Oliver koletzki, Stil vor talent, berlin

Vom DJ-Spätzünder zum Festival-Headliner – vom HipHop-Beatbastler zum elektropoppigen Mainstream-Star. Oliver Koletzki hat in seiner Karriere vieles erlebt. Mit 40 hinterfragte er sein Tun. Schneller, weiter, höher! Ist das alles? In der Folge richtete Koletzki sich neu aus. Nahm das Booking selbst in die Hand. Entschleunigte sein berufliches Leben. Ein Gespräch über musikalischen Anspruch, den Sound seiner neuen Platte und das fehlende Etwas zum vollkommenen Musikerglück. 

Oliver, vorab ganz grundsätzlich: Was muss Musik für Dich können? Was muss sie auslösen?

Musik muss mich berühren. Für mich gibt es immer eine emotionale Komponente. Ich bin nicht der mono­tone Typ, bei dem alles über den Rhythmus läuft. Musik ist am Tollsten, wenn sie mich mitnimmt, traurig oder glücklich macht, zum Nachdenken an­regt. Weil ich mein ganzes Leben lang Musik mache, höre ich inzwischen im ersten Moment, ob sie das tut und mit Grips gemacht wurde.

Wobei es durchaus Stücke gibt, die vielleicht nicht zur hohen Kunst gehören und dennoch emotional berühren.

Ja, das muss man abwägen. Ein rei­nes Klavierstück kann auch simpel sein, aber berührend.

Nun ist Musik Arbeit und zeitintensiv – insofern auch Luxus. Vor allem die Entwicklung eines ausgefeilten Musikgeschmacks. Glaubst Du, man kann sich einen solchen erarbeiten oder hat man den einfach?

Ich glaube, das ist wie mit Rotwein. Guter Geschmack wächst mit der Zeit. Ein bisschen was hat das auch mit So­zialisation zu tun. Mein Vater hatte eine gut gemischte Plattensammlung mit allen Beatles­-Alben. Dann geht das mit dem Freundeskreis weiter. So bil­det sich der Anspruch, den man an Musik hat. Ich habe mich immer als Musiker gesehen und war immer der Typ für massenkompatible Musik­. Gleichzeitig habe ich immer darauf geachtet, dass sie nicht billig ist.

So wie Daft Punk inzwischen massentauglich sind, aber nicht anspruchslos?

Genau. Oder Radiohead – eine der größten Bands der Welt, aber mit ho­hem Anspruch.

Hört man Dein neues Album, hat man das Gefühl, jemand packt seinen Rucksack und geht mit seinen Sounds auf eine Reise. Wie entsteht ein Album, das eine solche Weite abbildet?

Der größte Einfluss war tatsächlich das Reisen. Ich brau­che Input von außen, um mich nicht zu wiederholen. Bei meiner alten Booking­-Agentur habe ich hauptsächlich in Deutschland gespielt. Seit zwei Jahren bin ich eigenständig und finde häufiger im Ausland statt. Ich verweile jetzt län­ger an Orten, nehme mir Zeit für Beobachtungen und ma­che Notizen mit meinem Laptop. Wenn ich wieder in Deutschland bin, gehe ich erst mal jeden Tag acht Stunden ins Studio und schreibe. Gefühle, die ich in der australisch­en Wüste hatte, versuche ich dann im Studio festzuhalten.

Was ist der Unterschied zwischen denen, die als Hobby auflegen, und denen, die es schaffen?

Ich bin eigentlich das beste Beispiel dafür. Ich habe mit 13 angefangen, Songs zu schreiben. Mit 19 kam das Aufle­gen. Das erste Mal, dass ich wahrgenommen wurde und Geld damit verdient habe, war mit 31. Das war immer ein Hobby. Ich habe gegen Alkohol auf der Simon­-Dach in Cock­tail Bars gespielt. Andere hatten ein Mofa, ich habe eben das gemacht. Ich war damit happy und zu schüchtern, mich mit Tracks zu bewerben. Es war eine glückliche Verkettung von Zufällen, dass ich etwas herausgebracht habe und es gut lief.

Läuft das heute anders?

Ja, der Unterschied ist: Heute sind viele junge DJs zu viel da hinterher. Jeder Zweite ist DJ und meint, er kann es schaffen. Die Strecken nach oben sind kürzer geworden. Mit Musiksoftwares kann man easy Songs machen und in Berlin gibt es unzählige Labels. Gar nicht so unwahrschein­lich also. Aber damit es richtig klappt, braucht man echtes Talent, Durchhaltevermögen und Kontakte.

Was fehlt dem Musiker Oliver Koletzki noch zu seinem vollkommenen Glück?

Ich überlege noch, Gesangunterricht zu nehmen. Das würde sich mega anbieten: Komponieren ist mein Ding, Klavier spielen auch – wenn ich jetzt noch singen könnte. Mein großer Traum in diesem Leben ist es also, ein Album zu schreiben, auf dem ich singe, obwohl ich zweimal aus dem Schulchor geflogen bin.

„The Arc of Tension“ ist bei Stil vor Talent erschienen.

Fotocredit: Ivanna Capture You