„We celebrate cultural difference!“ ist das Motto der WERKSTATT DER KULTUREN, einer Einrichtung mitten in Neukölln die sich als Plattform für für Kunst, Aktion und Kultur versteht. Mit über  30 Veranstaltungen monatlich, darunter Filmscreenings, Wort-Veranstaltungen, Konzerte, Perfomances, Theater und Partys ist das Haus ein Treffpunkt für viele Berlinerinnen und Berliner mit biographischen Bezügen zu unterschiedlichen Ländern und Kulturen der Erde.

An diesem Nachmittag treffe ich mich mit der Geschäftsführerin und künstlerischen Leiterin Philippa Ebéné, um mit Ihr über das Programm und die Zukunft des Hauses zu sprechen. Zu Beginn unseres Termins führt mich die Ethnologin und ehemalige Schauspielerin durch das Gebäude in der Wissmannstraße und zeigt mir den großzügigen Veranstaltungssaal, die Seminarräume und den Club im Keller, bis wir in ihrem Büro Platz nehmen.

Auf Ihrer Internetseite beschreiben Sie die WERKSTATT DER KULTUREN als Ort der traditionellen  und kontemporären Kulturpraktiken. Was kann man sich genauer darunter vorstellen?

Zum einen finden bei uns Veranstaltungen statt, bei denen beispielsweise traditioneller Tanz gezeigt oder traditionelle Musik gespielt wird, organisiert von Vereinen, die genau das machen und teilweise bereits seit Jahrzehnten ein festes Publikum haben: beispielsweise kurdische oder auch südindische Tänze. Andererseits gibt es bei uns aber auch sehr zeitgenössische Kulturproduktionen, bei denen es eher um Fusionierung und Hybridisierung geht. So wird zum Beispiel bei unserem Globale Beats Contest Creole aufgespürt und gezeigt, welche migrantischen Strömungen in die aktuellen Musikproduktionen einfließen und zu welchen neuen Sounds und Musikstilen sie führen. Wir bedienen also diese ganze Spannbreite von „wir machen das, was es schon seit Jahrhunderten gibt“, bis hin zu „wir machen das, was erst seit vorgestern in der Stadt möglich ist“.

Das Haus besteht schon seit über 20 Jahren. Was hat sich verändert, seitdem Sie 2008 die Leitung übernommen haben?

Wir sprechen verstärkt Menschen an, die ihre kulturellen Einflüsse auf mehr als nur ein oder zwei zurück führen können: Berliner, deren Eltern sich in einem Berliner Studentenwohnheim kennenlernten, Menschen, deren Eltern von Tunesien nach Italien auswanderten und die seit Jahrzehnten in Berlin leben, Leute, deren Eltern aus unterschiedlichen Ländern oder Kontinenten als Arbeitsmigrantinnen und –migranten nach Deutschland kamen, hier ein Familie gründeten und blieben, etc. Der Diskurs um Identität, Partizipation, Rassismus unterscheidet sich von dem der Vorgängergeneration.  Außerdem haben wir weitere Festivals und Reihen eingeführt, die sich über die Jahre gefestigt und auch bewährt haben. Beispielsweise haben wir jeden Freitagabend eine Konzertnacht, die von unterschiedlichsten Kuratoren bespielt worden ist. Von dem inzwischen verstorbenen, sehr beliebten und in Berlin bekannten Sänger Griot Abourahmane Gilbert Diop wurde ursprünglich die Freitagabend-Reihe Transmusikale aus der Taufe gehoben. Anschließend wurde die Reihe mit Jonas Bibi Hammond, einem sehr breit aufgestelltem Bassisten, Musiker und Produzenten, unter dem Titel Migration Music fortgeführt, und nun läuft sie jeden Freitagabend unter dem Titel World Wide Music und ist inzwischen ziemlich populär.  2009 haben wir zum Beispiel auch eine Kinonacht am Donnerstag eingeführt, bei der Kuratorinnen und Kuratoren Filme aus Afrika, Asien, dem Nahen Osten, Osteuropa oder Südamerika zeigen und anschließend mit geladenen Gästen zu Diskussionen einladen. Allein diese beiden Reihen haben dazu geführt, dass wir ein kulturell, sprachlich und altersmäßig deutlich diversifiziertes Publikum gewinnen konnten, das regelmäßig ins Haus kommt. 

HDK, Berlin, WDK, 030 Magazin

Ort der Begegnung – Die Werkstatt der Kulturen in Neukoelln.

Kommen denn auch Menschen zu Ihnen, die sonst nicht so sehr an Kulturprogramm interessiert sind, oder ist das schon immer eher ein ohnehin kulturversierter Kreis?

Es kommen sehr unterschiedliche Menschen. Wir bieten ja auch nicht nur das an, was unter Kultur firmiert. Wir haben ja auch ziemlich viele Wortveranstaltungen im Haus, die politisch aktuelle Themen verhandeln. Und ich glaube, was uns nach wie vor von anderen Häusern unterscheidet, ist, dass wir eine Perspektive einnehmen, die eine andere ist als die, die für gewöhnlich durch den Mainstream führt. Das heißt, bei uns sitzen in aller Regel schwarze Menschen, People of Color und Migranten auf der Bühne, die migrationspolitische Themen aus ihrer Sicht beleuchten. Da geht es in erster Linie gar nicht so sehr um Kunst und Kultur. Es finden natürlich auch immer wieder Veranstaltungen statt, die über Theater, Literatur oder Musik all das verhandeln, was für die Veranstalter wichtig und zentral ist – aber das muss nicht sein. 

