Nur eine Frau, Film, Islam

Bewegender Film über Berliner Ehrenmord | Interview mit Regisseurin Sherry Hormann zu ‚Nur eine Frau‘

Für Ihre Spielfilmdebüt „Leise Schatten“ wurde Sherry Hormann 1992 mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet. Es folgten Komödie wie „Irren ist männlich“ oder „Männer wie wir“ sowie zwei „Bella Block“-Episoden. Mit der Bestseller-Verfilmung „Wüstenblume“ wurde Hormann im Jahr 2010 für den Deutschen Filmpreis nominiert.

Nun präsentiert Hormann, 59, gemeinsam mit Produzentin Sandra Maischberger in „Nur eine Frau“ die wahre Geschichte eines „Ehrenmordes“ in Berlin. Mit der Regisseurin unterhielt sich unser Mitarbeiter Dieter Oßwald.

Frau Hormann, Ihr Film ist ein Drama über ein mutige Frau. Wie viel Mut braucht man als Regisseurin für solch ein Projekt?

Ich habe keine Angst vor irgendwelchen Bedrohungen! Demokratie besteht darin, dass wir uns mit Stoffen auseinander setzen, die uns bewegen. Und dass wir Menschen eine Stimme geben, die vielleicht im Hype der anderen Nachrichten nicht mehr gehört werden. Ich sehe es als eine Verpflichtung, darüber Geschichten zu erzählen.

Sherry Hormann, Nur eine FRau, Regisseurin

Regisseurin Sheryl Hormann – Foto: © 2eight

Wie sehen das ihre Schauspieler, die türkische Wurzeln haben?

Bei allen Schauspielern steckt ein leidenschaftliches Engagement hinter diesem Film, Angst existiert da erst einmal nicht. Wenn wir den Mund nicht mehr aufmachen, gewinnen sowieso nur noch die Populisten. Unser Ansatz war, keine Vorverurteilung der Figuren vorzunehmen, sondern zu erzählen, was das eigentlich für Kids sind, die selber unerfüllte Träume haben und dann in den gesellschaftlichen Druck von diesem Ehrbegriff geraten.

Wie war die Atmosphäre bei den Dreharbeiten?

Wir haben unter dem Radar gedreht, auch um uns zu schützen. Zudem hatten wir Security-Leute dabei. Wir drehten im Wohnblock von Aynur an der Bacharacher Straße, am Kottbusser Tor, an der Haltestelle, wo ihr das Leben genommen wurde. Generell war es nicht so, dass man uns die Türen aufgehalten hat. Es war eher eine Vorsicht, eine Neugier, die uns entgegengebracht wurde, gerade auch in der türkischen Community. Wohl auch deshalb, weil viele Teammitglieder mit anderem Hintergrund an den Dreharbeiten beteiligt waren. Aber das Vertrauen wuchs im Laufe der Zeit, am Schluss hat mir ein Security-Mann mit türkischem Hintergrund sogar ein Geschenk überreicht.

Wie würden Sie Aynur als Person beschreiben?

Da fallen mir sofort ihre Unbeirrbarkeit, ihr Mut und ihre immer wieder vorgeholte Lebensfreude ein. Wir wollten diesen unbändigen Willen in ihrem Kampf um Freisein und Selbstbestimmung und diese unglaubliche Kraft zeigen, die in einer Frau wie Aynur stecken, und die der Schlüssel für Veränderungen im Kleinen wie im Großen sein können.

Wie wahrhaftig ist die Darstellung der Personen?

Es gibt zur Genüge Dokumentation über die Täter, das hat mich nicht interessiert. Mir ging es darum, dem Opfer ein Gehör zu geben. Der Drehbuchautor Florian Oeller hat alle Gerichtsakten gelesen, mit Zeugen und Anwälten gesprochen. Das Problem war, wie schaffen wir es, Aynur eine Stimme zu geben. Die Lösung lag darin, dass die tote Aynur als Erzählern direkt zum Publikum spricht, die Zuschauer gleichsam zum Komplizen macht.

Wie kam es zur Idee, immer wieder Fotografien im Film einzusetzen?

Meine Experimentierfreude bei diesem Projekt wurde auch angeheizt von unserer Kamerafrau Judith Kaufmann und der Editorin Bettina Böhler. Zu meiner Überraschung ließ uns Sandra Maischberger als Produzentin alle künstlerische Freiheit. Ikonografische Bilder fand ich schon immer spannend und es bietet sich bei dieser Geschichte an: Wenn Aynur mit ihrem Freund aus dem Club kommt, weiß man doch, wie die Jungs pöbeln. Das muss ich nicht verfilmen, da ist eine Fotografie viel wirkungsvoller.

Sandra Maischberger hat reichlich TV-Erfahrung, beim Kino gibt sie hier ihr Debüt. Wie sah die Zusammenarbeit aus?

Sandra sagte immer, „ich bin der Azubi“ (Lacht). Von ihr kam der Vorschlag zu dem Film. Nach einer Bedenkpause haben wir uns getroffen und begannen mit dem Projekt. Mir war debei wichtig, dass Florian das Drehbuch schrieb. Sandra bestellte das Feld, ich kümmerte mich um das Team und dann marschierten gemeinsam wir los. Sandra war volle Spielfreude, vielleicht auch im Wissen, keine Erfahrung von Kino zu haben. Sie war voller Respekt für das Team und wir begegneten uns von Anfang bis Ende auf Augenhöhe. Was ich selten über Produzenten sage: Sie riskiert wirklich viel!

Nur eine Frau, Film, Islam

In ‚Nur eine Frau‘ muss sich der Islam kritische Fragen zur Rolle der Frau gefallen lassen? – Foto: © Mathias Bothor / NFP

Wie steht es um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen? Oder gilt hier künstlerische Freiheit? 

Das ist juristisch alles fünfzehn Mal abgeklopft. Das war wirklich eine sehr intensive Angelegenheit

Wie sehen Sie perspektivisch die Chancen für einen aufgeklärten Islam und Veränderungen?

Verhältnisse können nie ewig bleiben. Wir hoffen sehr, dass junge Leute sich den Film anschauen. Wenn ein Person sich traut, etwas zu anders zu machen, dann kann sie Vorbild sein für andere, das auch zu wagen. Wir sollten anfangen, wieder mehr zu debattieren und nicht nur Meinungen zu postulieren.

Wie kam es zu dem Titel, den man deprimierend oder wütend verstehen kann? 

Wütend! Wir haben sehr lange über den Titel nachgedacht. Im englischen heißt der Film auf Wunsch des Verleihs „A regular woman“ – aber mir gefällt diese wütende Variante bei uns viel besser.

‚Nur eine Frau‘ startet am 9. Mai in den Kinos.