milky chance, band, Kassel, interview

2012 geistert dieser eine Song durchs Internet, der alle begeistert. Milky Chance alias Clemens Rehbein und Philipp Dausch – zwei Nacken aus der Provinz Kassel – liefern mit "Stolen Dance" einen internationalen Hit ab. Ihr Geheimrezept: Eine Mischung aus Pop-Refrain, Reggae-Akkorden und Electro-Beats.

Es folgt das erste Album „Sadnecessary“, Platin in den USA und ausverkaufte Touren. Nun ist „Blossom“ da, für das sich die beiden erstmals mit dem Produzenten Tobias Kuhn zusammentaten, um ihr Sound-Skellet mit Live-Instrumentierungen auszuschmücken. Aber wie lässt es sich mit so viel Fame arbeiten? EIn Gespärch über ihre Safety Zone, Starallüren und Major-Moves.

Ganz gleich, wo man über Euch liest: Immer schwebt die Frage über allem, wie ein international erfolgreicher Act bloß aus Kassel kommen kann. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht?

Philipp: Stimmt. Ist jetzt nicht der place to be, wenn man dort nicht aufgewachsen ist. (lacht)

Clemens: …HÄSSLICH! (verstellt die Stimme)

Exakt. Wie empfindet Ihr hingegen die Stadt samt ihrer Szene – wenn man in Kassel denn von einer Szene sprechen darf. 

Philipp: Kassel ist für uns Zuhause – und Zuhause ist uns sowohl menschlich als auch für den kreativen Prozess wichtig. Unabhängig von jeglichen Szenen ist das unsere Safety Zone, in der wir zur Ruhe kommen und deshalb gut Musik machen können. 2015 hatten wir eine dreimonatige Amerika-Tour. Wenn man diesen Alltag durchzieht, zehrt das an den Kräften. Da ist es hilfreich, nach Kassel zu den Leute zu kommen, die uns auffangen.

Eure Karriere ist euch förmlich in der Hand explodiert. Wünscht Ihr euch manchmal, das alles wäre prozesshafter verlaufen?

Clemens: Auf jeden Fall. Langsamer wäre gut gewesen. Im Nachhinein wünscht man sich Momente zum Durchatmen. Momente, in denen man krasse Entscheidungen nicht innerhalb von ein paar Stunden hätten fällen müssen. Zeit zum Erfassen. 

Philipp: Melancholie ist auf jeden Fall ein guter Freund, kann aber auch inspirierend sein. Vielleicht ist es das alles einfach wert. Wir erleben ja auch einiges.

Was war denn das Verrückteste, das ihr in den USA erlebt habt?

Philipp: Wir waren in einem Vorort von L.A., hatten gerade neue Gitarren bekommen und saßen damit auf einer Grünfläche vor einem Restaurant. Plötzlich kam der Koch angerannt: Ein Kolumbianer mit Schnauzer. Er war so: „I’m gonna get my Bongos and jam with you!“ Dann hatten wir einen richtig geilen Tag und haben ihn zum Gig in L.A. eingeladen. Er dachte, wir sind zwei Freaks auf der Wiese. Eine Woche später stand er dann in der Venue vor 2000 Leuten.

Clemens: Aber er hat’s gemacht. Richtig süß! Wir stehen immer noch in Kontakt.

Philipp: Krass ist auch, wenn man im Van sitzt, plötzlich zwei Girls reinspringen, Clemens umarmen und wieder rausspringen. Das ist weird, aber das muss man mit Humor nehmen.

Clemens: Ja, muss man wohl. (grummelig) Manchmal denke ich aber auch: alter?

Auf der neuen Platten gibt es einen Song namens „Ego“. Müsst Ihr den jeweils anderen angesichts solcher Vorgänge öfter mal zur Seite nehmen, weil Starallüren aufkommen?

Philipp: Ja, ich glaube, es ist cool, dass wir Freunde sind und Freunde können einem öfter mal einen mitgeben, ohne dass man beleidigt ist. 

Clemens: Generell sind wir aber schon eher die… entspannten Dudes. Ich glaube, wir bedienen nicht so die Rockstarklischees.

Für das erste Album hat man bekanntermaßen so viel Zeit, wie man will. Wie seid ihr an das zweite herangegangen?

Philipp: Der Übergang zwischen dem Touren und dem zweiten Album war fließend. Clemens hat unterwegs Songs geschrieben. Ab Januar 2015 haben wir dann bei mir im Home-Studio Demos recorded. Wir mussten erst mal zu zweit freimachen, bevor es ins Studio ging. Erst danach waren wir mit dem Produzenten in einem Studio in Rotenburg. 

Warum habt ihr Euch überhaupt dafür entschieden, ab jetzt mit einem Produzenten zu arbeiten – wo Do-It-Yourself beim letzten Album doch zu gut hingehauen hat?

Clemens: Naja, es war geil, professionelle Hilfe zu haben, um neue Wege zu erlernen.

Philipp: Im Nachhinein sind wir beide froh darüber. Man darf so Major-Moves selber nicht verteufeln und muss unterscheiden zwischen „machen, weil das wer anders sagt“ und „machen, weil ich das selber auch so will“. Bei manchen Sachen wir auch strikt und haben uns nicht reinreden lassen. Wir sind mit dem Erdergebnis sehr zufrieden und denken, wir haben uns Neuem gegenüber geöffnet.

„Blossom“ erscheint am 17. März bei Vertigo.

51g2hivntml