Funkhaus, Nalepastraße, DDR, Rundfunk, H1 Studio, Musik, Produktion, 030 Magazin, Berlin, Interview

Selten war ein Titel treffender. Leider. Sicherlich, nahezu jeder hat in der aktuellen Situation zu knabbern. Doch speziell die Kunst und Kulturszene ist aufgrund der Einschränkungen durch COVID-10 Pandemie seit Beginn besonders stark betroffen. Heute wollen wir den Musikteil hervorheben.

Konzertabsagen, leere Clubs, keine gute Zeit für die Musikszene. Egal, ob große oder kleine Künstler, die monatelange Zwangspause macht vor niemandem Halt. Zeit dem entgegenzuwirken. Mit dem DAS VERSCHWINDEN DER MUSIK FESTIVAL, welches vom 11. – 24. November im Haus der Kulturen der Welt stattfindet. Musik ist weitestgehend aus dem öffentlichen Leben verschwunden; Konzerte sind nur als Livestreams oder ggf. unter strengen Schutzvorkehrungen möglich. 
Musik, HKW, Das Verschwinden der Musik

Foto: Das Verschwinden der Musik/Promo

Interaktion von Angesicht zu Angesicht; nicht denkbar. Als die Veranstalter der Namensgebenden Reihe DAS VERSCHWINDEN DER MUSIK ihr Festival planten, konnten niemand ahnen, dass der Titel nicht treffender hätte sein können. Leider. Ursprünglich war die Fragestellung hinter dem Titel vielmehr: Ist Musik ohne Musiker*innen, Instrumente und Tonträger denkbar? Wohin geht die Reise der Profis, wenn „Klassische“ Instrumente immer mehr an Bedeutung verliert, weil sie von leicht zugänglichen Programmen ersetzt werden kann. Was bewirkt die Demokratisierung der Musik, dadurch das man mit jedem Smartphone professionelle Tracks produzieren kann und Software-Tools wie Autotune jeden Hobbysänger eine halbwegs gutklingende Hookline einsingen kann. Ist das die neue Normalität. Wie verändert dies die Musik und welchen Einfluss hat dies auf das Live-Erlebnis? Insbesondere in der elektronischen Musik gehen Künstler*innen neue Wege bei der Aufführung. Welche neuen Formen von Live-Konzerten entstehen? Physische Objekt Tonträger werden zur Reminiszenz – Dateien entwickeln keine Patina. Was macht diese Neuordnung mit dem Charakter von Musik? Genau diese Fragen umkreist das diskursive Musikfestival DAS VERSCHWINDEN DER MUSIK, welches vom 11. – 14. November im Haus der Kulturen der Welt (HKW) stattfindet.

Musik und ihre Künstler*innen, es gibt sie noch

Auf der künstlerischen Seite findet sich unter anderem Jan St. Werner. Die eine Hälfte des Electronica-Duos Mouse on Mars hat gemeinsam mit Susanna Bolle, Mitorganisatorin der Bostoner Konzertreihe Non-Event, mit Escape from America (Total Recall) ein kollaboratives Online Event entwickelt. Sechs Improvisatorinnen, Komponistinnen und Musikerinnen werden versuchen, die technischen Fehler und Asynchronitäten, die während interkontinentaler Livestreams häufig entstehen, in ihre gemeinsame Performance einzubeziehen. Die Audiosignale der Künstlerinnen aus Berlin, Boston, Chicago, New York und Providence werden dabei von Jan St. Werner und Andi Toma (beide Mouse on Mars) live im HKW gemischt.

Musik, HKW, Das Verschwinden der Musik

Traurige Zeiten für Musiker. – Foto: Holly H. & Matt D. / Credit: Suzy Poling

Außerdem: Der Komponist und Multiinstrumentalist Adi Gelbart. Mit seinem Projekt Poems By Alpha übersetzt er am 13.11. “Gedichte” des von ihm entwickelten Computerprogramms Alpha in Musik. Alpha ist der Name eines Computers, der in Gelbarts 2018 erschienenen Roman “Egglike” eine zentrale Rolle spielt. Die englischsprachige Poesie des Computers hat kaum etwas menschliches an sich; den Regeln der Grammatik folgt sie nur lose. Die musikalischen Umsetzungen der Maschinengedichte, komponiert von Adi Gelbart, werden vom Streichquartett Kammerensemble Neue Musik und Gelbart selbst an Bassklarinette und Elektronik live aufgeführt. Wer sich dem Theater hingezogen fühlt, sollte sich die Soundwalk Performance HAUCH, welche am 13./14./24.11 aufgeführt wird, in den Kalender eintragen. Hierbei handelt es sich gleichzeitig um eine audiovisuelle Installation und ein Musiktheaterstück für drei Performerinnen mit sechs Sängerinnen im Playback. Verantwortlich hierfür sind Komponistin Juliana Hodkinson, die Bühnenbildnerin Marsha Ginsberg und die Regisseurin Katharina Schmitt.

