Der Journalist und Buchautor Markus Seidel gründete 1993 zusammen mit Freunden den Verein Off Road Kids e.V., der 2008 in die Off Road Kids Stiftung überging. Der 49-Jährige ist Vorstandssprecher der Straßenkinder-Hilfsorganisation. Mit uns spricht er über staatliche Missstände und hartnäckige Sozialarbeiter.
Was hat Sie damals zur Gründung der Off Road Kids Stiftung bewogen?
Als junger Journalist sah ich viele Reportagen über Straßenkinder in deutschen Großstädten. Damals war ich sehr überrascht, dass es diese Problematik viele Jahre nach „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ überhaupt noch gab. Zusammen mit meinem Freundeskreis wollten wir dann herausfinden, ob wir einen Missstand im Staat anpacken dürfen. Heute wissen wir: Junge Generationen dürfen den Staat mitgestalten, aber sie müssen das Geld mitbringen. Vom Staat gibt es nichts.
Bis heute?
Der Staat lässt uns seit unserer Gründung 1993 hängen und beteiligt sich nicht an unserer bundesweiten Arbeit für Straßenkinder und junge Obdachlose. Ohne private Spender und Förderer wären wir sofort geliefert.
Welche Erfolge haben sie mit Ihrer Stiftung vorzuweisen?
Die Suche nach der bestmöglichen Perspektive für jeden einzelnen jungen Menschen von der Straße gelingt uns heute in weniger als 75 Streetworkstunden. Das ist ein Spitzenwert.
Woran liegt das?
Das hängt mit der langjährigen Erfahrung und sprichwörtlichen Hartnäckigkeit unserer Straßensozialarbeiter zusammen. Man darf nicht vergessen: Wir haben es oft mit den kompliziertesten Jugendhilfefällen Deutschlands zu tun.
Wie kommen Sie mit den Jugendlichen ins Gespräch?
Über unsere virtuelle Streetworkstation „sofahopper.de“. Hiermit erreichen wir junge Menschen, die zwar schon den Kontakt zu Eltern, Schule und Ämtern verloren haben, die aber noch irgendwo bei jemandem auf dem Sofa leben und nicht wirklich völlig obdachlos sind. Das beschleunigt den Vermittlungserfolg erheblich.
Was bedeutet das in konkreten Zahlen?
Wir haben seit Gründung mehr als 4000 junge Menschen erfolgreich in neue Zukunftsperspektiven vermittelt. Nicht auszudenken, wie es heute ansonsten am Alex oder Zoo zugehen würde.
Herr Seidel, trotz des traurigen Ursprungs ihrer Arbeit, was ist das „Schöne“ daran?
Ich freue mich einfach darüber, wenn mich ehemalige Straßenkinder nach Jahren anrufen und dann von ihren eigenen beruflichen Erfolgen und von ihren neuen Familien berichten. Es ist toll, wie gut viele die Kurve kriegen, wenn man ihnen hilft.
Mehr Infos unter: www.offroadkids.de
Foto: Ben Kaier