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»Karl Lagerfeld ist auch als Schauspieler grandios« Interview mit Julie Delpy

Sie kam als Tochter eines Schauspieler-Ehepaares in Paris zur Welt und stand bereits als Fünfjährige neben ihren Eltern auf der Bühne. Mit 14 Jahren trat Julie Delpy in Jean-Luc Godards „Detective“ auf, später engagierten sie Regisseure wie Leos Carax (Mauvais Sang), Volker Schlöndorff (Homo Faber) oder Jim Jarmusch (Broken Flowers). Mit Richard Linklater drehte Delpy die Lovestorys „Before Sunrise“ und „Before Sunset“ – ganz ähnlich ging es in ihrer eigenen Regiearbeit „2 Tage Paris“ zu. Nun präsentiert sie in der Komödie „Lolo – Drei ist einer zu viel“ die Geschichte einer alleinstehenden Mutter, die von ihrem erwachsenen Sohn drangsaliert wird. Mit der Regisseurin, Koautorin und Hauptdarstellerin unterhielt sich [030] Mitarbeiter Dieter Oßwald.

Madame Delpy, mit über 800.000 Zuschauern am Startwochenende in Ihrer Heimat ist das Ihr bislang erfolgreichster Film, woran liegt das?

Delpy: Das mag daran liegen, dass meine bisherigen Komödie zweisprachig waren und teilweise Untertitel hatten. Außerhalb von Paris kommt das beim Publikum nicht ganz so gut an. Zudem scheint der Film insbesondere einen Nerv bei Frauen zu treffen – und die entscheiden bekanntlich beim Kinobesuch.

Verstehen Sie den Film zugleich als Warnung für Ihren sechsjährigen Sohn, wenn der einmal erwachsen wird?

Delpy: Ich mache mir da eigentlich wenig Sorgen, dass sich mein Sohn einmal zu solch einem üblen Tyrannen entwickelt wird wie dieser Lolo in unserem Film – solche Anzeichen hätte ich als Mutter mit Sicherheit bereits entdeckt. Mein Sohn ist das absolute Gegenteil einer selbstsüchtigen Person.

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«Karl ist ein sehr smarter Typ, der über viel Humor verfügt«, so Delpy über den Modezar. © The Film

Ihr Sohn hat einen deutschen Vater, Sie haben in Ihren Filmen schon Daniel Brühl engagiert und nun Karl Lagerfeld – gibt es da eine Vorliebe für Deutsche?

Delpy: Ich habe wunderbare Menschen in Deutschland getroffen, auch die Arbeit mit Volker Schlöndorff oder Daniel Brühl habe ich sehr guter Erinnerung. Bei Karl Lagerfeld hatte das allerdings weniger mit seiner Herkunft zu tun, sondern ich habe diese Rolle für ihn geschrieben, weil er einfach die größte Ikone der Modewelt ist.

Man würde Lagerfeld nicht unbedingt in einer Komödie erwarten, in der er sich zudem fast parodiert. Wie haben Sie ihn überzeugt?

Delpy: Karl ist ein sehr smarter Typ, der über viel Humor verfügt. Ich würde allerdings vehement bestreiten, dass unser Film sich über ihn lustig macht. Das Ziel des Spottes ist vielmehr die Figur von Dany Boon, die sich ziemlich grotesk in Gegenwart von Lagerfeld verhält – ich bin mir sicher, dass solche Situationen für Lagerfeld sehr vertraut sind, der ja ständig von Selfie-Jägern bestürmt wird.

Wie gibt man einem Lagerfeld Regieanweisungen?

Delpy: Die Regieanweisungen waren weniger das Problem, Karl hatte zunächst ziemliche Bedenken, sich in diese U-Bahn-Station zu begeben. Erst als ich ihm erklärte, dass sich nur Komparsen dort befinden würden und die Station für die Öffentlichkeit gesperrt wäre, war er dazu bereit. Für mich hat sich Lagerfeld als großartiger Schauspieler erwiesen, der in diesem Beruf durchaus eine zweite Karriere machen könnte.

