Simon Barth entwirft Einzelstücke. Alle in stundenlanger Handarbeit gefertigt. Gegründet hat er sein Label in Berlin. Doch dann verließ er die Stadt, um sich mit seinen Kreationen an einem anderen Ort zu etablieren.
Aufwendige Stickereien, das Verwenden von zarten Stoffen wie Crêpe Georgette oder Seideorganza und der Einsatz von französischer Spitze. Oft in mühevoller Kleinarbeit gefertigt. Kleider bestehend aus mehreren Hundert Stunden Arbeit. So wie die Entwürfe seiner aktuellen Kollektion „Seduction“. Beim Entwerfen denkt er oft an Sara. Sein Lieblingsmodel aus Berlin. „In meinen Kleidern findet bei ihr die Transformation aus der perfekt auf den Punkt gebrachten Grazie und Eleganz statt“, sagt er. „Eine Mischung aus Grace Kelly und Nicole Kidman.“ Die Entscheidung, den Fokus seiner Arbeit auf den Bereich der Couture zu legen, war ihm bereits früh klar. Dabei kann er das volle Spektrum an Mode, Stil und Epochen miteinander vereinen. Außerdem gibt es keine Regeln und Normen.
Geboren wurde Barth in Freilassing und wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe von Berchtesgaden auf. Eine Ausbildung zum Maßschneider hat er absolviert. Danach Modedesign an der Esmod in München studiert. Als Kind nähte, und entwarf er Kleider für Barbies und Puppen. „Spätestens mit sechs, als ich meine erste Vogue in der Hand hielt, wusste ich, dass ich Kleider entwerfen wollte“, erinnert er sich. Seine Entwürfe zeigen ebenso, wie detailverliebt der 36-jährige Designer ist. Viele Perlen und Swarovski Steine schmücken seine Designs. Er sieht sich dabei oft als eine Art Konditor, bei dem der Kuchen erst gebacken wird und anschließend in die Patisserie gelangt. „Durch die Stoffbearbeitung und die Stickerei bekommen die Entwürfe ihre Magie“, erklärt er. Nach Berlin führte ihn der Drang nach Abenteuer und Freiheit. In der deutschen Hauptstadt wollte er das Fundament für seine Marke legen. Doch schnell stellte er fest, dass sein Plan so nicht funktionierte. „In Berlin musste ich an Modeblogs Geld zahlen, um einen Bericht zu kommen oder die Leute mit Goodies abfüttern, um mir Gehör zu verschaffen“, erinnert er sich. Seiner Ansicht nach gibt es in Berlin so viele bunte Vögel und Künstler und es ist oft schwer, eine klare Linie zwischen Trash und wahrer Kunst zu ziehen. „Ich wollte mich einfach nicht damit abfinden, dass meine Entwürfe einsam und traurig im Atelier hängen“, sagt er. Daraufhin verließ er Berlin und setzt seine Arbeit im Nachbarland Österreich fort. Genauer gesagt in Wien.
Zwischen Kreativität und Kapital
„Es gibt hier definitiv die Klientel und die Bereitschaft für Couture und Maßanfertigungen Geld zu bezahlen“, sagt er. Für ihn ist Wien eine internationale und geschäftige Metropole, die durch seine Kultur, Bälle und Veranstaltungen eine Tradition und Authentizität besitzt, die er zuvor noch nicht erlebt hat. Sich über die Grenzen des eigenen Landes einen Namen zu machen, versuchten auch andere Modemacher in der Vergangenheit und beschlossen, die deutsche Hauptstadt zu verlassen. Oliver Lühr und Thomas Bentz verlagerten den Firmensitz ihres Labels Achtland von Berlin nach London. Gegründet haben sie ihre Marke 2011. Die Presse lobte ihre Kollektionen. Christiane Arp von der deutschen Vogue lud sie in den Vogue Salon ein, um zwischen Modemachern und Einkäufern zu vermitteln. Und doch verkündeten sie im November letzten Jahres, dass die Kollektion für Frühling/Sommer 2016 nicht in Produktion gehen wird. „Wir haben eine Reihe von selbst gesteckten Zielen bislang nicht erreicht und daher beschlossen, dass es nun an der Zeit ist, das Konzept von Achtland grundsätzlich zu überdenken“, sagte Thomas Bentz als Begründung für die kreative Pause. Für Barth ist und bleibt es schwer in der Mode Fuß zu fassen. „Die großen Karrieren von Yves Saint Laurent oder Christian Dior sind eh vorbei und jeder muss für sich selbst beantworten, in welchem Umfang er sein Label auf längere Zeit sehen oder etablieren möchte“, sagt er. In Berlin gibt es seiner Meinung nach zu wenig Kapital und zu viele kreative Köpfe und Projekte, die sich dann doch schnell in Schall und Rauch auflösen. Was ihn immer geärgert hat, war diese coole Attitüde, die sich die Leute angeeignet haben und nicht mehr merkten, dass sie sich selbst damit unter Druck setzen. „Berlin hat sicher seinen eigenen Stil, aber mir war es oft zu trashig und die Zahl an Kreativen und Künstlern hat sich oft selbst die Luft zum Atmen genommen“, denkt er zurück.
