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«Trump ist größer als man denkt» | Interview mit Christian Bale über ‚Vice‘

Er ist das Chamäleon von Hollywood: Für „The Machinist“ hat er 30 Kilo abgenommen. Mit dickem Bauch, dreißig Kilo mehr und Glatze trat er in „American Hustle“ auf. Für „Fighter“ bekam der 1974 in Wales geborene Christian Bale schliesslich den Oscar. Das könnte nun abermals passieren für seinen Auftritt als Dick Cheney in der Politsatire „Vice“, die insgesamt gleich achtfach nominiert ist.

Einmal mehr hat Bale heftig zugelegt, um den bulligen US-Vizepräsidenten zu verkörpern. Den Schauspieler trafen wir bei der Berlinale, wo „Vice“ seine Premiere „außer Konkurrenz“ feierte. 

Mister Bale, mit welchen Gefühlen gehen Sie zur Oscar-Verleihung?

Bale: Für mich bedeutet die Oscar-Verleihung das Feiern von Filmen, mit Konkurrenz hat das bei mir nichts zu tun. Natürlich bin ich dankbar für die Nominierung, das ist wunderbar. Aber bleiben wir doch realistisch: Es gibt grandiose Schauspiel-Leistungen, die keine Anerkennung bekommen. Zudem sind gute Filme immer eine Team-Leistung. Ich freue mich auf eine schönen Abend. Man freut sich für jeden, der gewinnt und feiert das gemeinsam. 

Sie nehmen für Ihre Rollen etliche Kilo zu, dann hungern Sie beängstigend ab und bei diesem Film sehen Sie wieder so bullig aus wie der echte Dick Cheney. Wie sieht das Ihre Familie?

Bale: Es gab die Überlegung, Cheney zu spielen ohne ihm ähnlich zu sehen. Aber wir haben die Idee nach zwei Minuten über Bord geworfen, das hätte nicht funktioniert. Für mich hängen Körper und Geist zusammen. Die Maskenbilder erzielen mit Prothesen zwar perfekte Ergebnisse. Aber ich möchte mir keine Grenzen setzen. Ich mache, was ich für nötig halte. Ich bin kein ausgebildeter Schauspieler und werfe alles in den Ring, was für die Rolle wichtig ist – dazu kann auch eine körperliche Verwandlung gehören. 

Sind solche rigorosen Verwandlungen nicht ziemlich anstrengend?

Bale: Klar, aber sollte das nicht auch so sein? Ich mag gerne Anstrengungen. Da fühlt man, dass man etwas getan hat. 

Bale, Cheney, Vice

Kaum zu erkennen: Der Mittvierziger Christian Bale als Mittsechziger Dick Cheney.

Erschrecken Sie, wenn sie mit voller Dick Cheney-Maske in den Spiegel blicken? 

Bale: Das passiert nur am Anfang, wenn wir das Aussehen noch ausprobieren. Wenn ich das gewünschte Gewicht erreicht habe und die Maske immer ausgefeilter wird, gewöhnt man sich schnell an das neue Aussehen. 

Wie lange brauchen die Maskenbildner für diese Verwandlung?

Bale: Vier Stunden hat es gedauert, bis diese Maske fertig war. 

Bei „American Hustle“ hatten Sie erzählt, dass Ihre Tochter ganz begeistert war vom Buddha-Bauch des Papas. Wie war es dieses Mal? 

Bale: Dieses Mal war mein Sohn ganz begeistert. Er ist auf meine Bauch herum gehüpft und hatte großen Spaß. Auch meine Frau mag den großen Bauch, weil sie selbst dadurch viel schlanker wirkt. (Lacht)

Mögen Ihre Kinder den Papa als „Batman“?

Bale: Unsere Kinder haben „Batman“ nie gesehen. Wir verbringen unsere Zeit nicht damit, mich anzuschauen. (Lacht)

Was ist für Sie die wichtigste Qualität in diesem Beruf?

Bale: Endlose Neugier, würde ich sagen. Bei mir ist es bei jeder neuen Rolle so, dass ich keine Ahnung habe, wie ich das spielen soll. Man sagt oft, ich wäre ein method actor, aber das bin ich überhaupt nicht. Ich nähere mich meiner Rolle im Verlauf des Spielen. 

Brauchen Sie Schnittmengen mit Ihren Rollen? Oder können Sie alles spielen?

Bale: Manche ziemlich guten Schauspieler sagen, die Figur müsse immer eine Ergänzung von ihnen selbst sein. Bei mir ist es so, dass ich mich möglichst komplett freimachen möchte von einer Rolle. Meine Aufgabe sehe ich darin, meine Figur neu zu erschaffen. Ob das gelingt, müssen die Zuschauer beurteilen. 

Gibt es etwas, dass Sie an diesem Machtmenschen Dick Cheney mögen?

Bale: Man muss an ihm mögen, wie er ohne Zögern seine Tochter Mary unterstützte als die ihr Coming Out hatte – was ganz entgegen seiner konservativen Überzeugung war. Alle, mit denen ich sprach, schildern Cheney als sehr liebevollen Vater und Ehemann. 

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In jüngeren Jahren: Amy Adams als Lynne Cheney und Christian Bale als Dick Cheney in Adam McKay’s VICE.

Wie viel wussten Sie über Dick Cheney vor dem Film? 

Bale: Natürlich kannte ich die Gerüchte, wonach Cheney der große Puppenspieler im Politbetrieb war und beim Irak-Krieg die Fäden zog. Aber wie lange er schon Politik machte und mit welchen Methoden er arbeitete, das war für mich alles völlig neu. . 

Sie haben Cheney einmal mit Darth Vader verglichen…

Bale: Cheney vergleicht sich selbst gerne mit Darth Vader und mag das ausgesprochen gern. Er hat das Kinderzimmer seiner Enkel mit Darth Vader-Spielzeug ausgestattet. Auch seine Mitarbeiter erschreckte er, als er im Büro mit einer Darth Vader-Maske hinter dem Schreibtisch saß. Auf YouTube findet man viele Beispiele, wo er sich als Darth Vader bezeichnet und sehr darüber lacht.    

Finden Sie Dick Cheney gefährlicher als Donald Trump?

Bale: Ein intelligenter Mensch, der die Dinge versteht, ist immer gefährlicher als jemand, der impulsiv und laut ist. Ich will nicht sagen, Trump wäre nicht gefährlich ist, das ist er natürlich. Aber er ist kein Vergleich zu Cheney. Der war Schachspieler der Macht – können Sie sich Trump beim Schach vorstellen?  

Sie haben Trump schon einmal getroffen…

Bale: Wir hatten Szenen von „Batman“ im Trump-Tower gedreht, der im Film dann zum Wayne-Tower wird. Trump bat mich in sein Büro und die Produzenten sagten, geh’ da lieber hin, sonst wirft er uns noch hinaus. Also traf ich ihm in meinem Bruce Wayne Kostüm, mit roter Krawatte und den Haare nach hinten sah ich ein bisschen aus wie Trump Junior. Er hatte viele Souvenirs, die er mir zeigen wollte. Sein Büro ist mit viel Gold dekoriert und Trump ist größer als man denkt. 

Haben Sie eine Liste von Figuren, die Sie gerne noch spielen würden? Den Papst? Die Queen? Einen Transgender?

Bale: Nein, ich haben keinen Plan und akzeptiere eher das Chaos in meinem Beruf und genieße das Unbekannte. Aber Ihre Liste klingt nicht schlecht, Papst, Queen, Transgender – am besten alle drei zusammen! (Lacht) 

Fotos: © Matt Kennedy / Annapurna Pictures