Robot, Koch, Jahcoozi, Sphere

Robot Koch: «In Berlin hat es sich am Schluss angefühlt, als würde man im Schlamm waten. »

Der Produzent Robert ‚Robot‘ Koch ist in den Neunzigern aus dem Schatten der Kasseler Berge in den Berliner Moloch gezogen. Hier stieg er in den frühen Nullerjahren, im Dunstkreis des WMF Umfeldes, mit seiner Band Jahcoozi zum angesagten Szene-Act auf. Mit ihrer Mischung aus Broken Beats, Hip-Hop Elementen und Electronica machte das Trio auch außerhalb Berlins auf sich aufmerksam.

Mittlerweile ist Jahcoozi Geschichte. 2013 hat Koch, der als Produzent für Marteria oder OK KID tätig war, der bundesdeutschen Hauptstadt den Rücken gekehrt. «Berlin war wie so ’ne Hängematte, wo sich die Leute drin ausgeruht haben. Das fühlte sich für mich zäh an. Ich wollte einfach mehr machen, als nur feiern zu gehen.» Seit 2013 lebt der 41-jährige in Los Angeles und konzentriert sich auf seine Karriere als Filmmusikproduzent. Mit Erfolg: US-Serien wie ‚The Blacklist‘ mit James Spader oder ‚How to get away with murder‘ bedienen sich seiner musikalischen Kunstfertigkeit. Für Koch sind «Bewegung und Dynamik im Leben» wichtig. Auch sein neues Album ‚Sphere‘ handelt in gewisser Weise davon. Denn ohne die beiden Faktoren dürfte der Weg in den Weltraum etwas schwierig werden. Seine klanglichen Sphären geben sich episch, filmisch, düster und melodisch zugleich. Ein spannender Trip durch das Robot Koch Universum. Passend dazu zieht es den Künstler mit seinem Live-Programm an einen Ort, an den man als schnöder Erdenbürger am ehesten ein Gefühl für die unendliche Weite des Alls bekommen kann: das Planetarium.

Robot, Koch, Jahcoozi, Sphere

Hält sich lieber im Hintergrund und lässt seine Musik für sich sprechen: Robot Koch. – Foto: © Neil Kryszak

Live im Planetarium: Den Sternen entgegen

Zusammen mit dem Berliner Zeiss-Großplanetarium wurde die Idee hinter Kochs Live-Konzept entwickelt. Für die visuelle Umsetzung kam der Künstler Mickael Le Goff mit ins Boot. Das Ergebnis ist eine packende Live-Show – inklusive 360-Grad-Visuals und Surround Sound. Hierfür wurde die Musik speziell für räumliche 3D-Präsentationen abgemischt und mit eigens für eine derartige Kuppelprojektion programmierte Visuals kombiniert.  Das Planetarium ist dabei nicht zufällig gewählt worden: Als Ergebnis einer rund einjährigen intensiven Arbeitsphase, werden Visuals und Sound das Publikum tatsächlich ins All entführen – der Trip vereint Orte, die einerseits das Innere eines Raumschiffs, andererseits aber auch die Verästelungen und Adern eines Organismus darstellen könnten. Die Premiere findet am 8. und 11. Oktober im Berliner Zeiss-Großplanetarium statt. Für 2019 ist daran anknüpfend eine Tour durch Planetarien rund um den Globus geplant; außerdem stehen Performances bei ausgewählten Festivals auf dem Programm, die derartige Kuppelprojektionsshows technisch realisieren können.

Wir sprachen im Vorfeld der Show mit Robert über den Grund seiner Abkehr von Berlin und den Neustart in L.A., seine Liebe zur Filmmusik und die Entstehung seines neuen Albums, welches am 5. Oktober bei seinem eigenen Label Trees and Cyborgs erschienen ist.

Robert, Du lebst seit 5 Jahren in Los Angeles. Fühlst du dich dort mittlerweile heimisch?

Ja, die Zeit reicht auf jeden Fall aus, um richtig anzukommen und sich auch heimisch zu fühlen. Ich halte mich aber von den Ecken, die man im Film sieht, relativ fern. Ich wohne im Osten, also nicht das, an was man als Außenstehender denkt. Kein Venice, Beverly Hills oder Hollywood. Da ist es ganz anderes. Viel ruhiger und kreativer.