Dennoch bleibt Berlin für junge Modemacher attraktiv. Die Stadt bietet günstige Mieten, Fördermittel und einige Stipendien. Und viele Designer, die sich hier behaupten und etablieren wollen. „Für mich war Berlin eine wilde Insel, eine Art Nimmerland ohne Regeln und Normen, die einerseits viele Impulse geben kann und andererseits extrem blockiert“, stellt Simon fest. Sein Label gründete er hier, weil er große Träume und Pläne hatte. Auch wenn es schwer war, ist er selbst wenig Kompromisse eingegangen. „Ich gehöre zu den Menschen, die für ihre Visionen wenig Kompromisse zulassen und denen es wichtig ist, auch ohne finanzielles Polster nie den Mut und den Glauben an die eigene Arbeit zu verlieren“, betont er. Gerne hätte er sich in Berlin mehr erfüllt, wenn er hätte können. „Eine geschmackvolle Präsentation meiner Kleider im edlen Ambiente, wie in den früheren Couture Salons mit entsprechenden Kundinnen und im intimen Rahmen“, sagt er.
Oberflächlichkeit als Fundament
Mit dem Schritt, seine Arbeit in anderen Ländern zu zeigen, steht Simon nicht alleine da. Das deutsche Label Talbot Runhof zeigt seine Kollektionen seit Jahren auf der Fashion Week in Paris. Oder Alexandra Fischer-Roehler und Johanna Kühl von Kaviar Gauche. Sie zeigen ihre Entwürfe abwechselnd in Deutschland oder Frankreich. Ein Newcomer, was Design aus Deutschland angeht, ist Demna Gvasalia. In Georgien geboren und ab 2000 in Düsseldorf aufgewaschen. Sein Label Vetements gründete er zusammen mit anderen Modemachern in Paris. Darüber hinaus stellte Balenciaga ihn als Nachfolger von Alexander Wang ein. Allesamt Modedesigner mit deutschem Hintergrund, die sich mit ihrer Arbeit abseits des deutschen Marktes einen Namen machen konnten. Doch das sind nur einige wenige Designer. Auch wenn es in Berlin die Fashion Week gibt, existieren viele Labels und Marken der ersten Stunde nicht mehr. Rückblickend liegt das für Simon oft daran, dass in Berlin alles cool ist oder sofort in oder out. Das geht auch über die Grenzen der Mode hinaus und kann sich um eine Partylocation oder eine Biermarke handeln. „In der Quintessenz ist das sehr oberflächlich und hat meiner Meinung nach wenig Fundament, sich damit auf langfristige Sicht zu etablieren“, sagt er.
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Es bleibt schwierig
Für Barth und seine Arbeit hatte der Umzug von Berlin nach Wien viele positive Aspekte. „Es war zwar ein Umzug ins Blaue und ohne Kontakte und Anlaufstellen, aber bereits nach drei Wochen hatte ich meinen ersten großen Auftrag“, erinnert er sich. Was folgte, waren viele Presseberichte, Veröffentlichungen, Ausstellungen und Präsentationen. Dennoch bleibt Wien auch modetechnisch ein schwieriges Pflaster für ihn und ist mit sehr viel Arbeit und Engagement verbunden. In Wien ist alles ein wenig anders. Was sich im Gegensatz zu Deutschland unterscheidet, ist, dass die Frauen bereit sind, ein maßgefertigtes Kleid zu kaufen. „Die Damen der Wiener Gesellschaft wollen toll aussehen und einzigartige Stücke für den Opernball, eine Traumhochzeit oder ein Society-Event in Kitzbühel tragen“, stellt er fest. Seine Entwürfe konnte er inzwischen auf der Vienna Fashion Week präsentieren. Seine Erfahrungen aus Berlin möchte er nicht missen.
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Für ihn war es eine wichtige Etappe in seinem Leben. „Ich habe dort sehr intensiv an meinen Kreationen gearbeitet und mein handwerkliches Geschick gesteigert und optimiert“, erinnert er sich. Aktuell ist es für ihn wichtig, sich einen kleinen aber feinen Kundenstamm aufzubauen. „Ich setze mich da aber nicht unter Druck und nehme mir nicht vor, eine internationale Karriere oder ein Unternehmen zu schaffen“, sagt er. Gerade der Markt der Bridal Couture ist für ihn inzwischen sehr wichtig geworden. Ein Grund, warum er jetzt vermehrt lange Kleider fertigt. All das war in Berlin nicht möglich. Auf die Frage, was Berlin für junge Modemacher anders machen könnte, hat er keine Antwort. „Ich habe mir nie wirklich Gedanken dazu gemacht und bin einfach gegangen, als ich merkte, in Berlin geht es für mich nicht weiter“, sagt er. Für ihn gibt es diesbezüglich auch keine allgemeingültige Antwort, sonst wäre er vielleicht noch hier. – Text: Johannes Paul Döbler