Geschlechtskrankheiten, Verhütung

Geschlechtskrankheiten | Ansteckungen steigen: Neue Ansprüche an den Schutz vor STIs

Mit Medikamenten wie PrEP ist ein medizinischer Durchbruch gelungen, der der AIDS-Panik ein Ende gemacht hat. Das lässt auch die Berliner Nachtszene aufatmen. Anders als man es vermuten könnte, heißt das aber nicht, dass ungeschützter Sex sicherer geworden ist. Im Gegenteil ist diese Entwicklung sogar daran beteiligt, dass nun mehr Menschen an Geschlechtskrankheiten erkranken. Auch vermeintlich harmlosere Erkrankungen können dabei schwere Folgen haben.

Dieser Artikel ist ein Plädoyer für den sicheren Sex und verantwortungsbewussten Umgang mit Sex ohne Schutzmaßnahmen.

Die Ironie des Fortschritts

Weltweit feiern Menschen den Sieg im langjährigen Kampf gegen eine der gefürchtetsten Geschlechtskrankheiten unserer Zeit. Dank Pre-Expositions-Prophylaxe (PrEP) können sich Menschen heute bereits vor dem Geschlechtsverkehr mit einer mit HIV infizierten Person vor der Ansteckung schützen, auch wenn dabei Körperflüssigkeiten ausgetauscht werden.

  • Genau dieser Fortschritt birgt eine ironische Wendung: Da die Angst vor HIV abnimmt, scheint das Bewusstsein für andere Geschlechtskrankheiten ebenfalls zu schwinden.

Weil sich Menschen durch die Einnahme von PrEP gegen HIV geschützt fühlen, lassen viele andere Vorsichtsmaßnahmen, insbesondere die Verwendung von Kondomen, häufiger außer Acht. Die Einstellung „Ich bin vor HIV geschützt, also warum sollte ich mir Sorgen machen?” kann aber fatal sein, da sie das Risiko anderer Infektionen ignoriert.

  • PrEP bietet keinen Schutz vor STIs (engl.: Sexually Transmitted Infections) wie Chlamydien, Gonorrhoe, Syphilis oder HPV.

Auch durch weniger gefährliche Infektionen, wie Trichomonaden, können aber lebensgefährdende Folgen, wie Gebärmutterhalskrebs durch Geschlechtskrankheiten, entstehen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Berliner Nachtszene diese Botschaft versteht und sich weiterhin umfassend schützt – nicht nur vor HIV, sondern vor allen Geschlechtskrankheiten, und natürlich der ungewollten Schwangerschaft.

Infektionszahlen steigen Deutschlandweit

Wer sich mit der kulturellen Weltgeschichte auskennt, kennt Krankheiten wie Syphilis von vielen berühmten Autoren und Künstlern der Vergangenheit. Von Oscar Wilde über Heinrich Heine bis hin zu Beethoven oder Baudelaire wird bei vielen Persönlichkeiten vergangener Epochen spekuliert, dass sie sich mit der “Lustseuche” infiziert haben und teilweise sogar daran gestorben sind.

Was erschreckend ist: Die Krankheit ist kein Relikt der Vergangenheit mehr. Zahlen des Robert Koch Instituts zeigen, dass Fälle von Syphilis und Tripper (Gonorrhoe) in unserer modernen Zeit immer häufiger auftreten.

  • 2001 lag die Inzidenz von Syphilis-Ansteckungen in Deutschland noch bei 2,42 Fällen pro 100.000 Menschen.
  • 2019 ist diese Zahl bereits auf eine Inzidenz von 9,54 pro 100.000 Personen gestiegen.

Deshalb gibt es nun neue Ansprüche an den sicheren Geschlechtsverkehr, der nicht mehr hauptsächlich vor AIDS schützen muss, sondern den Fokus auf andere STIs verschiebt.

[Infografik]

Die häufigsten Geschlechtskrankheiten

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Insgesamt gehören Chlamydien, Genitalherpes, Syphilis, Tripper und eine HPV-Infektion zu den in Deutschland am häufigsten auftretenden Geschlechtskrankheiten. Gegen sie muss sich effektiv geschützt werden.

Chlamydien

  • Erreger: Das Bakterium Chlamydia trachomatis.
  • Übertragung: Hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr, aber auch von einer infizierten Mutter auf ihr Kind während der Geburt.
  • Symptome: Häufig keine, was die Verbreitung begünstigt. Mögliche Symptome sind Ausfluss, Jucken, Brennen beim Wasserlassen und Schmerzen im Beckenbereich.
  • Komplikationen: Unbehandelt können Chlamydien bei Frauen zu Entzündungen der Beckenorgane und Unfruchtbarkeit führen. Bei Männern kann es zu Epididymitis, einer Entzündung des Nebenhodens, kommen.
  • Behandlung: Antibiotika, meist Doxycyclin oder Azithromycin.

Genitalherpes

  • Erreger: Verursacht durch das Herpes-Simplex-Virus, meist Typ 2 (HSV-2), seltener durch HSV-1.
  • Übertragung: Durch direkten Kontakt mit infizierten Hautstellen oder Körperflüssigkeiten, besonders während eines aktiven Ausbruchs.
  • Symptome: Schmerzhafte Bläschen im Genitalbereich, Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl beim ersten Ausbruch. Die Symptome können bei wiederholten Ausbrüchen milder sein.
  • Komplikationen: Während Ausbrüchen kann das Virus leichter übertragen werden. Bei Schwangeren kann das Virus während der Geburt auf das Neugeborene übertragen werden.
  • Behandlung: Genitalherpes ist nicht heilbar. Es gibt aber antivirale Medikamente, die einen aktiven Ausbruch verkürzen und die Symptome lindern können.

