etwas besonderes. Erst recht, wenn es der letzte Bond mit Daniel ist. Zumal viele aus der Crew schon seit „Casino Royale“ dabei sind. Man spürte am letzten Tag dann schon, dass hier eine Ära zu Ende ging. Erst fingen die Leute von der Maske an zu heulen, dann das Stunt-Double und schließlich auch Barbara Broccoli.

Was macht die besondere Qualität von Daniel Craig aus?

 Fukunaga: Daniel verfügt über eine sehr starke maskuline Präsenz. Zugleich zeigt er aber auch eine Verletzlichkeit. Er hat keine Scheu vor Gewalt, dennoch gibt es Momente, in denen er sich ganz öffnet. Er beherrscht Komplexität auf einem sehr hohen Niveau.

Wer wäre für Sie der passende Nachfolger für 007?

 Fukunaga: (Lacht) Ich weiß es nicht. Darüber habe ich nie nachgedacht, weil ich diese Entscheidung nicht treffe. Zum Glück muss ich das nicht entscheiden, denn das kann nur eine loose-loose-Situation werden. Es wird immer Leute geben, die sofort enttäuscht vom Nachfolger sind. Die Frage ist: Wie viel Prozent der Leute möchte man enttäuschen? Ich war glücklich, dass ich mit Daniel arbeiten konnten. Wer weiß, vielleicht kommt Daniel ja nochmals für einen weiteren Bond zurück…

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