Wie blickst du denn mit den Jahren des Abstands auf deine „alte Heimat“ Berlin zurück?

Ich würd‘ jetzt nicht nach Berlin zurückziehen, aber ich find’s hier nach wie vor toll. Ich bin ja nicht mit einem bitteren Gefühl der Stadt gegenüber weggegangen. Vielmehr hatte ich nach 13 Jahren eine gewisse Berlin-Müdigkeit. Dann noch die Trennung von der Freundin, und vieles, auch bezogen auf die Musik, ging halt zu Ende.

2013 war halt so ein Veränderungsjahr, wo ich gemerkt hab, jetzt tritt mir mein Leben mal in den Arsch

Ich war in einer Komfortzone, in der ich mich schon lange nicht mehr wohl fühlte. Da musste ich einfach mal raus. Rückblickend war das eine total gute Veränderung, dass ich den Sprung ins Unbekannte gewagt habe.

Konntest du denn dort so einfach arbeiten? Brauchte es nicht eine sogenannte Green Card?

Glücklicherweise hatte ich dieses O1 Visum. Das gilt für Touren und damit kann man auch uneingeschränkt arbeiten.

Du hattest mit deiner Band Jahcoozi und auch solo ein gutes Standing in Berlin. Und dann kommst du nach L.A. und bist nichts. War das so?

In erster Linie wollte ich irgendwo hingehen, wo ich niemanden kenne. L.A. im Speziellen war so ein Bauchgefühl. Aber du hast Recht, das ging mir in LA schon ein bisschen so. Dir fehlt halt das Netzwerk. Aber ich stand in meiner Karriere auf jeden Fall schon an einem anderen Punkt, als in den 1990ern, als ich nach Berlin kam. Keiner hatte jemals von Robot Koch gehört. Das war nun etwas einfacher.

In L.A. haben manche schon meinen Namen gekannt und „Elektronik-Produzent aus Berlin“, das klang ja auch nicht schlecht. 

Wie bist du die Sache vor Ort angegangen? Hast du dich sogleich auf die Arbeit gestürzt, um schnell in der Szene Fuß zu fassen?

Nein, gar nicht. Am Anfang hab ich erst mal einen Road-Trip gemacht, um mir das Land anzusehen, speziell Kalifornien. Küste hoch und runter. Zu der Zeit war ich echt offen und neugierig, was so passiert. So kommt man dann auch leichter ins Gespräch. Ganz ohne Erwartungen. So hat sich das eine zum anderen gefügt. Ich hatte dann auch schnell das Gefühl, wenn das so läuft, dann ist man hier am richtigen Ort.

In Berlin hat es sich am Schluss angefühlt, als würde man im Schlamm waten. In L.A. floss das dann einfach. Spätestens da dachte ich mir, das scheint jetzt grad der richtige Moment zu sein, an dem ich hier sein will.

Also nicht nur deswegen, weil private Dinge zu Ende gingen, sondern auch aus künstlerischer Sicht?

Genau. Berlin war mir einfach zu langsam. Ich wollte was machen und auch Sachen bewegen. Es kam mir damals oft so vor, wie «Kommt es heute nicht, kommt kommt es morgen». Wir gehen feiern, reden über Projekte, müssen sie aber nicht realisieren. Der finanzielle Druck war auch nicht so groß. Berlin war wie so eine Hängematte, wo sich die Leute drin ausgeruht haben. Das fühlte sich für mich irgendwann nur noch zäh an. Ich wollte einfach mehr machen, als nur feiern zu gehen. Wenn man so eine Gemütlichkeit einkehren lässt und sich darauf ausruht, dann fühlt sich das auf Dauer nur frustrierend und zäh an.

Und in L.A.?

Der finanzielle Druck ist viel höher. Die Stadt ist im Vergleich zu Berlin in allem zwei- bis dreimal so teuer. Jeder muss sich bewegen und was machen. Da sitzt keiner im Café und plant Projekte, die er dann nicht durchsetzt. Da ist eine andere Bewegung drin. Die Leute sind aber keineswegs deprimiert, weil sie so viel machen müssen, im Gegenteil, da ist eine Macher-Mentalität am Start. Das gefällt mir aber ganz gut.

