Hodja, Badehaus Szimpla Musiksalon, 14.4.16, Halos, Tour, Konzert, live, Berlin, 030, Steffen Rudnik, Schweiß

HODJA machen bis auf die Knochen reduzierten Rock’n’Roll. Live ist das ein Konzert-Erlebnis, das man behält und gleichzeitig teilen möchte, weil es Musiker sind, die vermitteln können, woran sie glauben. Derzeit ist das Kopenhagener Trio mit seinem zweiten Album ›Halos‹ auf Tour. Wir waren beim Auftakt im Badehaus Szimpla dabei.


Eine halbe Stunde lang schreit LOLITA TERRORIST SOUNDS in eine Schüssel; wohl auch, um mit artifiziellem Noise darauf einzustimmen, dass hier im Musiksalon gleich etwas Besonderes geschehen wird. Als HODJA auf die Bühne kommen, bleibt diese fast unbeleuchtet. Tiefschwarzer Rock braucht keine hellen Scheinwerfer. Sänger Gamiel Stone ist live so eine Autorität, dass auch niemand seine Sonnenbrille hinterfragen muss. Wer sind diese Männer, die sich nach einem islamischen Religionsgelehrten benannt haben?

Schild, Hodja, Badehaus Szimpla Musiksalon, 14.4.16, Halos, Tour, Konzert, live, Berlin, 030, Steffen Rudnik

Tourauftakt im Badehaus Szimpla

Meine erste Erinnerung an diese Musiker findet unverhofft in einer kleinen Kneipe in Tübingen statt, wo die Halbliter-Flasche nur 1,50 kostet. Ich wusste nicht, dass ein Mensch so sehr schwitzen kann: ›Angery Man‹ Claudius Pratt, New Yorker Frontmann und Voodoo-Priester von REVEREND SHINE SNAKE OIL CO., tauft die angetriebene Menge mit seinem Schweiß, während die Band zu einem hypnotisierenden Beat, der niemals schneller wird, sich auflöst oder explodiert, weiter pure Energie absondert. Dunkler Blues, eine Stimme von tief unter der Erde und eine monstermäßige Performance. »HODJA ist das gleiche Drumming und der gleiche Schweiß – nur ohne das Taufen«, hofft REVEREND SHINE-Schlagzeuger Matthias im [030]-Interview. Er und Claudius jammen 2014 mit Produzent Boi in dessen Studio im dänischen Hippiestaat Christiania. Es passiert einfach. Claudius aka Gamiel Stone, Matthias aka F.W. Smolls und Boi aka Tenboi Levinson werden HODJA.

Der eingängigere Bruder

Ihr Debütalbum ›The Band‹ wird 2015 von der Presse gefeiert. Bereits im März 2016 folgt der zweite Streich ›Halos‹. Im Gegensatz zur Hit-lastigen ›The Band‹ ist die Platte noch mehr für Sound-Fetischisten: Loops und Overdubbing, Knarzen, Noise und Improvisation, insgesamt experimenteller. Während das erste Album auf den Melodien und Riffs von Tenboi und Gamiel basiert, kam die Stimme dazu als die Songs im Prinzip schon standen. »Wir haben uns nicht darauf verlassen, aber 90% der Musik haben Boi und ich in eineinhalb Tagen eingespielt. Es ist einfach passiert«, sagt Matthias über ›Halos‹. Mit seinem reduzierten Rocksound fungiert HODJA nicht als Side Project, sondern vielmehr als der eingängigere Bruder von REVEREND SHINE.

Die Haze-Machine 

Das Konzert im Badehaus – und damit die Tour – eröffnen HODJA mit ›No Tomorrow‹. Zurückgelehnter kann man kaum starten. Kurz später ist mir morgen auch schon echt mal scheißegal, denn alles um mich herum verschwindet im Nebel. HODJA hatten nackte Meerjungfrauen, tanzende Piraten und Alpenhörner angekündigt – aber eben auch diese ›Haze-Machine‹. Kein ›Fog‹, sondern ›Haze‹, das war ihnen wichtig gewesen, zu betonen. Und es funktioniert: Die Akustik erhebt sich über die anderen Sinne. Treibende Stücke wie ›Devil On My Back‹ und die aktuelle Singe ›Gazelles‹ sind ebenso dabei wie das langsame ›Halos‹ oder das von Tenboi gesungene, schwere ›Never Gonna Be Mine‹. ›Jesus Rolls‹ drückt schließlich kraftvoll nach vorne und bläst die perfekt wabernden Rauchschwaden wieder weg. Gamiels entblößte schwarze Brust transpiriert.

