Henrik Schwarz, K7, DJ

Henrik Schwarz ist ein Techno-DJ von internationalem Renommee. Das liegt nicht nur an den außergewöhnlichen Dancefloor-Tracks und Mix-Sets, mit denen er das Partyvolk auf einen Trip in die elektronischen Musikgefilden schickt. Durch Kollaborationen mit dem Ethnic Heritage Ensemble aus Chicago, dem norwegischen Pianisten Bugge Wesseltoft oder dem Berliner Kammermusikorchester erweiterte der Berliner seinen House- und Techno-Horizont in Richtung Jazz und Klassik.

Im Interview spricht Henrik Schwarz über die grenzenlose Freiheit in der elektronischen Tanzmusik, sein eigenes Band-Projekt und dessen Live-Weltpremiere bei der 10. Geburtstagsparty des Watergate vor dreieinhalb Jahren. Erwischt hatten wir den umtriebigen DJ und Live Act damals bei den letzten Vorbereitungen für das Konzert, das draußen auf der schwimmenden Terrasse vor dem Kreuzberger Club im August 2012 über die Bühne ging. Zuschauen konnte man vom Club aus, der Oberbaumbrücke oder dem anderen Spreeufer, was auch viele Berliner und Touristen nutzten. Die Location war wie bei einem Festival umlagert von Hunderten Schaulustigen. 

Wie unterscheidet sich Henrik Schwarz und Band von deinen bisherigen Live-Projekten? Bei der Arbeit mit dem Ethnic Heritage Ensemble aus Chicago war ich noch ganz am Anfang. Es ging um Jazz, um Improvisation und ich war damals der Gast. Das war eine wichtige Erfahrung für mich, weil ich zunächst mit zu großem Respekt vor diesen sehr erfahrenen Musikern versucht habe, mich vorsichtig zu integrieren. Die Jungs waren aber total interessiert an dem neuen Sound aus dem Laptop und haben mich sehr ermutigt, mehr zu machen. Das Zusammenspiel mit Musikern fand ich schon immer sehr interessant. Seit einiger Zeit kann man sich mit dem Computer ernsthaft und glaubwürdig in eine Gruppe mit akustischen Instrumenten einfügen. Mit meiner eigenen Formation versuche ich jetzt einen Hybriden aus Elektronik und Band-Sound hinzubekommen. Es geht um das Verschmelzen von zwei verschiedenen Energien.

2011 erschien mit »Duo« ein Gemeinschaftsalbum mit dir und dem Jazz-Pianisten Bugge Wesseltoft. Mit dem Berliner Kammermusikorchester hast du Barockstücke neu interpretiert. Was reizt dich an diesen musikalischen Kollaborationen? Mit Bugge spiele ich immer noch regelmäßig und auch die Arbeit an den Klassik-Interpretationen geht weiter. Auch davon habe ich schon ein Album aufgenommen, finde im Sommer leider wenig Zeit, um die Sachen auch mal fertig zu machen. Für mich ist Techno immer noch die wichtigste Musik, weil sie zu jeder Zeit alles tun kann. Der Jazz kann das auch, ist aber teilweise begrenzt durch Tonalität. Im Techno ist es völlig egal, ob das nun ein Geräusch ist oder eine Note, die gerade erklingt. Alles wird zusammengehalten von der geraden 4/4 Bassdrum. Abgesehen von der Bassdrum, ist die Freiheit grenzenlos. Es kann also sehr interessant sein, eine Musik oder Teile davon, die am Computer entstehen, wieder in die Welt von Noten und Instrumenten zu übertragen und mit Musikern zu spielen. Dabei entstehen immer andere Ergebnisse, als wenn man es direkt mit den Instrumenten versucht. Das finde ich sehr spannend.

War es schwer auf die Kickdrum beim Klassik-Projekt zu verzichten? Es war ein großer Schritt, der aber unbedingt nötig war. Mein Arrangeur Johannes Brecht und ich haben mehrere Versionen für Orchester entwickelt. Bei der ersten gab es noch Schlagzeug, Percussion und elektronische Effekte. Schon bei den Proben mit dem Ensemble hat sich aber gezeigt, dass das lächerlich wirkt, denn es entfernt sich zu wenig von der originalen Clubmusik. Die Bassdrum oder der Rhythmus bleiben das tragende Element und die Musiker sind nur Beiwerk, die sich dem unterordnen. Das war aber nicht das, was ich wollte. Wir haben also in einer zweiten Version auf Bassdrum, Schlagzeug und Effekte verzichtet und das Ensemble hat ganz ohne Kabel, Mikrofone, Kopfhörer und Klick gespielt. Und plötzlich ging die Sonne auf! Die Kickdrum läuft nur im Kopf weiter und wir haben den Pulse als Akzente in die Noten geschrieben. Das hat prima geklappt und heraus kam eine Musik, die ich vorher so noch nie gehört hatte.


Du hast nun musikalische Erfahrungen im Jazz und der Klassik gemacht, aber im Techno fühlst du dich am wohlsten? Ja. In der Klassik fühle ich mich noch nicht wirklich Zuhause und auch im Jazz gibt es viel unbekanntes Land zu entdecken. Zuhause bin ich im Techno und der elektronischen Musik. Da wohne ich. Der Jazz ist eine Reise in ein anderes Land. Die Klassik eine Reise zum Mars. Und ich reise gerne.

Du reist als DJ und Live Act durch die Welt. Warum findet die Weltpremiere deines neuen Band-Projekts ausgerechnet im Watergate statt? Der Club wird zehn Jahre alt und war für die Feierlichkeiten auf der Suche nach etwas Besonderem. Das erste Konzert mit der Band ist eine sehr aufregende, besondere Sache für mich. Das passte also schon mal ganz gut zusammen. Außerdem habe ich dort schon oft solo gespielt. Ich fühle mich im Watergate wohl und das ist bei so einer Premiere sehr wichtig. Ich freue mich sehr, dass ich das dort machen darf.


Ihr performt Open Air auf der Spree. Was ist auf Wasserterrasse geplant? Na, wir stellen uns hin und spielen los: Versionen von einigen meiner alten Stücke zum Auflockern und ein paar Tracks von meinem neuen Album, das ich mit der Band aufgenommen habe. Die Musiker sind alle Vollprofis und wissen genau was sie tun. Dennoch ist auch für sie die Besetzung, in der ein Computer eine so wichtige Rolle spielt, außergewöhnlich. Im Moment ist das noch ein sehr dynamischer Aufbau. Für uns klappt es bei den Proben schon prima, aber wir müssen sehen, ob wir live auch alles umsetzen können, was wir uns wünschen und ob die aktuelle Besetzung mit Bass, Schlagzeug, Keyboard, Gitarre, Computer und Stimme die richtige ist. Ich bin sehr gespannt, wie es wird und springe gerne ins kalte Wasser.

Worauf freust du dich bei dieser Weltpremiere am meisten? Ich spiele in einer Band! Yeah!

Das Interview mit Henrik Schwarz führte Stefan im August 2012. 

Foto ©: Paul Heartfield