Der Wettkampf ist größer, oder?

Es gibt halt nicht so den Punkt „Jetzt hab ich was erreicht, jetzt mach ich’s mir mal gemütlich.“ Es geht immer weiter. Aber als Künstler und Mensch will man sich ja auch weiterbewegen und stetig weiterentwickeln. Stagnation fand ich nie besonders gut. Deshalb bin ich damals auch aus Kassel weg und dann wiederum aus Berlin.

Bewegung und Dynamik im Leben ist mir echt wichtig.

Dein Sound ist ein Spiegelbild dessen?

Ja, auf jeden Fall. Manche Fans fragen, warum ich denn nicht nochmal so ein Album mache wie 2009, das war doch so geil. Aber das hab ich 2009 gemacht. Warum soll ich denn das nochmal machen? Natürlich gibt’s Bands, die da so rangehen und damit sehr erfolgreich fahren. Aber für mich ist das nichts.

Manche Musiker genügen sich damit. Die haben dann Spaß mit ihren exklusiven Hobbys. 

Ja, dass ist ja auch jetzt nur total subjektiv von mir geschildert. Andere Menschen sind mit anderen Sachen glücklich. Manche lieben ja auch den gleichen Trott und den Mangel an Veränderungen und fühlen sich da sicher. Ich versteh das auch alles. Nur ich für mich brauche halt Impulse und Veränderungen. Für mich ist Leben wie ein Baum, der sich verändert und stetig wächst. Das ist im Prinzip Fortschritt, also jetzt nicht im quantitativen Sinne, also mehr und mehr und mehr, sondern eher ein qualitativer Fortschritt.

War das Thema Filmmusik schon immer in dir drin? Einen ersten Schritt im Serienbereich hast du mit deiner Musik ja bereits getan.

Total gute und wichtige Frage. Ja, ich denke, das war schon immer in mir drin. Ich war als Kind schon ein riesiger Filmfan und hatte als 12-Jähriger unzählige VHS-Kassetten. Ich war immer ein Star-Wars-Fan, dazu die Musik von John Williams, das war großes Kino für mich. Dieser Schritt Richtung Hollywood interessiert mich auf jeden Fall. Ich hab mittlerweile auch viele Freunde, die für große Filme und Serien komponieren. Da ist eine Tür offen, Kontakte sind da. Du hast Recht, vieles meiner Musik wird für TV-Serien, Filme und Kino-Trailer verwendet. Das scheint sich dafür zu eignen. (lacht)

Was macht in diesem Bereich den Reiz für dich als Produzent aus?

Ich schreibe eh immer auf Bilder. Wenn ich selbst etwas schreibe, stelle ich mir eine Aufgabe, habe eine Szene vor Augen und beschreibe die dann mit den Instrumenten. Ich suche beispielsweise Spannungsfelder zwischen etwas Schönem und den leicht schrägen Elementen. Bei Filmmusik ist das genau das Gleiche. Du hast eine Szene, die dir gewisse visuelle Komponenten vorgibt, auf die du dich dann einlassen musst.

Ich habe also schon immer so gearbeitet. Erst mit imaginären eigenen Bildern, und nun halt auf Bilder anderer. Daher ist das gar nicht so fremd für mich.

Unter uns: Haben die Filmleute, mit denen du arbeitest, musikalisches Verständnis?

Lass es mich anders sagen, ich habe gemerkt, dass ich einen ganz eigenen Sound habe. Ein Beispiel: Ein Freund von mir scored erst eine Komödie, dann einen Actionfilm und am Ende das Drama. Ich könnte das nicht. Ich hab einen bestimmten Sound. Ich könnte keine Disney-Komödie vertonen. Ich bin auch nicht der gelernte Komponist, wie ein Hans Zimmer, der den Ball gespielt bekommt und dann den entsprechenden Orchester-Score schreibt. Deshalb bin ich auch nur für bestimmte Projekte relevant. Aber die gibt es ja auch. Die mache ich dann auch sehr gerne.

