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Der Künstler als Gott? – Reinhard Kleist im Interview zu „Nick Cave – Mercy On Me“

Ganz nah dran sein an dem Menschen hinter dem Künstler – das wollen die Meisten. Nick Cave, bekannt als Meister des Abgründigen, ließ diesen Blick letztes Jahr mit dem tragisch-intimen Film „One More Time With Feeling“ selbst zu. Der Berliner Comiczeichner Reinhard Kleist hat nun sein eigenes Bild des australischen Musikers und Autors gezeichnet. Zum 60. Geburtstag von Nick Cave (am 22.9.) legt Kleist seine neue Musiker-Graphic Novel „Nick Cave – Mercy On Me“ vor, die weit über das Faktisch-Biografische hinausgeht.

 Wieder veröffentlichen Sie eine zeichnerische Auseinandersetzung mit einem Musiker. Warum ausgerechnet Nick Cave?

 Ich war seit Längerem Nick Cave-Fan. Obwohl ich ihn zwischendrin auch mal ausgeblendet habe, weil ich eine Techno-Phase hatte. Ende der 90er war ich dann in der Columbiahalle bei meinem ersten Konzert von ihm zum Album „No More Shall We Part“. Ab da war ich Fan. Aber das kam und ging in Wellen.

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Reinhard Kleist © Carlsen Verlag by Wolf-Dieter Tabbert.

Warum biete sich Nick Cave für eine Verbindung von Comic und Musik so gut an?

Er ist ein fantastischer Geschichtenerzähler! Und die Figuren in seinen Songs sind überaus plastisch. Das ist für einen Comic-Zeichner eine Steilvorlage. Dann kam ich persönlich in Kontakt mit ihm und das Projekt wurde geboren.

Nun lernt man Nick Cave nicht einfach mal so kennen und ist sein Buddy. Wie ist das zustande gekommen?

Das war über meine Agentin, die wiederum jemanden kannte und plötzlich war ich mit der Chefin von Mute Records Deutschland in Kontakt, mit der ich inzwischen befreundet bin. Die hat mein Projekt der Assistentin von Nick vorgestellt und das an ihn weitergeleitet. Dann kam irgendwann eine Mail von dem Herrn persönlich an mich. Erst mal bin ich hinten rüber gefallen.

Was meinte er?

Er schrieb, dass er meinen Comic über Johnny Cash mochte, weil er ein großer Comic-Fan sei, und dass er das Projekt unterstützen würde, aber nicht zu viel Input geben könne. Er hat das aber die Ganze Zeit begleitet und neugierig beäugt. Das war für mich eine große Motivation.

Wenn Nick Cave selbst keinen Input dazugegeben hat: Wen haben Sie interviewt, um mehr über ihn herauszufinden?

Naja, ich habe dann mit ein paar Leuten gesprochen und schnell gemerkt, dass das gar nicht das ist, was ich will. Plus: Jeder hat natürlich eine andere Version davon, wie Menschen sind.

Worauf kam es Ihnen stattdessen an?

Die Beziehung zwischen Künstler und Werk. Er hat dann noch einen extrem lustigen Klappentext geschrieben, indem er meint, dass ich damit genauer an der „Wahrheit“ liege, als alle anderen Biografien – oder besser gesagt näher an ihm dran sei.

Gerade, weil ihre Arbeit keine Biografie im klassischen Sinne ist.

Ja, ich wollte gar keine Fakten-Hobelei machen. Dieses bedingungslose Erschaffen von ihm sollte für mich im Fokus stehen. Wie er ständig damit beschäftigt ist, sich selber auszudrücken und die richtige Sprache zu finden, dabei aber auch rücksichtslos vorgeht. Deshalb habe ich das Konzept entwickelt mit vier Erzählern, die lebendig werden und mit ihrem Schöpfer Nick Cave in Kontakt treten. Am Ende ist das eine Reflexion über die Kunst, Geschichten zu erzählen.

Haben Sie dabei noch einmal neue Facetten an Nick Cave entdeckt?

Ja! Man kannte ihn von Songs und Konzerten. Dann merkte ich, dass er ganz tolle Interviews gegeben hat. Seine Reflexionen über das, was er als Künstler ist, haben mich beeindruckt. Es gibt da tolle Vorlesungen, in denen er über die Bedeutung von Songs und Liebesliedern spricht. Das klingt erst mal größenwahnsinnig, aber er sagt, als Künstler sei man eine Art Gott. Das stimmt natürlich total. Da ist dann wieder die Verbindung zu mir.

Weil Sie auch Gott sind?

Im Grunde genommen ja.

Das müssen Sie erklären.

Man muss das so sehen: Wenn ich einen Comic über Nick Cave mache, dann ist das mein persönlicher Nick Cave. In meinem eigenen kleinen Kosmos bin ich dann Gott.

Im Mittelpunkt steht der titelgebende Song „Mercy On Me“. Warum haben Sie sich für diesen entschieden?

Er geht, wie gesagt, recht ruppig und umbarmherzig mit seinen Figuren um. Der Titel reflektiert das. Außerdem singt er in dem Song über die Pein, die er sich selber antut. Er hat in seinem Leben ja durchaus gelitten – auch unter seiner Sucht. Es war mir wichtig, beides gegenüberzustellen.

Wie wird die Lesetour das transportieren?

Es gibt mehrere Veranstaltungen. Einmal die große Party im So36. Da treten zwei Bands auf und es wird ein Live-Drawing geben. Dann gibt es ein Künstlergespräch, eine Lesung beim internationalen Buchfest und dann noch eine weitere. Da bin ich noch nicht ganz sicher, was ich da machen werde. Aber man darf gespannt sein.

Reinhard Kleists „Nick Cave – Mercy On Me“ erscheint am 29. August bei Carlsen.

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Reinhard Kleist live:

7. September 2017 – Haus der Berliner Festspiele
22. September 2017 – „Nick Cave“-Comic-Releaseparty SO36
16. Oktober 2017 – Pfefferberg-Theater
11. November 2017 – Modern Graphics

Titelfoto: © Reinhard Kleist, Carlsen Verlag/ Hamburg 2017