Verstehen Sie sich als Ergänzung zum Ballhaus Naunynstraße und dem Gorki Theater?

Ein Theater ist ein Theater, da wird Theater gemacht. Das machen wir nicht. Wir sind kein Produktionshaus. Wir haben keine Werkstätten, wir haben keine Probebühne. Die künstlerischen Produktionen die hier stattfinden, sind irgendwo im Vorfeld bereits produziert worden und werden dann anschließend hier bei uns auf die Bühne gebracht. Das unterscheidet uns natürlich ganz wesentlich vom Theater. Wir haben auch nicht die zeitlichen und finanziellen Ressourcen, um lange an einem Thema oder einem Stück zu arbeiten, um es dann einem interessierten Publikum zu zeigen. Wir sind darauf angewiesen zu gucken, was gerade in der Stadt passiert, wer gerade was produziert und inwieweit wir da zusammenkommen können; ob wir als Haus sagen können: Wir geben Euch die Bühne, die Ihr braucht, um das zu zeigen, was Ihr zeigen möchtet.

Die bekannteste Veranstaltung aus Ihrem Haus ist natürlich der Karneval der Kulturen, den Sie aber 2014 abgegeben haben. Ist das richtig?

Das ist richtig. Die Veranstaltung ist hier im Hause entstanden und über zwei Jahrzehnte entwickelt worden. 2014 haben wir gesagt, wir brauchen dringend ein neues Sicherheitskonzept, haben dieses vorgelegt und gesagt, dass wir 380.000 EUR benötigen, um es auch umzusetzen, da die 270.000 EUR, die wir ab 2010 erhielten, hier nicht ausreichen werden. Leider sind wir mit der damaligen Migrationsbeauftragten nicht zusammen gekommen. Wir konnten ihr nicht verständlich machen, dass wir nicht ewig Zeit haben, um mit den Vorbereitungen für die Veranstaltung zu beginnen, und haben deshalb eine Deadline gesetzt. Diese Deadline wurde jedoch nicht eingehalten und so mussten wir mitteilen, dass wir die Veranstaltung nicht fortführen werden. Der Senat hat dann im Januar 2015 erklärt, dass die Veranstaltung künftig von der Kulturprojekte GmbH gemacht werden soll, und hat ein neues Sicherheitskonzept finanziert. 

Was sind denn stattdessen die Highlights, die uns demnächst hier am Haus erwarten werden?

In diesem Jahr wollen wir zum ersten Mal  eine neue Variante unseres Weltmusik-Wettbewerbs Creole an den Start bringen. Künftig sollen sich Musiker_innen unabhängig davon, wo Sie ihren Wohnsitz haben, bewerben können. Bislang war dieses Event räumlich begrenzt, doch das wird zukünftig nicht mehr so sein. Wir versprechen uns davon auch im Ausland ein Interesse an dieser Veranstaltung. Es gibt bereits Veranstalter, die sich an uns gewandt haben, aber ich möchte dazu noch nicht zu viel sagen. Nur soviel: die Idee ist, dass  die Creole künftig in unterschiedlichen Ländern stattfindet und die jeweiligen Gewinner_innen anschließend nach Berlin kommen, um hier mit Musiker_innen zusammen um den Creole Global Award zu spielen. Geplant ist zudem ein regelmässig stattfindender Arab Song Jam unter der Leitung  von Nasser Kilada, einem wunderbaren Sänger aus Ägypten. Derzeit hat arabische Musik hier im Hause Hochkonjunktur. Durch die Migrationsbewegung der letzen Monate sind neue Musiker_innen in der Stadt und auch ein Publikum, das mit dieser Musik sozialisiert wurde. Wir greifen das auf und werden zum Beispiel 50er-Jahre-Hits aus Kairo als  Grundlage nehmen, um diese Songs verjazzt auf die Bühne zu bringen. Das erste Set startet – wie bei jeder Jam Session – mit den gesetzten, angekündigten Musiker_innen. Im zweiten Set öffnen wir die Bühne und hoffen, auch geflüchtete Musiker_innen anzusprechen und einbinden zu können um sie so der Berliner Musikszene und dem Berliner Publikum vorzustellen. Aber zunächst schließen wir das erste Halbjahr am 15./16. Juli 2016 mit dem 1. Carnival of Literatures ab, das wir in Kooperation mit der Universität Potsdam sowohl in der WERKSTATT DER KULTUREN als auch open air am Neuen Palais in Potsdam ausrichten werden. Diese erste Edition heißt "Planet Crime" und nimmt die anglophonen Kriminalliteraturen des globalen Südens und ihrer Diaspora in den Fokus. Es wird ein spannendes Festival mit internationalen Autorenlesungen, spoken word performances, Konzerten, einem Kinderprogramm und einem kleinen Markt. Wir sind schon sehr gespannt! 

www.werkstatt-der-kulturen.de