Robot, Koch, Jahcoozi, Sphere

Den Sternen entgegen: Für das neue Album ‚Sphere‘ ging der Blick nach oben. – Foto: © Neil Kryszak

Ich hab kürzlich ein Interview mit James Newton Howard, der ja auch mit Hans Zimmer „The Dark Knight“ gemacht hat, gelesen. Auf dem Toplevel scheint Geld keine Rolle zu spielen. Also im Sinne von: „Die Topstars der Szene verdienen richtig gut“. 

Ja, das ist eine andere Liga. Eben Mainstream-Business, wie in der Musik auch. Da geht es in erster Linie um Geld. Ich krieg das ja auch mit. Ein Freund macht auf Zuruf Filmtrailer für die ganzen Sachen wie ‚Spiderman‘ oder ‚Godzilla‘. Klassische Auftragsarbeit. Also im Endeffekt total unkreativ, aber eben megagut bezahlt. Aber das würde ich gar nicht machen wollen und auch nicht können. Ich hab beispielsweise einen Song gemacht, den bringe ich jetzt raus und in einem Jahr nehmen sie den existierenden Song und packen ihn in einen Filmtrailer. Also die andere Richtung.

Ich bin nicht der Auftragsproduzent.

Kommen wir zu deinem neuen Projekt ‚Sphere‘. Wie ist es dazu gekommen? Hat der Sternenhimmel in L.A. etwas damit zu tun, der dürfte in Kalifornien ganz ansehnlich sein?

(lacht) Ja, vor allem in der Wüste von Joshua Tree. Man fährt zwei Stunden raus und dann hast du dort gar keine Lichtverschmutzung und siehst einen fantastischen Sternenhimmel. Aber kurz wie es dazu kam: Ich habe jahrelang in Clubs und auf Festivals – auch mit Jahcoozi – gespielt. Das hat mich auf Dauer auch frustriert, denn ich konnte nur die klobigeren Sachen aus meinem Backkatalog spielen. Klar, die Leute sind im Club, es ist 3 Uhr morgens, und wollen tanzen. Da kann man nicht immer machen was man will. Irgendwann kam dann der Kontakt zum Planetarium zu Stande. Die haben mir, sicherlich ohne Hintergedanken (lacht), erzählt, dass sie sich in Zukunft auch mehr als Venue positionieren möchten. Da ploppte dann der Gedankengang: «Warum spiele ich nicht einfach mal im Planetarium?». Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass sich meine Musik und die Idee dahinter nicht ganz so einfach 1:1 transferieren lässt.

Bands wie Tocotronic spielen einfach ein Konzert im Planetarium mit ein paar Visuals.

Genau, bei mir war das aber anders. Ich wusste, ich spiele für das Planetarium eine Show und da kann ich das alte Material gar nicht verwenden. Das war wie ein Soundtrack, mit neuem Inhalt. Ich hab meine Show also speziell für das Planetarium konzipiert. Visuals. 3D-Surround-Sound. ‚Sphere‘ ist also eine komplette Produktion und Komposition für diesen Ort.

Klingt nach einer Menge Aufwand?

Kann man so sagen. Ich habe die Show über ein Jahr produziert. Sie ist vom Aufbau her wie ein kleiner Film. Das Gute ist, es gibt weltweit um die 150 Planetarien und ich kann es in jedem performen. Die Ideen für eine Welttournee stehen auch bereits. Komprimiert auf das Wesentliche besteht die Show aus 100TB an Daten. Die kann ich überall hin mitnehmen.

Und dann das Mischpult in der Mitte der Planetariums-Bühne, mit den Händen in der Luft – und gib ihnen?

*lacht* Aber im Ernst, ich hab mich immer gefragt, wie kann ich die Aufmerksamkeit von mir auf die Musik und das Gesamtkonzept lenken.

Was die meisten DJ´s machen, so ‚Hands in the air‘ und sich selbst feiern, das ist einfach nicht mein Film.

Ich hoffe, das auf der Bühne zweitrangig ist, was ich mit den Armen mache und welche Tasten ich drücke. Der Rahmen, wo die Reise hingehen soll, steht im Vordergrund und ist in diesem Falle bereits gesetzt: ohne Umwege direkt in den Weltraum.

Robert, gute Reise und vielen Dank für das Gespräch.

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Robot, Koch, Jahcoozi, Sphere
Live am 8. und 11. Oktober im Berliner Zeiss-Großplanetarium.