Steinrohner, Modelabel, Berlin, 030 Magazin

Inna Stein und Caroline Rohner sind die Designerinnen hinter dem Modelabel Steinrohner. Mit der Vision hinter ihrer Marke wollen sie eine Gegenbewegung zu der sich immer schneller drehenden Modeindustrie starten.

Einige Entwürfe der aktuellen Kollektion liegen ausgebreitet auf dem Tisch. Die Collage, mit Motiven, die als Inspiration für die aktuellen Entwürfe diente, hängt noch an der Wand. Seit 2013 entwerfen sie hier im zweiten Stock eines Hinterhofs inmitten von Berlin Kreuzberg ihre Mode. „Für Frauen, die ihren Stil schon gefunden haben und sich nicht jeden Morgen neu erfinden wollen“, sagen sie.

Steinrohner, Modelabel, Berlin, 030 Magazin

 Wider dem Zwang. Die Berliner Modedesignerinnen Inna Stein & Caroline Rohner. Foto ©: J. P. Döbler

Inna wurde in Russland geboren. Als kleines Kind kam sie nach Deutschland. Ihre blonden Haare fallen über die Schultern. Die dunkelhaarige Caroline stammt aus der Nähe von St. Gallen in der Schweiz. Die Jacke, die sie trägt, ein Entwurf aus der aktuellen Kollektion. Zwei freundliche junge Frauen Ende 20, denen der Stress der letzten Präsentationen in Berlin und Zürich nicht anzumerken ist. Kennengelernt haben sich beide während des Modedesignstudiums an der Kunsthochschule Weißensee. Im zweiten Studienjahr. Ein damaliges Projekt zum Thema Wiener Kaffeehaus beschäftigte sie zu der Zeit. „Wir konnten mit dem Thema nicht viel anfangen, wussten da aber schnell, dass wir ein ähnliches ästhetisches Empfinden teilen“. Nach dem Besuch in einem traditionellen Kaffeehaus im Grunewald beschlossen sie auf der gemeinsamen Fahrt in der U-Bahn, ein eigenes Label zu gründen. „Als wir zurückgefahren sind, hatten wir ganz viele gemeinsame Ideen“, erinnern sie sich. Ihre Kollektionen nennen sie lieber Editionen. In sich geschlossen, wie eine Art Kunstobjekt, das nicht an Wert verliert. So beschreiben sie es selbst.

Immer mehr, immer schneller

Mit diesem Ansatz wollen sie sich loslösen, von der sich immer schneller drehenden Modeindustrie. „Für uns ist es wichtiger, nachhaltiger im Trend zu denken und wiederkehrende Klassiker anzubieten“, erklären sie ihre Idee. Was sie stört, ist der Zwang, immer mehr und neue Kleidungsstücke zu produzieren. „Das Leben einer Kollektion ist dadurch auf ein halbes Jahr oder weniger beschränkt“, sagen Steinrohner. „Wir wünschen uns, dass unsere Stücke länger als eine Saison getragen werden.“ Bei internationalen Labels geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung. Die Entwürfe lösen sich vermeintlich schneller voneinander ab. Einige Designer verantworten sechs bis acht Kollektionen pro Jahr. Bereits seit einigen Jahren präsentieren große und internationale Labels neben den Kollektionen für Frühjahr und Sommer sowie Herbst und Winter sogenannte Zwischenkollektionen. Diese sollen die Lücke zwischen den Hauptsaisons füllen.

Steinrohner, Modelabel, Berlin, 030 Magazin

Auszüge aus der Steinrohrer Kollektion “Eternal Ice“. Foto ©: Christine Kreiselmaier

Die Folge daraus ist, dass Designer zusätzlichen Druck innerhalb des Entwicklungsprozesses haben. Die Zeiträume zwischen den Präsentationen werden kürzer. Kollektionen und Trends lösen sich schneller voneinander ab. „Selbst wenn wir wollten, könnten wir dem nicht nachkommen, weil wir nicht über die finanziellen Ressourcen einer großen Marke verfügen“, stellen Steinrohner fest. Für sie ist es schon viel Arbeit, zwei Kollektionen im Jahr auf den Markt zu bringen. „Außerdem braucht der Prozess, die Geschichten, die wir mit unseren Entwürfen erzählen, Zeit“

