Kobito, Audiolith, Berlin

[030] Plattenkritik: Kobito – „Für einen Moment perfekt“

Rhythmischer Sprechgesang Marke Audiolith aus Berlin: Kobito veröffentlicht am 16. September das Album "Für einen Moment perfekt." Dabei handelt es sich um seinen zweiten Langspieler beim Label aus Hamburg, seine ersten selbst vertriebenen Veröffentlichungen gab es aber schon 2005. Der Name ist ein Akronym für "Kombination aus Bild und Ton".

Der erste Song "Uhrzeigersinn" beweist bereits, dass Kobito schon seit vielen Jahren Rapmusik macht: Der 30-jährige rappt stimmlich präsent, technisch versiert und mit eingängier Rhythmik. Es deutet sich aber auch bereits hier das Hauptproblem der Platte an: Kobito verwendet eine sehr bildhafte Sprache und zu viele seiner Wortbilder sind Plattitüden, in denen die Songkonzepte mitunter förmlich zu ertrinken scheinen. Wir trinken, wir suchen die Liebe, die Welt ist hektisch, der Wecker klingelt, wir sind weit weg. "Wir haben den Uhrzeigersinn verloren." Es wirkt eher, als hätten wir den Faden verloren.

Eine der Videoauskopplungen war nach dem Berliner Club ://about blank benannt, in dem Kobito scheinbar viele Nächte verbringt. "Es ist der Moment zwischen dem vierten oder fünften Bier (…)", lamentiert die Videobeschreibung, "(…) dass wir die Zeit anhalten, uns in den Armen liegen und sich für einen Moment alles perfekt anfühlt." Ich befürchte Schlimmes. Über einen sehr anstrengenden Beat mit Piano Akkorden, EDM-Gewaber und entferntem Vokalsample rappt Kobito das Facebook-Gedicht eines 17-jährigen, mit ein wenig Alkoholikereinschlang. "Wir trinken und tanzen, wir tanzen und trinken und kriegen den Hals nicht voll." Jetzt möchte ich auch trinken, um zu vergessen. "Wir singen mit, als würden wir die Lieder kennen." Kennste? Ich auch. Ich bin selten so plump affiziert worden und fühle mich etwas schmutzig. Tiefpunkt war bereits die vorherige Single "Warten auf die Sonne" mit Amewu. Über ein souliges Sample erklärt Kobito uns, wie kalt die Welt ist. Die Wortfelder Gräue und Eis werden zwar in vielen verschiedenen Formen umgestzt, vor lauter Bildern wird aber vergessen zu erwähnen, warum das Alles eigentlich so traurig ist. Amewu zeigt dann zumindest über die zweite Hälfte des Songs, wie man ein solches Songkonzept besser umsetzt und erklärt, wie er die Kälte der Welt, die ihm begegnet, nutzt, sich selbst zu verstehen und wie er dabei gelernt hat, dass der Weg das Ziel ist. Das ist zwar immer noch nicht sonderlich einfallsreich, aber zumindest nachvollziehbar und der Inhalt wird nicht vollständig vom Pathos eingeschneit. "Alles in Bewegung" ist eine Mischung aus Philosophiestunde für Kinder und Vergleichebuch für Rapanfänger. "Ich fälle Entscheidungen wie Bäume" ist ungefähr auf dem Niveau von "Bei mir läuft wie Nasenbluten."​

Dabei besitzt Kobito eigentlich Wortwitz. Der kommt logischerweise aber dann am Besten durch, wenn er sich nicht bemüht, ernst zu sein. "Fluch der Akribik" klingt in Flow und Soundbild ein bisschen nach KIZ und beschreibt polemisch die Liebe zu einem Job mit Überstunden und Arschkriecher-Bonus. Passen nicht solche Themen eigentlich eh besser ins Audiolith-Lineup? Hier funktioniert der Sprachwitz, denn Kobito hat ein Thema und er darf komisch sein. "Immer etwas zu wenig, aber wenigstens etwas. Schleife mein Lächeln bis zum Chefsessel, bade in seinem Fettnapf." Es ist auffällig auf "Für einen Moment perfekt", dass der Berliner offensichtlich irgendeine Faszination für Haftbefehl besitzt. Er spielt mit arabischen Ausdrücken wie "Habibi" und "Yallah", samplet den Babo auf "Warten auf die Sonne" und adaptiert gleich zwei Male "Dann mit der Pumpgun". Dabei ist weder Parodie noch Abscheu noch aber eine vollständige Aneignung des Stils zu erkennen. Stattdessen reflektiert Kobitos "Läuft bei mir Habibi" wundervoll die Art und Weise, wie jemand Straßenrap zitiert, der ihn mag, sich aber auf Grund seiner Gutbürgerlichkeit nicht im Stande fühlt, ihn selbst ohne ironischen Bruch umzusetzen, und dürfte damit eigentlich vielen Deutschraphörern symphatisch sein. Wenns mit Rap nicht klappt, bieten sich für Kobito demnach die Berufsgruppen Hausmeister und Werbetexter an, vor Allem Letzterer natürlich polemisch zu lesen. Diese Momente, in denen der Rapper etwas weniger verkopft und stilistisch etwas weniger auf seine Sprachgemälde versteift ist, gehören zu den unterhaltsamsten des Albums.

"The walking Deutsch" verschaffte Kobito schon vor einem knappen Jahr inmitten von Diskussionen um Immigration und PeGiDa einen kleinen Hit und wird jetzt noch einmal veröffentlicht. Hier klingt der Rapper ehrlich wütend, erneut sind das Thema und die Message klar und plötzlich funktionieren seine Wortmalereien wie "(…) haben sich in der Hitze ihrer Wut verloren und sich gegenseitig angesteckt" sehr gut. Es fühlt sich etwas merkwürdig an, einem Musiker, der seit über 10 Jahren aktiv ist zu konstatieren, dass er sehr viel Potential hat, seinen Stil aber noch zu Ende herauskristallisieren muss. Tatsächlich ist das jedoch das Gefühl, das sich über die Laufzeit dieses Albums einstellt.

"Gnadenlos kritische Bestandsaufnahmen der politischen Missverhältnisse und ein Gespür für den großen Pop-Moment gehen Hand in Hand und verstehen sich hervorragend.", erklärt der Pressetext. Das stimmt leider nur für flüchtige Momente des Albums. "Dieses Album ist weitaus länger als nur einen Moment perfekt!", heißt es weiter und nimmt uns damit die Überleitung zum Fazit ab. Denn tatsächlich ist "Für einen Moment perfekt" sehr passend betitelt. Das Album bietet überzeugende Momente, ist aber über die Gesamtlänge leider unschlüssig.

 

Für einen Moment perfekt
Kobito
Label:
Audiolith
Erscheint am: 16.09.2016
Online erhältlich: Audiolith / iTunes

Kobito - Für einen Moment perfekt Cover

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