Was macht für HODJA ein Konzert rund?

Hodja, Badehaus Szimpla Musiksalon, 14.4.16, Halos, Tour, Konzert, live, Berlin, 030, Steffen Rudnik, Backstage

Boi, Matthias und Claudius im Backstage vor dem Konzert

»Das Publikum als den entscheidenden Faktor für einen gelungenen Abend zu sehen, ist ein bisschen naiv. Es ist eine Gemeinschaftsleistung. Wenn Du zu zerstört oder uninspiriert bist oder die Lieder nicht mehr magst, wird dir im Publikum niemand helfen können. Du musst da oben für Dich eine andere Motivation gefunden haben«, sagt Matthias vor dem Konzert. »Eigentlich spielen wir, um uns selbst eine Freude zu machen«, ergänzt Boi. Er verhält sich, gemäß eines Aufnahmeleiters, zurückhaltender als die anderen beiden. Es wird dreckig gelacht. Spitzen werden ausgetauscht. Die drei haben gemeinsame Geschichten, die im Gespräch mitschwingen – ebenso die Haltung überzeugter Musiker.

Claudius: »Wenn Du es nicht für die Musik machst, hast Du es wahrscheinlich nicht leicht. Wenn es Dir ums Geld geht, solltest Du vielleicht auch einfach zeitgenössischen Pop machen, um Erfolg zu haben. Ich glaube aber daran, dass Rock’n’Roll immer noch da draußen ist.«

Gemessen an der musikalischen Qualität sind HODJA ziemlich unbekannt.

Claudius: »Die Wahrheit ist: wir sind berühmt. Die Meisten wissen es nur noch nicht. Es ist sehr interessant, was die Leute über das Berühmt-Sein denken. Konzertbesucher haben mir schon öfter nach der Show gesagt: »Oh man, Ihr werdet mal…« Das sagt uns, dass unsere Professionalität auf der Bühne die gleiche ist, wie die großer Bands. Aber es geht eben auch um Timing und Business.«

Matthias: »Wir sind 36+. Wir haben Familien und noch andere Dinge zu berücksichtigen. Da kannst Du nicht so viel auf Tour gehen. Das macht oft den Unterschied, wie schnell etwas voran geht. Wenn mich aber jemand fragt, warum ich eigentlich kein Superstar bin, fühle ich mich schon als einer. Du kannst auch als guter Ehemann oder Vater berühmt sein. Ich meine, wie viele Kinder schauen denn zu ihren Eltern auf und denken, sie seien Superhelden? Einfach, weil sie mitkriegen, was Du leistest. Das Feedback von 700 Leuten vor der Bühne ist aber manchmal direkter als das von zwei oder drei Zuhause.«

Wer wären diese 700?

Claudius: »Mit REVEREND SHINE haben wir uns nie ins gemachte Nest setzen können. Wir müssen unsere Szene erst erfinden und die Leute aus Punkrock, Blues, Classic und Jazz zusammenbringen. Das gleiche Spiel bei HODJA.«

Ihr spielt jetzt das vierte Mal in Berlin.

Claudius: »Ich liebe Berlin.«
Matthias: »In Berlin hast Du manchmal sehr müde Leute vor der Bühne stehen. Nicht, weil sie gelangweilt sind, sondern weil sie so viel feiern. Eine Stadt, die nie schläft, bietet viele Möglichkeiten. Das merkt man dem Berliner Publikum manchmal an. Aber wenn die Leute am Start sind, ist es sehr nice.«

Und es ward sehr nice: HODJA sind live überzeugend und begeistern als Musiker, die vermitteln können, woran sie glauben. Sie erzeugen ein Konzerterlebnis, das man gleichzeitig behält und teilen möchte. Von diesen Mund-zu-Mund-Berichten scheint die Band zu leben: »Wenn Dir HODJA gefällt, mögen es vielleicht auch Deine Freunde. Musik ist ein Geschenk, das man weitergibt wie einen guten Witz. Wenn alle mitmachen, pushen wir damit, was wir gut finden – ob Maler, Dichter oder Politiker. Die Typen haben etwas zu sagen, haben mir ein gutes Gefühl gegeben, sind einfach tierisch laut oder was auch immer? Dann sag es einfach weiter!«

Text & Fotos ©: Steffen Rudnik | [030] Magazin