Das Staatsballett startet mit einem neoklassischen Choreografie-Doppel in das Jahr. Unter dem Titel „Maillot | Millepied“ stellen der Black Swan-Choreograf Benjamin Millepied und der ehemaligen Neumeier-Solotänzer Jean-Christophe Maillot dem Berliner Publikum ihre Arbeiten vor. Fast schon gediegen wirkt im Vergleich Maillots „Altro Canto“ von 2006. Zu barocken Kompositionen flitzen die Körper durch immer neue Licht- und Schattenspiele von mehr als 200 Kerzen. Der dunkle Bühnenraum ist, davon abgesehen, leer gehalten. Männer tragen Röcke, Frauen Hosen. Mit [030] sprach Maillot, künstlerischer Leiter und Chefchoreograf der Ballets de Monte Carlo, über Geschlechterdualitäten, Karl Lagerfeld und Perfektionismus.

Ein Abend – zwei Stücke. Woher kam die Inspiration dafür?

Benjamin und ich arbeiten beide mit barocker Musik. Die Idee war es, zu sehen, wie zwei Choreografen ihrer unterschiedlichen Wahrnehmung der gleichen Musik Ausdruck verleihen können. 

Die Kompositionen stammen von Monteverdi, Marini und Kapsberger. Was lösen diese in Ihnen aus?

Sie bringen mich dazu, über eine Dualität nachzudenken, die in Gesprächen über Tänzer immer da ist. Es gibt die feminine Seite, wenn man über männliche Tänzer spricht,  und die maskuline bei weiblichen. Bei Tänzerinnen geht es immer um eine physische Stärke, bei Männern um das Fragile, das wir – warum auch immer – mit dem Weiblichen verbinden. Mit dieser sehr androgynen barocken Musik wollte ich das thematisieren.

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Jean-Christophe Maillot © Felix Dol

Wie bewerten Sie persönlich derartige Gespräche über die Geschlechterdualität? Ist die Gegensätzlichkeit real existent oder sozial konstruiert?

Ich denke, es gibt biologische Unterschiede und daraus ergebend eine Faszination für das jeweils andere Geschlecht. Das ist alles.

Was bedeutet das für den Tanz?

Die Anziehungskraft beider Geschlechter ist wichtig für den Ausdruck. Man muss sie spüren. 

Wie gehen die Kostüme, die von Karl Lagerfeld entworfen wurden, damit um?

Ich habe ihn gebeten, die Dualität in jeglicher Art zu symbolisieren. Nun tragen einige Frauen Kleider, andere Hosen – einige Männer Korsett, andere T-Shirts. Weniger, um Verwirrung zu stiften, sondern vielmehr, um ein Statement zu setzen.

Das da wäre?

Alles ist möglich. Und dass es dahin gehend keine Wertungen geben sollte. Mir geht es um die Freiheit der Beziehungen: Zwischen Mann und Mann, Frau und Frau und Mann und Frau.

Jean-Christophe Maillot, Ballett, Choreograf, Staatsballett, Deutsche Oper

© Yan Revazov

Wie fügt sich das Bühnenbild in das Stück ein?

Der Rahmen des Bühnenbildes mit all seinen Kerzen passt zur Musik. Für mich hat sie etwas Sinnliches und Spirituelles. Der Schein des Kerzenlichts umgibt die bewegten Körper. Die Licht- und Schattenspiele werden vor allem in der Kombination aus zwei Tänzern, dann vier, acht und schließlich 20 interessant. Ich weiß nicht, warum. Irgendwann erreicht man einen Punkt, an dem sagt: „So muss es sein.“ Obwohl ich immer stundenlänger an allem arbeiten könnte. Die Zeit reicht nie.

Das klingt, als seien sie äußerst perfektionistisch. Würden Sie sagen, man muss ein Perfektionist sein, um in diesem Job zu bestehen? 

Ich glaube nicht, dass es einen Choreografen gibt, der seinen Tanz von der ersten bis zur letzten Minute so gesehen hat, wie er es am liebsten hätte. Es geht immer intensiver. Aber wenn 70 % meiner Vorstellung umgesetzt werden, bin ich zufrieden.

Wenn die Aufführung nicht perfekt ist: Warum sollte ich hingehen?

Weil ich keinen Bullshit erzähle. Das Unperfekte macht den Reiz aus. So ist die Realität – und das ist schön an ihr. Wenn man Lügen will, hört man Trump zu. Und wer bewertet, ob etwas perfekt ist? Das Einzige, was ich garantieren kann, ist, dass die Aufführung lebendig ist und echte Leidenschaft hineingesteckt wurde. Genau das wird man sehen.

Wir verlosen 2×2 Tickets für die Aufführung am 3.2.. Mail mit Betreff "Staatsballett" an verlosung@berlin030.de!

„Maillot | Millepied“: Am 3., 10. und 11.2. sowie am 14. und 13.3 in der Deutschen Oper.

Titelfoto © Yan Revazov