»Die machen uns vor, es gäbe einen Antichristen, der kommt aus der islamischen Welt« – Kreator

Kreator ist eine der ältesten und erfolgreichsten deutschen Thrash Metal-Bands. Das 2012 erschienene Studio-Album »Phantom Antichrist« stieg auf Platz 5 in den Deutschen Charts ein – die höchste Platzierung in der Geschichte der Band aus Essen. Mille Petrozza, Sänger und Gitarrist, ist das Mastermind von Kreator und einer der prominentesten Köpfe der Szene.

Anstatt sich den Klischees des pöbelnden Suffkopfes hinzugeben, um bei Fans Sympathie und Authentizität zu ergaukeln, engagiert er sich lieber als Tierschützer und politisch interessierter Aufklärer.  Was Politik, Medienmanipulation und ruhige Einschlafmusik mit Trash-Metal zu tun haben, erklärt Mille Petrozza im Interview.

Was bedeutet euch Platz 5 in den deutschen Charts nach 26 Jahren Bandgeschichte? Die Charts-Position ist uns gar nicht so wichtig. Die können viele Leute erreichen, wenn alle Fans gleichzeitig zuschlagen. Wichtiger ist, dass die Leute, die das Album kaufen, dann auch zufrieden sind. Dann verkauft sich das Album länger und bleibt auch länger in den Charts. Bei uns hat es ganz gut geklappt. 

Härtester Thrash landet in den Top Ten – ist Metal heute gesellschaftsfähig geworden? Natürlich ist Trash-Metal wie viele andere Subkulturen im Mainstream angekommen. Es ist heute überhaupt nicht mehr so gefährlich Metaller zu sein, wie in den 80ern. Das heißt aber nicht, dass man sich anpassen sollte, sondern im Gegenteil noch mehr Extreme zu vermitteln. Es geht darum, Metal weiterhin relevant und aufregend zu halten. 

Es ist bemerkenswert, dass bei Kreator seit den 80ern sehr konkret auch über politische Themen gesungen wird. Worum geht es auf »Phantom Antichrist«? Beim Titelsong geht es um Medienmanipulation im weitesten Sinne. Der Titel hört sich fast schon satanisch an, aber es ist nichts Religiöses! Es geht um die Macht der Medien über die Ängste der Menschen. Die machen uns vor, es gäbe einen »Antichristen«, der kommt aus der islamischen Welt, bringt uns alle um und bedroht unsere westliche Welt. Ängste werden geschürt. Ich denke, dadurch werden ganze Bevölkerungsschichten auch hier in Deutschland diskriminiert. 

Gehören Musik und Politik für dich zusammen? Ich finde politische Botschaften im Grunde genommen langweilig, plakativ und doof. Wir haben aber einen ganz guten Weg gefunden, sie in ein Metalgewand zu packen, ohne die predigende Haltung einzunehmen. Der Song »Civilizations Kollapse« über den Untergang der Menschheit ist viel krasser als ein Text über irgendeine mythische Schlacht, denn das ist der reale Horror, der da stattfindet. 

Laut einer Statistik von 2011 gibt es in Berlin über 300 Metal-Bands. Welche Strategien sollten Nachwuchsbands heute verfolgen, um bei der Masse wahrgenommen zu werden? Aufmerksamkeit sollte man als Band sowieso nie anstreben. Man sollte immer versuchen, musikalisch und textlich anders zu sein, und sich einen Stil zu erarbeiten. Das hört sich jetzt auch wieder wie ein Klischee an, aber es ist wichtig,  dass man versucht, man selbst zu bleiben. Um anderen Leuten zu gefallen, Dinge machen, die man nicht will, ist der falsche Weg.

Was läuft bei euch im Tour-Bus für Musik? Hartes Geknüppel? Nee, ach. Ich höre Musik im Bus mit Kopfhörer. Und das ist dann meistens eher was Entspannendes zum Einschlafen. Aber überhaupt keinen Metal, da muss ich die Leute enttäuschen. Dead Can Dance, The XX und so ruhige Sachen – das brauche ich zum Runterkommen. 

Das Interview mit Miland »Mille« Petrozza, dem Sänger und Gitarristen von Kreator, führte [030] MItarbeiter Jens Fischer im November 2012

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