Adrian Thaws ist eine schillernde Persönlichkeit. Unter dem Künstlernamen Tricky zeigt sich der englische Sänger, Produzent und Labelbetreiber unberechenbar und facettenreich. Lest hier den zweiten Teil des Interviews.
In „Boy“ geht es um deine Jugend. Das ist ein sehr dunkles Kapitel in deinem Leben. Ist Musik für dich eine Kompensation für die schlimmen Ereignisse, die du durchlitten hast?
Das ist mittlerweile ausgeglichen, ich wurde dafür längst entschädigt. Viele gute Dinge sind seitdem in mein Leben gekommen. Ich bin glücklich. Meine Musik klingt heute anders als früher. Für manche Leute mag „Boy“ sehr dunkel klingen, aber mich bringt das nur zum Lachen. An Weihnachten haben ich und meine Brüder unseren Vater aufgezogen, weil er sich nicht mehr an unsere Namen erinnert. Deswegen sage ich auch in Bezug auf meine Mutter, dass ich mich nicht beschweren kann. Ich sehe das nicht mehr als düster an. Mein Leben gibt mir etwas Interessantes, worüber ich schreiben kann. Wenn ich das nicht hätte, würde ich vielleicht über gelbe Unterseeboote schreiben. Ich weiß, eine Menge Leute lieben die Beatles, aber mir ist das egal. Da sind mir The Specials wichtiger. Ich verstehe auch gar nicht, worum es in dem Song „Yellow Submarine“ geht, aber ich verstehe sehr wohl den Song „Concrete Jungle“ von The Specials.
Wenn dein letztes Solo-Album "Adrian Thaws" ein Club und Hip-Hop-Album war, was ist dann dein neues Album “Skilled Mechanics”?
"Adrian Thaws" war nicht wirklich Hip-Hop, aber es kommt dem am nächsten, was ich als Hip-Hop in Erwägung ziehen würde. In diesem Kontext ist “Skilled Mechanics” wohl ein Urban Soul-Album. Einige der Songs sind ziemlich soulful, besonders die Tracks, die ich mit Milo produziert habe. „How’s your Life“ ist so eine Art Anti-Rap-Song. Es geht darum, was aus Rap geworden ist: Der Ruhm, das Geld, die Gewalt. Ich bin ziemlich Old School. Zu meiner Zeit haben die Rapper, die ich favorisiert habe, nicht darüber gerappt, große Autos, Geld und viele Frauen zu haben. Sie haben dir wirklich etwas zu sagen gehabt, sei es politisch oder sozialkritisch. Das ist für mich real.
Deine Solo-Karriere läuft jetzt schon seit über 20 Jahren. Dein Debüt-Album „Maxinquaye“ ist 1995 erschienen. Welchen Stellenwert nimmt „Skilled Mechanics“ in deinem bisherigen Schaffen ein?
Ich denke so nicht. Ich arbeite bereits an meinem nächsten Album, das ich in Russland angefangen habe und jetzt bald zu Ende bringen muss. Und dann will ich an einer neuen EP arbeiten, die im Sommer erscheinen soll. Sobald ich ein Album aufgenommen und gemixt habe, lasse ich es hinter mir und beginne etwas Neues.
Hat „Skilled Mechanics“ für dich nicht eine bestimmte Bedeutung bekommen, als du es geschrieben und produziert hast?
Künstler machen einen Fehler, wenn sie sagen, dass sie die Musik machen: Du machst keine Musik, die Musik macht dich. Ich kann einen Song schreiben. Aber wenn ich ihn dann sechs Wochen später mixe, wird mir erst bewusst, worum es bei bestimmten Punkten geht. So werden die Dinge zu ihrer eigenen Geschichte. Und manchmal hört man etwas zehn Jahre später, und es bedeutet etwas anderes. So ist es mir in L.A. gegangen, als ich einen alten Song von mir im Radio gehört habe. Da hatte ich erst verstanden, worüber ich darin eigentlich spreche. Songs schreiben sich selbst und machen sich selbst zu etwas. Ich glaube nicht, dass Künstler die Musik schaffen. Ich denke, die Musik kreiert den Künstler.
Was bedeutet Musik für dich, abgesehen davon, dass es ein Ventil für deine Kreativität ist?
Musik bedeutet für mich mehr, als nur kreativ zu sein. Es ist mein Leben, wie meine Kinder mein Leben sind. Es ist nicht nur ein Ventil, es ist alles was ich kenne. Ich schreibe Texte, seitdem ich 8 oder 9 Jahre alt bin, auch wenn es nur ein blödes kleines Gedicht ist. Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte, wenn es nicht Musik wäre. Ich kann mich nicht bei einem normalen Achtstundenjob sehen. Das hätte für mich keinen Sinn. Der einzige Grund zu leben, ist meine Familie, sind meine Kinder. Musik ist meine Familie. Als meine Großmutter vor ein paar Jahren gestorben ist, wurde mir erst bewusst, dass sie die einzige Konstante in meinem Leben war, von dem Tag als ich geboren wurde bis zu ihrem Tod. Musik hat für mich den gleichen Stellenwert – sie ist alles für mich.
»Tricky – Skilled Mechanics« erscheint am 22.01. bei False Idols/!K7.
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Foto ©: Mike Hunt