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»Humor macht schwere Schicksale erträglicher« Interview mit Catherine Hardwicke

Sie arbeitete als Szenenbildnerin für George Clooney bei „Three Kings“ und mit Tom Cruise bei „Vanilla Sky“. 2003 gab Catherine Hardwicke ihr Regiedebüt mit dem Teenager-Drama „Dreizehn“, wofür sie bei Robert Redfords renommierten Sundance Festival prämiert wurde.

Der ganz große Durchbruch folgte 2008 mit der Fantasy-Verfilmung „Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen“, der Hardwicke einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde als erste weibliche Regisseurin mit den höchsten Umsatzzahlen am ersten Wochenende nach Kinostart bescherte. Weltweit brachte dieser erste Teil der Vampir-Sage superlative 392 Millionen US-Dollar in die Kinokassen. Nun präsentiert die Regisseurin mit „Im Himmel trägt man hohe Schuhe“ die Geschichte zweier besten Freundinnen, deren Freundschaft auf eine harte Probe gestellt wird, als eine von ihnen an Krebs erkrankt. Mit der Regisseurin unterhielt sich [030] Mitarbeiter Dieter Oßwald .

Misses Hardwicke, waren diese Dreharbeiten für Sie entspannter als zuvor das Mega-Projekt „Twilight“?

Hardwicke: Als wir mit den Dreharbeiten zu „Twilight“ begannen, war der Rummel längst noch nicht so groß wie später beim Kinostart. Es gab zwar eine Fan-Gemeinde, doch die war ziemlich überschaubar und recht geduldig. Von allen großen Studios in Hollywood hatte kein einziges an dieses Projekt geglaubt. Deswegen entstand „Twilight“ wie eine independent-Produktion mit einem vergleichsweise geringen Budget und gleichsam unter dem Radar. Für mich brachte das den Vorteil, dass ich viel mehr künstlerische Freiheiten hatte als meine Nachfolger bei den Fortsetzungen.  

Die Fan-Gemeinde mag klein gewesen sein, aber vermutlich mit recht großen Erwartungen?

Catherine Hardwicke

Catherine Hardwicke

Hardwicke:

Das stimmt allerdings, in den sozialen Netzwerken wurde fleißig diskutiert, welches die schönsten Stellen im Roman wären. Einige Fans hatten sich sogar ihre Lieblings-Dialoge als Tätowierungen gemacht. Diese leidenschaftlichen Leser nicht zu enttäuschen, sorgte natürlich schon für einen gewissen Druck bei mir – aber auch bei diesem Projekt habe ich eine große Verantwortung verspürt.

Welche Art von Verantwortung meinen Sie damit?

Hardwicke: Mir war es wichtig, das Szenario einer Krankheit möglichst wahrhaftig darzustellen. Zuschauer, die selbst betroffen davon sind, sollten sich in unserem Film wiederfinden können. Deswegen haben wir uns im Vorfeld mit vielen Menschen getroffen, die an Krebs erkrankt sind, die Angehörige verloren haben und auch mit Ärzten haben wir intensiv darüber gesprochen.

Krankheit im Kino leidet chronisch unter der Gefahr von Kitsch und Sentimentalität. Wie sind Sie solchen Klippen begegnet?

Hardwicke: Diese Gefahren waren mir sehr bewusst. In den ersten Fassungen des Drehbuchs standen etliche Szenen, in denen Frauen geweint haben. Diese Versionen haben wir gestrichen, weil ich lieber zeigen wollte, wie die Betroffenen mit Humor versuchen, dieses schwere Schicksal erträglicher machen. Mit Drew Barrymore und Toni Collette hatte ich glücklicherweise zwei Hauptdarstellerinnen, die für komische Szenen wie geschaffen sind.

In einer Szene sagt die von Chemotherapie gezeichnete Jess am Küchentisch, sie müsse „nur noch kurz in die Salatschüssel kotzen“, was sie dann auch tut. Wie lustig kann traurig sein?.