Syphilis

  • Erreger: Das Bakterium Treponema pallidum.
  • Übertragung: Durch Geschlechtsverkehr, aber auch durch Blutkontakt und von einer infizierten Mutter auf ihr Kind während der Schwangerschaft.
  • Symptome: Unterschiedliche Stadien mit unterschiedlichen Symptomen, von Geschwüren bis zu Hautausschlägen und systemischen Symptomen.
  • Komplikationen: Unbehandelt kann Syphilis zu schweren Gesundheitsproblemen wie Herz-Kreislauf- und Nervensystemerkrankungen führen.
  • Behandlung: Antibiotika, meistens Penicillin.

Tripper (Gonorrhoe)

  • Erreger: Das Bakterium Neisseria gonorrhoeae.
  • Übertragung: Durch Geschlechtsverkehr.
  • Symptome: Bei Frauen Ausfluss und Brennen beim Wasserlassen, bei Männern eitriger Ausfluss und Schmerzen beim Wasserlassen.
  • Komplikationen: Kann bei Frauen zu Entzündungen des Beckens führen und Unfruchtbarkeit verursachen.
  • Behandlung: Antibiotika, wie Ceftriaxon und Azithromycin.

HPV-Infektion

  • Erreger: Humane Papillomviren mit über 200 Varianten.
  • Übertragung: Durch Geschlechtsverkehr, auch durch Haut-zu-Haut-Kontakt.
  • Symptome: Manchmal keine, kann aber zu Feigwarzen führen.
  • Komplikationen: Bestimmte HPV-Typen können Krebs verursachen, insbesondere Gebärmutterhalskrebs.
  • Behandlung: Die Warzen können entfernt werden, aber das Virus bleibt oft im Körper. Vorbeugend kann eine Impfung gegen die gefährlichsten HPV-Typen durchgeführt werden, im besten Fall bevor die Person sexuell aktiv war.

Trichomoniasis

  • Erreger: Der Parasit Trichomonas vaginalis.
  • Übertragung: Meistens durch Geschlechtsverkehr, insbesondere ungeschützt & vaginal.
  • Symptome: Viele Infizierte zeigen keine Symptome. Frauen können grünen oder gelblichen vaginalen Ausfluss, Jucken und Brennen im Genitalbereich, sowie Schmerzen beim Wasserlassen oder Geschlechtsverkehr erleben. Männer können leichten Ausfluss oder leichten Brennen nach dem Wasserlassen oder Ejakulieren verspüren.
  • Komplikationen: Trichomoniasis erhöht das Risiko für Gebärmutterhalskrebs und eine HIV-Übertragung. Bei Schwangeren kann sie eine frühzeitige Geburt auslösen.
  • Behandlung: Ein Antibiotikum, meistens Metronidazol oder Tinidazol.

Die Aufklärung über diese Geschlechtskrankheiten und ihre potenziellen Risiken, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten ist unerlässlich, um die Verbreitung zu verhindern und ein gesundes Sexualleben zu führen.

Effektiver Schutz vor Geschlechtskrankheiten

Der beste Weg, um sich vor Geschlechtskrankheiten zu schützen, ist, informiert zu sein und proaktive Maßnahmen zu ergreifen. Hier sind einige Schlüsselstrategien, um das Risiko einer Infektion zu minimieren:

  1. Kondomgebrauch: Kondome und Dental Dams sind das effektivste Mittel, um das Risiko einer Übertragung von STIs während des Geschlechtsverkehrs zu reduzieren. Sie bilden eine physische Barriere, die verhindert, dass infizierte Körperflüssigkeiten ausgetauscht werden.
  2. Regelmäßige Tests: Regelmäßige medizinische Untersuchungen und Tests auf STIs sind für sexuell aktive Personen wichtig. Dies gilt besonders, wenn man den Partner wechselt oder mehrere Partner hat. Je mehr man über den aktuellen Gesundheitszustand weiß, desto besser kann man sich und andere schützen.
  3. Impfungen: Einige Geschlechtskrankheiten, wie HPV, können durch Impfungen verhindert werden. Es ist ratsam, sich über die verfügbaren Impfstoffe zu informieren.
  4. Kommunikation: Ein offener Dialog mit dem Partner über Geschlechtskrankheiten, Testergebnisse und sexuelle Vorgeschichte ist entscheidend. Hier muss ehrlich und klar über Ansprüche und Grenzen kommuniziert und die Bedürfnisse des Partners respektiert werden.

Um effektiv vor Geschlechtskrankheiten geschützt zu sein, muss man nicht monogam leben. Auch Personen, die ihre Sexualität mit mehreren und wechselnden Partnern ausleben, können dabei sicher vorgehen, wenn sie dabei auf die Umsetzung der oben genannten Tipps achten. So kann sorgenfreier Sex in seinem vollen Umfang genossen werden.

Fazit

Während wir uns über die Einführung von PrEP und die Dämpfung der HIV-Angst freuen, dürfen wir die Augen nicht vor der Zunahme anderer Geschlechtskrankheiten verschließen. Die Euphorie dieses medizinischen Durchbruchs hat manchen von uns in eine trügerische Sicherheit gewiegt. Andere Geschlechtskrankheiten, wie Syphilis und Tripper, treten heute mit schnell ansteigenden Zahlen wieder auf. Es ist höchste Zeit, das Bewusstsein für den Schutz vor STIs wieder aufleben zu lassen, besonders in der Nachtszene von Berliner Sexpartys und Co. Die Freiheit und Freude des sexuellen Ausdrucks sollte nicht von vermeidbaren Gesundheitsrisiken überschattet werden. Lasst uns sicherstellen, dass Safe Sex weiterhin das wahre Sexy bleibt!

Foto: Unsplash