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Ein Prosit auf die Liebe. © The Film

Sie werden gerne als die französische Cousine von Woody Allen bezeichnet – können Sie diesen Vergleich mittlerweile noch hören?

Delpy: Das finde ich ein absolut großartiges Kompliment, Woody Allen ist schließlich das kreativste und produktivste Talent im Bereich der Filmkomödie. Ich wäre glücklich, wenn ich nur halb so gut sein könnte wie er. Und ich wünschte, ich könnte nach seinem Vorbild ebenfalls jedes Jahr einen Film drehen – aber mir gibt leider niemand das Geld dafür! (Lacht)

Beim vorigen Festival von Cannes wurde einmal mehr diskutiert, weshalb es nur so wenige Frauen auf dem Regiestuhl gibt. Was ist Ihre Antwort darauf?

Delpy: Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass Frauen einfach weniger Vertrauen entgegengebracht wird, wenn es um Regie geht. In Frankreich hat sich die Lage ein wenig verbessert, aber in Amerika ist das nach wie vor ein großes Problem. Wenn ein Mann sechs Monate lang für Dreharbeiten verreist, folgt ihm üblicherweise seine Frau mit den Kindern. Glauben Sie, umgekehrt wäre das ähnlich? Welcher Mann würde seinen Job aufgeben, um seine Frau zu begleiten? Für mich als Mutter stellt sich ständig die Frage, entscheide ich mich für mein Kind oder die Karriere? Und wenn ich dann vier Monate bei Dreharbeiten war, werde ich in der Schule schräg angeschaut. Unsere Welt ist nicht fair zu Frauen – und das geschieht hier in Europa, wo wir nicht wie Sklaven behandelt werden wie in anderen Ländern. 

Wie streng sind Sie bei Dreharbeiten?

Delpy: Ich kenne zu viele Regisseure, die zu früh aufgegeben haben. Ich bin beim Drehen lieber streng, um ein gutes Ergebnis zu bekommen. Wenn der Film gut wird, wird einem die Härte später vom allen Mitwirkenden gerne verziehen. Umgekehrt wird keiner einen schlechten Film mögen, nur weil es nette Dreharbeiten waren.

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Nicht nur die nette Madame Delpy am Set. Sie kann auch anders. © Berlinale

Einige der Dialoge fallen recht anzüglich aus – gibt es eine Grenze, wie weit Sie gehen können?

Delpy: Ich versuche, mich beim Schreiben nicht selbst zu zensieren. Mir gefällt es, bis an die Grenzen zu gehen. Darin liegt für mich der Spaß – schließlich sollen auch die Heldinnen Spaß mit ihren Dialogen haben. Ich bin mit satirischen Magazinen wie „Charlie Hebdo“ aufgewachsen und habe schon mit sechs Jahren Erwachsenen-Co­mics gelesen. Der war zwar anzüglich, aber eben auch klug und witzig – und niemals vulgär. Auch mein Schreibstil ist sehr offen und direkt ohne vulgär zu werden. Wir leben in Zeiten, in denen man zunehmend gebunden ist politische Korrektheit. Das macht die Menschheit aber nicht besser.

Gibt es Grenzen beim Humor? Würden Sie Späße über den Islam machen?

Delpy: Ich glaube, heute gibt es Grenze für den Humor, denn leider ist die Welt nicht mehr so frei, wie sie einmal war. Ich persönlich würde keine Späße über Religion machen, denn manche Leute töten für einen Witz. 

Haben Sie den armen Lolo in diese altbackene Unterwäsche der 80er Jahre gesteckt als Strafe dafür, dass er so böse ist?

Delpy: Diese bunten Unterhosen liegen derzeit absolut im Trend und sind gerade der Renner bei einer amerikanischen Mode-Kette – ich sollte eigentlich Geld dafür verlangen, dass ich für diese Retro-Modelle in meinem Film so viel Werbung mache! (Lacht

Die [030] Filmkritik zu “Lolo – Drei ist einer zuviel“ hier!

Titelfoto ©: Berlinale