Die Künstlerinnen werden in HAUCH die Figur des Clowns als Projektionsflache und das mediale Kommunizieren über Ängste und Unbehagen genauer untersuchen.

Im Vorfeld des Festivals zeigt eine Videoserie, die im Mai 2020 startete, wie Musiker*innen die momentanen Einschränkungen durch die COVID-19 Pandemie produktiv nutzen: Sie produzieren digital ein neues Musikstück und dokumentieren den Prozess per DIY-Video. Jede Woche erscheint ein neues Making Of. So kann das Publikum den Entstehungsprozess miterleben – also das, was bei digital produzierter Musik sonst nicht möglich ist, da sie meist in mehreren Schichten über einen längeren Zeitraum entsteht.

So kann man nur hoffen, dass die Musik nicht verschwunden ist, sondern sich nur etwas zurückgezogen hat, um die aktuelle Situation zu reflektieren, um diese in der Folge künstlerisch zu verarbeiten.

Dies ändert natürlich nichts an der prekären Situation in denen sich Musiker und Kulturschaffende im Allgemeinen gerade stecken, hier MUSS endlich Seitens der Politik etwas unternommen werden. DAS VERSCHWINDEN DER MUSIK zeigt, dass zumindest die Szene versucht, dass Beste aus dieser Krise zu machen. Getreu dem heroischen Motto: Was tut man, wenn man hinfällt? Man steht wieder auf. Dabei solltet wir uns alle gegenseitig helfen, denn ohne Musik, Kunst, Kultur, ist alles nichts. Und NICHTS kann keiner wollen.

 

PROGRAMM:

Installationen
Vtol “Destructed” (2 channel sound installation)
Interspecifics “Recurrent Morphing Radio”
Videoserie “Das Verschwinden der Musik”

mit Beiträgen von:
Lucrecia Dalt, Barbara Morgenstern, Matias Aguayo, Lamin Fofana, Tellavision,
Eblis Álvarez (Meridian Brothers), Guido Möbius, Sote, Ale Hop, Natalie Beridze,
Donn Zilla & MC Ecko Bazz, Rey Sapienz & Dogis Mechant u.a. 


Freitag 13.11.
17.00-17.45 Soundwalk-Performance “Hauch”
18.00-19.30 Holly Herndon, Mat Dryhurst & guest: Live Podcast
19.30-20.00 artist talk Interspecifics
20.00-20.15 Violinistin des Stargaze Orchesters spielt 1. Satz aus Beethovens 9. Sinfonie
20.30-21.30 Adi Gelbart und Kammerensemble Neue Musik


Samstag 14.11.
15.00-16.00 Film: Black Mirror, Season 5, Episode 3
16.00-18.00 Talk mit Liz Pelly, Robert Prey, Maria Eriksson, Mod: Tobi Müller
18.00-18.45 Vortrag Agnés Gayraud “The Hyper Appearance of Music”
19.00-19.45 Soundwalk-Performance “Hauch”
20.00-21.00 Lars Holdhus
21.00-22.00 Mouse on Mars / Olivia Block / DeForrest Brown / Forbes Graham / Bonnie
Jones “Escape from America (Total Recall)”

Sonntag 24.11.
15.00-16.00 Film: The Sound is Innocent
16.00-18.00 Talks mit Lars Holdhus, Rebecca Fiebrinck, Isabel Lewis u.a., Mod: Peter Kirn
18.00-19.00 Keynote: George Lewis
Spooky Interaction at a Distance: Telematic Afrofuturism
19.00-19.45 Soundwalk-Performance “Hauch”
20.00-21.00 George Lewis

Talks, Filme, Installationen: Eintritt frei
Konzerte: 13€/10€

HIer gehts zum HKW: