Fotografie ist weit mehr als das Festhalten eines Moments – sie ist ein Spiegel gesellschaftlicher Realitäten, ein Mittel der Reflexion und ein Werkzeug zur Veränderung. Doch wer bestimmt, welche Perspektiven gezeigt werden? Welche Geschichten erzählt werden?
Der Female Photoclub setzt genau hier an und stellt mit der Ausstellung „Invisible Lines – Reflexionen der Gegenwart“ im Rahmen des European Month of Photography (EMOP) Berlin 2025 zentrale Fragen zu Sichtbarkeit, Machtstrukturen und den oft unsichtbaren Linien unserer Gesellschaft.
Der Female Photoclub – Eine Plattform für Veränderung
Die Fotografiebranche ist nach wie vor von Ungleichheiten geprägt: Männliche Fotografen dominieren in Ausstellungen, Auftragsvergaben und Publikationen. Frauen und nicht-männliche Fotokünstlerinnen werden seltener berücksichtigt, obwohl ihre Arbeiten ebenso kraftvoll, relevant und innovativ sind. Der Female Photoclub wurde gegründet, um genau diese Missstände anzugehen. Mit einem starken Netzwerk fördert der Club Fotografinnen und nicht-binäre Künstlerinnen, schafft Raum für Austausch und setzt sich aktiv für mehr Diversität in der Branche ein. Durch Ausstellungen, Mentoring-Programme und öffentliche Debatten will der Female Photoclub die festgefahrenen Strukturen aufbrechen und für eine gleichberechtigtere Zukunft sorgen.

„Invisible Lines“ – Fotografie als Werkzeug der Reflexion
Mit der Ausstellung „Invisible Lines – Reflexionen der Gegenwart“ bringt der Female Photoclub diese Mission auf eine künstlerische Ebene. 28 Fotokünstler*innen haben sich mit den sichtbaren und unsichtbaren Linien unserer Zeit auseinandergesetzt – seien es gesellschaftliche Grenzen, persönliche Erfahrungen oder die Barrieren in unseren Köpfen. Die Ausstellung hinterfragt, wer in unserer Gesellschaft gesehen wird und wer im Verborgenen bleibt. Sie zeigt Fotografien, die aufbrechen, irritieren und hinterfragen – Bilder, die den Blick über das Offensichtliche hinaus lenken und neue Erzählweisen zulassen.
Die Künstlerinnen im Fokus
Hier geht es nicht nur um eine Ausstellung. Es geht um die Stimmen, die lange überhört wurden. Die Perspektiven, die endlich die Sichtbarkeit bekommen, die sie verdienen. Diese Künstlerinnen zeigen, dass Fotografie Macht bedeutet – die Macht zu erzählen, zu enthüllen, zu hinterfragen und zu verändern.
Victoria Kämpfe zeigt in ihrer Arbeit „The American Dream“ Bilder, die sinnbildlich für den Bruch und Zerfall des amerikanischen Mythos‘ stehen, der durch die junge Trump-Regierung weiter demontiert wird.
Ein alternatives politisches Thema behandelt Chiara Dazi mit ihrer Arbeit „Transpunere“. Ihre Reportagereihe zeigt symbolisch den Clash zwischen Russland und der EU, als zwei nicht kompatible Systeme, am Beispiel unterschiedlicher Zuggleisnetze, die zwischen Rumänien und der Republik Moldau aufeinandertreffen.
Die Arbeit „It is the aura of my fingers that sees the egg“ von Ana Maria Sales Prado setzt sich die Fotografin mit ihrer eigenen Herkunft auseinander, die nicht der deutschen Mehrheitsgesellschaft entspricht.
Eine alternative Arbeit zum Thema Migration kommt von Simone Wenth mit „Blurred Line Hard Cut“. Ihre Bilder untersuchen, wie Landesgrenzen die eigene Identität und Wahrnehmung beeinflussen und prägen.
Catherine Lieser reflektiert in ihrer Arbeit „Gazing Woman“ den Male Gaze – die männliche Perspektive auf Frauen und die Welt in Kunst, Fotografie und darüber hinaus. Sie kehrt die traditionellen Rollen um, indem sie Personen als Objekt der sexuellen Begierde in selbstbestimmten Porträts inszeniert. Die Abgebildeten haben selbst entschieden, ob und was sie tragen, wie sie posieren und aus welcher Perspektive sie fotografiert werden. Ihre Arbeit hinterfragt nicht nur die tradierten Sehgewohnheiten, sondern gibt den Dargestellten die Kontrolle über ihre eigene Darstellung zurück.
Isabel Kessler portraitiert schwangere Frauen und verbindet in ihren Fotos Stärke, Verletzlichkeit und Authentizität. Vor allem zeigt sie diesen Prozess in nicht-romantisierenden Bildern und regt damit an über den Wert und Ursprung des Lebens nachzudenken.

Warum diese Ausstellung wichtig ist
„Invisible Lines“ ist nicht nur eine künstlerische Auseinandersetzung, sondern ein Statement: Die Fotografie braucht neue Perspektiven, neue Stimmen und neue Narrative. Gerade in einer Zeit, in der gesellschaftliche Umbrüche und digitale Bilderfluten unsere Wahrnehmung prägen, ist es entscheidend, dass auch die Arbeiten von Frauen und nicht-binären Fotokünstler*innen die Anerkennung erhalten, die sie verdienen. Der Female Photoclub und die Ausstellung im Rahmen des EMOP Berlin 2025 zeigen eindrucksvoll, dass Fotografie nicht nur dokumentiert, sondern auch verändern kann. Sie fordern auf, genau hinzusehen – auf die Linien, die uns trennen, aber auch auf jene, die uns verbinden. Mehr Frauen an die Macht. Mehr Sichtbarkeit für ihre Kunst. Und eine Zukunft, in der jede Perspektive zählt.
Auf einen Blick:
Titel: “Invisible Lines – Reflexionen der Gegenwart”
Finissage: So, 23.03.25 um 19.00 Uhr
Dauer: 16.03. – 23.03.25
Ort: Alte Münze Berlin, Molkenmarkt 2, 10179 Berlin
Öffnungszeiten: Mo – Do 14:00 – 19:00 Uhr, Fr 14:00 – 21:00 Uhr, Sa 12:00 – 21:00 Uhr, So 12:00 – 19:00 Uhr
Führungen: Von Montag, 17.03. bis Freitag 21.03.25 , täglich um 17.00 Uhr
Fotograf*innen:
Katerina Andriuscenco, Kseniia Apresian, Anne Barth, Cherie Birkner, Natalia Carstens, Chiara Dazi, Samantha Dietmar, Marie Eberhardt, Marlene Gawrisch, Veronika Hubert Natter, Maren Katerbau, Isabell Kessler, Su Kim, Annette Koroll, Astis Krause, Andrea Kueppers, Victoria Kämpfe, Catherine Lieser, Mar Martín, Silke Mayer, Stephanie Neumann, Julia Otto, Ana Maria Sales Prado, Alena Schmick, Jordana Schramm, Gudrun Senger, Dorothea Janina Wagner, Simone Wenth