Fotografie, Kunst, Ausstellung, Licht, Schatten, Kontrast

Selfies, Hochglanz-Naturfotos, verstörende Nacktfotos mit Junkfood, Reisebilder, Schnappschüsse und Viktorianische Totenfotografie – kaum eine künstlerische Disziplin ist so vielfältig und voller schräger Abzweigungen wie die Fotografie. Deswegen wird das Knipsen und Entwickeln seit 2004 alle zwei Jahre in dem European Month of Photography zelebriert, der in Athen, Bratislava, Budapest, Ljubljana, Luxemburg, Paris und Wien stattfindet. Und natürlich Berlin!

Bei dieser Riesenveranstaltung mischt soziemlich alles mit, was eine Wand zum Fotos aufhängen hat: Das C/O Berlin, wo auch die Opening Days stattfanden, FHXB, me Collectors room, PhotoWerkBerlin, das Museum für Fotografie und gefühlt zweitausend Galerien (oder so. Ganze Liste ist hier). Und ja, eigentlich hat der schon am 28. September angefangen. Aber da waren wir ja alle mit der Art Week beschäftigt. Anbei ein paar Termine, die man sich merken sollte.

Himmel über Berlin, 04. Oktober

Jeder, der nicht in Berlin direkt aus dem Boden gewachsen ist, hat sich den Sermon anhören müssen, den sich jeder Zugezogene anhören muss. Wie Berlin sich verändert hat. Dass Kreuzberg kein Arbeiterkiez mehr ist. Dass die ganzen Hipster überall einfallen. Und diese nervigen Schnösel. Wie krass teuer die Wohnungen geworden sind, früher hat man ein halbes Jahr mietfrei gewohnt und dann halt die Badewanne selber eingebaut. Dass es jetzt überall Sojalatte ist, und, und, und. Die Gruppenausstellung nimmt das Konstrukt von Berlin als Hafen von Träumern und Fest für Schmarotzer in verschiedenen, sehr persönlichen Serien auseinander. Denn nicht nur Berlin hat sich verändert. Sondern auch die Berliner. Vernissage ist am 04. Oktober  um 19.00, die Ausstellung wird bis zum 28. Oktober im Gedok Berlin gezeigt.

Solitude, 06. Oktober

Thibaut Duchenne ist eigentlich Bauer. Nur hat er auch einer Kamera und macht damit keine Selfies mit seinen Kühen oder Karotten, sondern nimmt sehr persönlich Schnappschüsse aus dem ländlichen Alltagsleben auf. Fern von der grünen Weidenidylle zeigt er einen Alltag, der einsam und doch poetisch ist. Tradition und Technik, Natur und Fortschritt und zwischendrin Duchenne, der durch seine detailverliebte Fotografie neue Seiten des ländlichen Lebens zeigt. Eigentlich ist er studierter Landwirt mit Familienhof, brachte sich aber autodidaktisch das Fotografieren bei. Seine erste Einzelausstellung in Deutschland wird am 06. Oktober um 19.00 in der Galerie Pugliese Levi mit einer Vernissage eröffnet und läuft vom 09. Oktober bis zum 08. Dezember.

Children in War, 09. Oktober

Kinder und Krieg ist eine Kombination von Wörtern, die einem den Magen umdreht. Aber auch Kinder müssen mit den Realitäten von Gewalt und Entbehrungen leben, die den Alltag in Kriegsgebieten prägen. Wie zum Beispiel in den Frontgebieten der Ukraine. Doch selbst in Krieg sind Kinder noch Kinder – die spielen, die lachen, naschen und träumen, auch wenn um sie die Welt zusammenbricht. Die Fotografien wurden von ukrainischen und internationalen Fotografen aufgenommen und zeigen das Leben von jungen Menschen in den Städten Lugansk und Donezk. Die Vernissage findet am 09. Oktober um 18.00 in der Botschaft der Ukraine statt, die Ausstellung läuft noch bis zum 20. Oktober.

High on Hope, 11. Oktober

Und high on…dem ganzen Rest: Kunst, Musik und Drogen. So zeigt sich die Jugendzeit des Fotografen Ben de Biel in einem kleinen westdeutschen Kaff, anno eines der 80er Jahre. Er und seine Freunde experimentieren und schockieren mit Sexualität, Rebellion, Aufbruch, neuen Arten des Zusammenlebens, alle noch an dieser magischen Grenze zum erwachsen werden, bevor man realisiert, dass man nichtmal in Sichtweite von erwachsen ist, dass das Leben teuer und voller Niederlagen ist und die Liebe komplizierter als gedacht. Dieser Schwebezustand eines Freundeskreises, bevor jeder seinen eigenen Weg geht. Vernissage im Bobsairport am 11. Oktober um 18.00, danach läuft die Ausstellung bis zum 16. Oktober.

Bürgermeisterzimmer in Deutschland, 25. Oktober

Spielen wir mal ein Spiel: Wörter frei assoziieren. Wort #1 ist Bürgermeisterzimmer. Und meine Assoziation ist – spießig. Aber so muss das nicht sein, zeigt die gleichnamige Fotoserie von Jörg Winde, der über sechs Jahre lang durch Deutschland gereist ist und über einhundertzwanzig Rathäuser besucht hat. Dort hat er die Zimmer von Bürgermeister*innen fotografiert und viele Fragen aufgeworfen: Zeigen sich hier Machstrukturen? Die Macht des großen Fisches im kleinen Teich? Oder sind es einfach die Arbeitszimmer von Menschen im Dienst der Öffentlichkeit? Er sucht und findet nichts spießiges. Naja, zumindest nicht nur. Sondern auch Größenwahnsinniges, schönes, altbackenes, stilvolles und wirklich, herzerweichend hässliches. Gezeigt werden die Bilder vom 26. Oktober bis 25. Januar  im Rathaus Tiergarten, am 25. Oktober eröffnet die Ausstellung mit einer Vernissage.

Von hier aus…, 26. Oktober

Die Zukunft ist ja noch lange hin. Aber von wo aus? Jedes Mal, wenn wir ein Zukunftszenario entwerfen, realistisch, romantisch, absurd, wissenschaftliche, poetisch oder dystopisch ist eigentlich voll egal. Denn auf irgendwas muss das ganze Ding ja basieren – also auf unserem erlebten heute. Die Spannung zwischen ist-Zustand und ist-vielleicht-bald-Zustand wird in den Fotos der Ausstellung eingefangen, die aus fragenden, persönlichen Blickwinkeln die Auseinandersetzung mit der Zukunft sucht. Dabei sind die Perspektiven grundverschieden, mal politisch, mal sozial, mal intim porträtieren sie den Wandel vor und hinter der Linse. Eröffnet wird die Ausstellung am 26. Oktober um 19.00 im Kunstquartier Bethanien, Gelegenheit zum Besuch bietet sich bis zum 06. November.

European Month of Photography Berlin

28. September bis 31. Oktober

www.emop-berlin.eu

Foto: © Anna Homburg