Berlin, Mitte Juli, 30 Grad und ein Adrenalinspiegel zum Niederknien: Das Tempelhofer Feld hatte sich wieder in die größte Elektro-Bühne der Hauptstadt verwandelt. Zwei Tage lang dröhnten keine V8-Boliden, sondern das hochfrequente Surren der schnellsten Stromer der Welt durch die ehemalige Flughafenhalle. Tribünen bebten, Fans drückten sich an den Fangzaun, Kinder winkten mit Fahnen, während die Piloten im Grenzbereich zwischen Präzision und Wahnsinn um jeden Zentimeter kämpften.
Am 12. und 13. Juli 2025 war klar geworden: Die Formel E war nicht mehr nur ein Rennsport-Experiment – sie war das Berliner Sommer-Highlight mit Motorsportgeschichte zum Anfassen. Dem konnte auch ein dramatischer Wetterumschwung nichts entgegensetzen.
Samstag, 12. Juli 2025 – Regen, Spannung, Triumph
Tempelhof glich einem brodelnden Hexenkessel, die Spannung knisterte – und dann setzte Jaguar-Pilot Mitch Evans das Ausrufezeichen. Als Polesetter in einem durch Regen gezeichneten Qualifying behielt er im Nieselregen die Nerven und pulverisierte die Konkurrenz und die Safety-Car-Phasen mit Souveränität. Er überquerte die Ziellinie als Erster – der zweite Saisonsieg für Evans, sein 14. Karrieretriumph und der bejubelte 50. Podestplatz für Jaguar. Hinter ihm sprintete der deutsche Lokalheld Pascal Wehrlein (Porsche) von Startplatz 9 auf Rang 2 – trotz eines kleinen Strafaufschubs –, inklusive Blitzrunde. Edoardo Mortara komplettierte als Dritter das Podium. Ganz anders lief es für Oliver Rowland (Nissan). Er versuchte ein Defensivmanöver, kollidierte mit Stoffel Vandoorne und musste aufgeben – sein erster Ausfall der Saison. Die WM-Entscheidung verschob sich.
Sonntag, 13. Juli 2025 – Emotionen und Historie
Tempelhof kochte erneut – diesmal aber für einen anderen Helden: Nick Cassidy (Jaguar) katapultierte sich von Startplatz 20 auf die oberste Stufe des Podiums – eine sensationelle Aufholjagd. Platz 2 ging an Jake Dennis (Andretti-Porsche), der seinen ersten Mercedes-Podiumsplatz feierte – ein starker Beleg für Andrettis Konstanz. Auf Rang 3 landete Jean-Éric Vergne für DS Penske – die Überraschung des Wochenendes. Doch das größte Kapitel schrieb Oliver Rowland: Mit einem cleveren vierten Platz – trotz Grid-Penalty – holte er den Fahrertitel nach Hause. Zwei Rennen vor Saisonende war der Brite Weltmeister und emotional überwältigt: Im Funk tönte die Stimme seiner kleinen Tochter:
„Daddy, you’re the world champion!“ – und Rowland brach in Tränen aus.
Damit wurde er nicht nur zum 10. Formel-E-Weltmeister, sondern sicherte auch Nissan den ersten Fahrertitel in der Geschichte der Serie.
Berlin-Ergebnisse im Überblick
|
Rennen |
Sieger |
2. Platz |
3. Platz |
Saisontitel |
|---|---|---|---|---|
|
Samstag (Rd 13) |
Mitch Evans (Jaguar) |
Pascal Wehrlein (Porsche) |
Edoardo Mortara (Mahindra) |
– |
|
Sonntag (Rd 14) |
Nick Cassidy (Jaguar) |
Jake Dennis (Andretti-Porsche) |
Jean-Éric Vergne (DS Penske) |
Oliver Rowland (Nissan) sicherte sich WM |
Gänsehaut-Faktor
Gefühlt schwappte die Energie vom Rundkurs direkt in die Berliner Herzen: Regen, Dramen, packende Überholmanöver – ein Motorsport-Lehrstück. Evans feierte seinen zweiten Saisonsieg, Wehrlein zeigte Zähigkeit, doch Rowland lieferte das finale Kapital. Die Craftsman-Art der Strategen mischte sich mit echten Emotionen – die Funkbotschaft seiner Tochter erinnerte daran: Das war nicht nur ein Titel — es war eine Geschichte, menschlich, elektrisierend und zeitlos gelungen.