Berlin, 030, Kulturschaffen, Cassiopeia, live, LSD ON CIA, Steffen Rudnik, Band

Für Deinen gelungenen Konzertabend arbeiten mehr Leute, als Du denkst. Während Du begeistert vom Sound Dein neues Bandshirt mit Bier bekleckerst, wird Dein Eintritt in die Welt des Kulturgenusses aufgeteilt – unter den Kulturschaffenden. Das sind die Band, der Club und alle, die dafür gesorgt haben, dass Du heute hier bist und Dich gut fühlst. Wir haben Verantwortliche am Abend gefragt, wer den wichtigsten Job macht. 


Samstagabend in Berlin: LSD ON CIA aus Kopenhagen könnten mit ihrem Support SAFI zu den derzeit interessantesten Bands ihres Genres gehören. Das Plakat am Club auf dem RAW-Gelände tauft es ›Prog/Noise/Pop‹. Im Cassiopeia klingt das Ganze laut, frickelig und intensiv. Wer aber sorgt dafür, dass der Abend gelingt? Wer schafft hier Kultur?

Mikkel, Troels und Piotr – Band

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»Der Soundguy kann alles komplett abfucken«, weiß die Band. »Er macht für uns den wichtigsten Job.« Für die Zukunft wünschen sich Mikkel, Troels und Piotr auf Tour einen eigenen Mischer – und einen Fahrer. Die drei Dänen haben Tage zuvor ihr zweites Album beim Berliner Indielabel Noisolution veröffentlicht und fahren eine Woche lang durch sieben deutschen Städte. Es ist Tag zwei der Tour.

Mina – Merchandising

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Mina hat zwar keinen Führerschein, steht aber als Freund der Band am Merch-Stand und verwaltet die Kasse. Sie verkauft CDs, Shirts, ist die gute Miene und verschenkt Poster. Bezahlt wird sie mit Drinks. »Je besser die Band, desto mehr Verkäufe«, fasst sie ihren Job zusammen. Das ewige Warten auf Tour langweilt die Norwegerin aber. Sie wird nach dem Auftritt in Berlin bleiben.

Philipp – Fotografie

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Die nächsten zwei Gigs gehört dafür Philipp zur Crew. Er ist Fotograf und filmt die Auftritte. »Wenn es einen Beleuchter gibt, ist der für mich der wichtigste Mann.« Als Jazzclub-Betreiber in München legt er zudem besonderen Wert auf die Werbung. »Flyer helfen am meisten!« Darum hat er für eine repräsentative Crowd vor der Linse vorsorglich die Stadt mit Flyern zugepflastert.

Henri – Live-Booking

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Auch Henri macht für eigene Shows Plakattouren durch Kneipen. Er ist Live-Booker und technische Leitung im Cassiopeia. Ein Allround-Job. Sein Kultur-Beitrag: »geile Musik, wo mir einer abgeht. Wo ich sage: groovt wie Schwein, cool, muss ich haben!« Für sein Konzerterlebnis sind die Soundarbeiter am wichtigsten. »Mal 'ne unfreundliche Geraderobe oder Bar-Kraft vergisst man schneller als 'n Scheiß-Sound.«

Angelique – Bar

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»Jedes Glied in der Kette ist wichtig«, räumt die Barkeeperin ein, »die Leute tagsüber, damit die Kühlschränke aufgefüllt sind, die Putzleute, die Securities, die Geraderobe…« Seit ihrem 16-ten Lebensjahr arbeitet Angelique in der Gastro. Hotel- und Restaurantfach gelernt, nach Berlin zum Studieren, im Cassiopeia gejobbt, einen eigenen Laden aufgemacht, verkauft und zurück ins Cassiopeia: »Familienstyle«.

Frank, Safi und Matthias – Vorband

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Die Tour zum Album ›Janus‹ läuft seit einem halben Jahr, teilweise im Vorprogramm von REFUSED. SAFI wollen unabhängig sein. Musikalisch und finanziell. Auf der Bühne zu stehen, ist die Hauptsache – die nötigen Geldjobs laufen nebenher. Innerhalb der Band herrscht Arbeitsteilung: Die Jungs übernehmen Planung, Promo und Finanzen. Sängerin Safi liefert die Songs. »Damit die Show für mich gelungen ist, muss ich vor allem mit meiner eigenen Leistung zufrieden sein.« Auch sie vertraut dem Mischer vor Ort. »Der kennt seinen Laden eh am besten«, bestätigt Gitarrist Matthias. Das hat auch wirtschaftliche Gründe. »Als Musiker bist Du der letzte, der was verdient«, raunt Drummer Frank. »Am Anfang bekommst Du noch helfende Hände für lau. Sobald es aber professioneller wird, halten alle die Hände auf.« SAFI zahlen nach Jahren gemeinsamer Arbeit nicht mehr drauf. Ihr Manager Ingo lobt den Kraftakt: »Das ganze Business ist im Grunde pure Energie.«

Arne – Label

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Wie das Business für einen gelungenen Konzertabend genau funktioniert, versteht dagegen Label-Chef Arne auch nach über 20 Jahren Noisolution noch nicht. »Man hat natürlich das Gefühl, dass man ganz viel tut, wenn man vier, fünf Monate täglich Promo macht. Das reicht aber nicht. Ich sehe oft genug Touren, die abstürzen, obwohl die mediale Resonanz gut ist. Wenn‘s schlecht läuft, war’s das Länderspiel oder das ausverkaufte Konzert nebenan. Auf der anderen Seite, wenn’s gut läuft, liegt’s am Wetter, am schlechten Fernsehprogramm, vielleicht auch an einer guten Promo. Ich glaube, ganz chaostheoretisch, dass da tausend Dinge ineinandergreifen. Gerne würde ich sagen, es lag an uns, aber wir sind vermutlich doch nur ein ganz kleiner Teil. Am Ende kackt halt die eine Tour ab und die nächste funktioniert wieder.« Seinen Beitrag sieht Arne bei etwa fünf Prozent. »Ohne das Label wären LSD ON CIA sicher nicht hier. Ihre Musik ist kaum fassbar, überhaupt nicht radiokompatibel. Sie sind unbekannt, haben keine Szene. Alles muss erst aufgebaut werden. In Berlin zu spielen ist da noch am leichtesten: Es gibt mehr Läden, die auch wochentags bespielt werden, die Veranstalter und Szenen sind offener und extremer.« Aber wer macht denn nun den wichtigsten Job? »Manchmal zuckt was. Plötzlich machen aus irgendeinem Grund die Leute eigenständig Promo und tragen den Namen weiter. Das ist am Ende mehr wert als unsere Arbeit.«

Text & Fotos ©: Steffen Rudnik

LSD ON CIA ›Celestial Bodies‹ ist am 08.01.2016 bei Noisolution erschienen.
SAFI ›Janus‹ wurde 2015 bei PIAS veröffentlicht.
Das Cassiopeia, ›Zuhause für Live- und Clubmusik‹, ist in der Revaler Straße 99.