Colonia Dignidad, Daniel Brühl, Interview, 030, Berlin

Die Macher hinter dieser deutschen Produktion mit internationalem Anstrich haben sich redlich Mühe gegeben, ihre Vision lebendig werden zu lassen. Unzählige Koproduzenten und Filmförderungen wollten unter einen Hut gebracht werden, und schließlich wurde mit Emma Watson sogar ein echter Weltstar für die weibliche Hauptrolle verpflichtet. 

Seine Weltpremiere erlebte dieser vor dem Hintergrund wahrer Ereignisse angesiedelte, trotzdem fiktive Thriller schließlich auf dem renommierten Filmfestival von Toronto im Herbst vergangenen Jahres. Die Reaktionen des Premierenpublikums waren gemischt, denn wahrscheinlich war auch ihnen nicht entgangen, dass das Werk über einen nicht zu übersehenden Schwachpunkt verfügt – sein Drehbuch.

Eine geheimnisvolle Liebe

Erzählt wird die in Chile des Jahres 1973 angesiedelte Geschichte der beiden Deutschen Lena (Emma Watson) und Daniel (Daniel Brühl) vor dem Hintergrund der brutalen Machtübernahme von General Pinochet, der den gewählten Präsidenten Salvador Allende aus dem Amt putschte. Lena ist als Stewardess soeben in Santiago de Chile gelandet, wo ihr Freund Daniel als Fotograf lebt und arbeitet. Doch schon bevor die Handlung richtig beginnt, offenbart die Story ihre erste Schwäche: Wir erfahren nämlich nichts über die beiden Protagonisten, außer dass sie ein Liebespaar sind. Doch wie ihre Fernbeziehung aussieht oder wie sie sich kennen gelernt haben und was sie letztendlich verbindet, bleibt ein Geheimnis. Was prinzipiell auch okay wäre, würde nicht der gesamte Film auf dieser angeblich so leidenschaftlichen Liebe aufbauen.

Colonia Dignidad, Daniel Brühl, Interview, 030, Berlin

Eine unerklärte Liebe. Emma Watson und Daniel Brühl in Colonia Dignidad.

Schon wenige Stunden später werden Lena und Daniel von der Polizei verhaftet und in ein Fußballstadion gebracht. Dort wird Daniel als Kollaborateur der gestürzten Regierung identifiziert und abgeführt. Zurück bleibt eine verzweifelte Lena, die nun herauszufinden versucht, wohin Daniel verschleppt wurde. Alles deutet auf die Colonia Dignidad hin. Auf diesem abgeriegelten Gelände einer deutschen Sekte betreibt der chilenische Geheimdienst eine Folterwerkstatt. Lena beschließt, sich der christlichen Religionsgemeinschaft als Anhängerin anzuschließen, in der Hoffnung ihren geliebten Daniel finden und befreien zu können. Doch die grausamen Bedingungen, unter denen die Sektenmitglieder unter der Führung von Paul Schäfer (grandios als echtes Ekelpaket: Michael Nyqvist) leben und arbeiten müssen, bringen die junge Frau an den Rand physischer und psychischer Erschöpfung.

Colonia Dignidad, Daniel Brühl, Interview, 030, Berlin

Wider dem Diktat des Pinochet Terrors. 

Mit Lenas Eintreffen in der Colonia Dignidad beginnt eine weitere Phase dramaturgischer Einfallslosigkeit: Denn nun folgen in leichter Variation ähnliche Bilder und Szenen vom Lagerleben und den bizarren Ritualen, mit denen Paul Schäfer seine Schützlinge drangsaliert. Erst in der letzten halben Stunde nimmt das Drama so richtig Fahrt auf und entwickelt sich zu einem packenden Thriller, der einen an den Kinosessel fesselt. 

Was bleibt?

Bleibt festzuhalten, dass Florian Gallenberger als Regisseur weitaus talentierter ist als als Drehbuchautor. Und es ist erstaunlich, mit welch schwachen Skript man all die verschiedenen Talente vor und hinter der Kamera überzeugen kann, Teil solch eines Projekts zu werden. Dazu zählen auch die beiden Hauptdarsteller Emma Watson und Daniel Brühl, die ihre Rollen gewohnt souverän meistern. Hätte man doch ein wenig mehr Zeit und Mühe ins Drehbuch investiert, wäre hier wirklich großes Kino entstanden. So ist lediglich ein zwar durchaus unterhaltsamer, inhaltlich aber vermurkster Thriller vor historischem Hintergrund draus geworden, bei dem man am liebsten laut ausrufen würde: Schreib’s noch mal, Florian! – Text: Dirk Lüneberg

Foto ©: Majestic/Mathias Bothor

Colonia Dignidad

Regie: Florian Gallenberger

DarstellerInnen: Emma Watson, Daniel Brühl, Mikael Nyquist, Martin Wuttke

Kinostart: 18. Februar