Hardwicke: Für mich ist Humor ausgesprochen wichtig, gerade wenn man mit schwierigen Situationen umgehen muss. Deshalb finden sich in dem Film durchgehend komische Szenen, selbst in ihrem letzten Moment macht Jess noch einen Witz. Dieses Verhalten habe ich von meinem Vater abgeschaut, der im Stadium seiner Krankheit mehr Scherze gemacht hat als je zuvor in seinem Leben. Uns allen war zum Heulen zumute, aber er wollte uns unbedingt zum Lachen bringen. Einige seiner Witze habe ich deswegen auch in die Dialoge des Filmes eingebaut.

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Drew Barrymore und Toni Colette sind beste Filmfreundinnen.

Wie groß sind Ihre persönlichen Bezüge zu dieser Geschichte?

Hardwicke: Für mich ist das ein sehr persönlicher Film, nicht nur wegen meinem Vater, auch eine sehr enge Freundin ist an Krebs erkrankt. Sie hat all diese Stadien der Krankheit durchlebt, die wir im Film schildern, leider verstarb sie dann noch während der Dreharbeiten.

Wie biografisch ist diese Geschichte dieser beiden besten Freundinnen im Film?

Hardwicke: Ich habe drei oder vier beste Freundinnen, zu denen vor allem auch meine Schwester gehört. Dieses Gefühl, dass dich jemand ganz genau kennt, alles mit dir teilt und dich bedingungslos liebt, kenne ich also sehr gut aus meinem eigenen Leben. Bei unserem ersten Treffen hat mir übrigens auch Drew erzählt, dass platonische Liebesgeschichten für sie das Schönste im Kino seien.

Wie haben Sie Jacqueline Bisset, eine Ikone des europäischen Films, für sich entdeckt?

Hardwicke: Wir haben nach einer britischen Schauspielerin gesucht und mit Jacqueline eine ideale Darstellerin gefunden, die diese Figur auf so wunderbare Weise zum Leben erweckt. Die Arbeit mir ihr war nicht nur sehr amüsant, sondern auch völlig unkompliziert. Sie war immer die erste, die zum Dreh erschienen ist und ganz selbstverständlich mit sie gemeinsam mit dem Team die Mittagspausen verbracht.    

Hat eine Regisseurin einen sensibleren Zugang zu diesem emotionalen Thema als ein männlicher Kollege?

Hardwicke: Das würde ich nicht unbedingt so sagen. Es gibt wunderbar gefühlvolle Filme, die Männer inszeniert haben, wie etwa das sehr berührende Krankheitsdrama „Zeit der Zärtlichkeit“ von James Brooks. Umgekehrt wird sicher nicht jede Frau automatische einen Zugang zu so einem intimen Thema haben. Das hängt eher von der Person als vom Geschlecht ab.

Beim kommenden Festival von Cannes steht, wie schon im Vorjahr, einmal mehr die Frage zur Diskussion, weshalb nur so wenige Frauen im Regie-Beruf tätig sind. Was ist Ihre Erklärung?

Hardwicke: Diese Frage ist absolut drängend. In den USA stammen lediglich vier Prozent der 100-Top-Filme pro Jahr von Frauen. Im Fernsehen liegt der Anteil bei lediglich 16 Prozent. Obwohl der weibliche Anteil an den Filmhochschulen sehr hoch ist, obwohl das Thema auf den Festivals immer wieder diskutiert wird, ändert sich an den Strukturen der Studios so gut wie gar nicht. Es scheint, als würde es eine sich selbst erfüllende Prophezeiung geben. Diese uralte Vormachtstellung der Männer spiegelt sich ja nicht nur in der Filmbranche. Wie viele bedeutende Politikerinnen, Komponistinnen oder Malerinnen fallen einem ein? Die lassen sich an zwei Händen abzählen! Wo ist das weibliche Pendant zu Mozart, Händel oder Beethoven? Wie viele Leute reagieren noch immer irritiert, wenn sie im Flugzeug eine Frau als Pilotin haben? Es gibt noch viele unbewusste Vorurteile, die wir überwinden müssen!