Zu wenig Zeit und Druck

Die Präsentation, im Rahmen einer Installation während der Berlin Fashion Week vor einigen Wochen, kam gut beim Publikum an sagen sie. „Uns ging es darum, die Geschichte hinter der Edition zu erzählen und den Besuchern die Möglichkeit zu geben, sich Zeit für die Betrachtung und das Design zu nehmen“, erklären sie die Idee hinter „Eternal Ice“. Einen Einblick in den Entwicklungsprozess einer Kollektion unter Zeitdruck konnte der Dokumentarfilm „Dior und ich“ aus dem Jahr 2015 geben. Dieser begleitete den Belgier Raf Simons bei der Entwicklung seiner ersten Haute Couture Schau für das Traditionshaus. Zu diesem Zeitpunkt hatte er acht Wochen Zeit, die Kollektion fertigzustellen. Am Ende: ein zitternder, in Tränen aufgelöster Modemacher. Scheinbar froh, dass all die Anspannung der vorangegangenen Wochen nach der Show von ihm abgefallen ist. Für Inna und Caroline entsteht der Druck, den der Designer hat dadurch, dass er ein großes Haus präsentiert. Er steht im direkten Vergleich zu der Traditionsmarke selbst. „Wir entwerfen für unser Label und haben allein die Verantwortung, für das, was uns als Label repräsentiert“, sagen sie. Doch nicht nur Zeit, sondern auch der damit verbundene Kreativitätsdruck scheinen selbst für renommierte Designer eine Belastung zu sein. Raf Simons verabschiedete sich Ende letzten Jahres von Dior. Trotz Kollektionen, die von Einkäufern und Modejournalisten gelobt wurden.

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Über die Last, Verantwortung über so viele Kollektionen zu übernehmen, sprach er in der Vergangenheit mit der Modekritikerin Cathy Horyn im System Magazin. „Wenn man sechs Shows im Jahr macht, ist nicht genug Zeit für den ganzen Prozess“, sagte er in diesem Gespräch. Allgemein scheint diese Situation für Designer schwierig zu sein. Einerseits sollen die Erwartungen an die Arbeit erfüllt werden, anderseits die Interessen des Kunden und deren Nachfrage berücksichtigt werden. „Das Potenzial der Designer bei so vielen produzierten Kollektionen ist schnell ausgeschöpft“, sagen Steinrohner. Ob die vorhandene Inspirationsquelle schon bestehende Designs sind, ist den Kollektionen oft anzusehen. „Je mehr Zeit in den Rechercheprozess gesteckt wird, umso ausgefeilter und runder ist das Design am Ende“, stellen sie für sich fest.

Konflikte aufgrund von Schnelllebigkeit

Die Möglichkeit, sich diese Zeit zu nehmen findet Raf Simons häufig nicht. „Ich habe jeden Tag einen festen Zeitplan und jede Minute ist gefüllt“, sagt er weiterhin im Interview. Das Mehr an Kollektionen kommt gut bei den Kunden an. Einige Labels machen damit bis zu 70 Prozent ihres Umsatzes. Die Designs sind häufig tragbarer und kommerzieller. Dadurch kann eine größere Anzahl von Kunden angesprochen werden. Ein profitables Geschäft für die Modehäuser. So exklusiv wie die Entwürfe, sind ebenso die Austragungsorte. Louis Vuitton präsentierte in der Vergangenheit in Rio de Janeiro. Gucci wird seine kommende Resort-Kollektion in der Westminster Abbey zeigen. „Bei diesem Überangebot entsteht der Konflikt, dass die Qualität und die Langlebigkeit eines Kleidungsstücks an Bedeutung verlieren“, sagen Steinrohner. Für sie gehen die großen Labels damit auf den Wunsch des Kunden ein, immer etwas Neues zu präsentieren. „Auch auf schnelllebige Trends von der Straße oder von Bloggern wird reagiert“, betonen sie. Die Vielzahl an Kollektionen bedeute, dass kleinere Labels es immer schwerer haben, mit den Gewohnheiten des Konsumenten mitzuhalten. „Uns stört der Zwang immer mehr und neue Kleidungsstücke zu produzieren“, sagen Inna und Caroline.

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Dem Überangebot entgegenzuwirken lässt sich für sie nicht leicht beantworten, wenngleich ihrer Meinung nach nichts ins Unermessliche produziert werden kann. „Die ganze Modeindustrie ist ein Kreislauf und an jedem Punkt müssten Veränderungen stattfinden“, sagen sie. „Für uns als Designer selbst gehört viel Mut dazu, gängige Prozesse anders zu gestalten.“ Damit meinen sie, nicht allzu trendorientiert zu arbeiten oder Stoffe zu benutzen, die immer wiederkehren. „Das Bewusstsein für Kleidung muss sich ändern“, ergänzt Caroline. Dieser Grundgedanke findet sich in ihren Entwürfen wieder. Die Resultate liegen hier im Kreuzberger Atelier. Nachempfundene Eiskristalle zum Anstecken. Per Hand gefertigt aus zahlreichen Pailletten. Schneebedeckte Berge, kristallisierte Bäume und die Kälte Russlands als Teil der Inspiration. „Die Kollektionen gewinnen somit an Wertigkeit und sind zeitlos“, sagen sie. „Außerdem wollen wir keine Trends schaffen, von denen man sich mitreißen lässt.“