Stephanie Bart Roman Erzählung zur Sache
Stephanie Bart Roman "Erzählung zur Sache" © Marie Pütter

RAF-Geschichte: Der Roman „Erzählung zur Sache“

Die für ihr Buch “Deutscher Meister” (2014) ausgezeichnete Autorin Stephanie Bart veröffentlicht ihr drittes Buch “Erzählung zur Sache”. 

Die Handlung des Buchs dreht sich um den Konflikt zwischen gesellschaftlichen Kräften und individuellem Widerstand und legt den Fokus auf Gudrun Ensslin, ein Gründungsmitglied der RAF (Rote Armee Fraktion). Es handelt sich um eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den turbulenten Ereignissen der damaligen Zeit, die vom Terror geprägt war. Die Geschichte beginnt im Mai 1972 mit einem Bombenanschlag auf das Hauptquartier der US-Army in Heidelberg und begleitet Ensslin während ihrer fünfeinhalb-jährigen Haft bis zu ihrem Tod im Stammheimer Gefängnis im Jahr 1977. Stephanie Bart beleuchtet die Ära des RAF-Terrors, eine Phase in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die den Rechtsstaat in seinen Grundfesten erschütterte. Das Buch bietet einen umfassenden Einblick in Gudrun Ensslins Gedankenwelt, ihre Persönlichkeit und ihre Bedeutung für die RAF. 

Die Person Gudrun Ensslin wurde laut der Autorin bisher stiefmütterlich behandelt. Deshalb hielt sie es für wichtig, diese Perspektive aufzugreifen und Ensslin für sich selbst sprechen zu lassen. Diesen Sound des Widerstands wiederzugeben gelingt Bart, indem sie Originalschriften wie Briefe, Erklärungen und wissenschaftliche Texte komponiert. Es wird völlig widersprüchlich zu der inner perspektivischen Form des Romans und den Quellen der Informationen inhaltlich stark von einer persönlichen Ebene Ensslins weggeführt. Man erfährt wenig über ihr Leben, Hintergründe, Privates oder Schritte bis hin zu ihrer Radikalisierung. Es entsteht somit keine tiefergehende Verbindung der Leser*innen zu der Person Gudrun. 

Stephanie Bart hat während ihrer Arbeit an dem Buch eng mit dem Juristen Prof. Dr. Peter Raue zusammengearbeitet. Er ist spezialisiert auf dem Gebiet des Urheber- und Kunstrechts und engagiert sich aktiv in der Kunst- und Kulturszene. Raue hat den Roman auf seine Richtigkeit geprüft und Inhalte in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen kontrolliert. Bei einem Podiumsgespräch zur Veröffentlichung des Romans sagte Raue: “Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das, was da geschrieben ist, auch passiert ist. Aber das Schlimme ist: Die Dinge sind wahr.” Das Buch ist eine beklemmende Erzählung der Wirklichkeit. Sowohl von den Taten der RAF-Terroristen als auch von der BRD, die in den Grundlagen des Rechtsstaats erschüttert wurde. “Das Buch schildert Dinge, von denen man nicht glaubt, dass sie im Rechtsstaat möglich sind”, so Raue in Bezug auf die Schilderungen der juristischen Prozesse.

“Die Parallelen sind einfach offenkundig da”

Als einen Auslöser der Phase des RAF-Terrors wird die weltweite Studentenbewegung 1968 gesehen, ein Aufstand Funke, der lokal kaum begrenzt war. Die Demonstrationen und Proteste für Frieden und gegen die kapitalistische Weltordnung weiteten sich aus und wurden politisch extremer. 

“Heute ist es auch so, dass die Leute um den ganzen Globus, an verschiedenen Stellen massenhaft protestieren und aufstehen”, gibt Stephanie Bart an. In der Auseinandersetzung mit den Geschehnissen des RAF-Terrors in den 70er bis 90er Jahren bleibt ein Bezug auf aktuelle Ereignisse nicht aus. Laut Informationen des NDR und WDR sind momentan 20 Linksextremist*innen untergetaucht. Diese Zahl war seit Zeiten der RAF nicht mehr so hoch. Dazu kommt, dass der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Klimaaktivisten der Protestgruppe “Letzte Generation” wiederholt als “Klima-RAF” bezeichnet. Welche Parallelen lassen sich also tatsächlich finden?

“Die Parallelen sind einfach offenkundig da. Zum einen auf der Ebene der Ökonomie: Wir hangeln uns von einer Wirtschaftskrise zur nächsten. Dazu kommt das Ökosystem, das zusammenbricht. Und wenn so etwas passiert, ist es völlig unvermeidlich, dass die sozialen Widersprüche zugespitzt werden. Die Krise ist ein Ausdruck davon und dann stehen die Leute auf”, äußert die Autorin Stephanie Bart. Konkret in Bezug auf die Aktionen der “Letzten Generation” erklärt Bart, dass die “Umweltaktivisten, die erklärtermaßen gewaltfreien Widerstand leisten, kriminalisiert werden. Sie sitzen in Gefängnissen und werden verprügelt”. Das man also stark unterscheiden muss ziwschen Aktivismus und Terrorismus, sollte klar sein. 

Eine fordernde Auseinandersetzung mit den Geschehnissen der politisch hochbrisanten Zeit und eine Einladung, sich mit der Perspektive Gudrun Ensslins auseinanderzusetzen. Stephanie Bart möchte den Leser*innen mit ihrem Roman etwas an die Hand geben. “Ich wäre glücklich, wenn die Leute, die das Buch lesen, von sich aus aktiv werden und sich weiterbilden”, erklärt sie.

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