Donots, Band, Lauter als Bomben

Die westfälische Band Donots ist seit Mitte der 1990er Jahre stetig die Leiter des Erfolges nach oben geklettert. Die Band um die Gebrüder Ingo und Guido Knollmann konnte die letzten drei ihrer insgesamt elf Alben in den deutschen Top 6 platzieren. So auch ihr aktuelles Album „Lauter als Bomben“, welches Mitte Januar bei ihrem Stammmajorlabel erschien. [030] Autorin Anne-Lydia Mühle sprach mit den beiden Musikern über musikliebende Nazis, politische Botschaften in der deutschen Musikszene und die Coolness eines Roland Kaiser.

Meine erste Frage ist ein bisschen pervers aber ich fand die Geschichte so lustig: Irgendwer auf einem Festival in Ungarn hat Dir mal an die Eier gegriffen…?

Ingo: (lacht) Oh Gott ja. Das ist eine der merkwürdigsten Geschichten, die uns jemals auf Tour passiert ist. Da waren wir in Budapest und haben in einem kleinen Kellerclub gespielt. Die Bühne war nicht sonderlich hoch, der Laden war ganz gut gefüllt und vor uns im Publikum stand ein Pärchen, die sahen aus, als wären die direkt aus den 80ern in einer Zeitmaschine reingebracht worden. In Jeansoveralls, mit Goldkettchen und rausquellender Brustmatte und Schnurrbart, das volle Programm. Und die waren immer die ganze Zeit miteinander am Knutschen, lass die irgendwie schon 50 gewesen sein. Die standen also händchenhaltend vor der Bühne, hatten eine total gute Zeit und wir hatten ein gutes Konzert, hat Spaß gemacht und jedes Mal, wenn ich auf die Seite der Bühne zu den Beiden gegangen bin, fing diese Frau an, mich am Bein zu streicheln. Die hat sich immer weiter vorgetastet, mein Bein hoch, jedes Mal mehr. Ich habe im Eifer des Gefechts gar nicht darauf geachtet, war ein bisschen belustigt von dieser Situation und unsere Crew hat schon lachend hinter den Verstärkern gelegen, weil das so merkwürdig war. Auf jeden Fall hat die mir dann zielsicher zwischen die Beine gegriffen. In dem Moment ist ihr Macker ausgerastet, nach vorne geschnellt und hat mir ins Knie gebissen. Auf einmal hatte ich diesen riesen Gebissabdruck am Knie, das hat höllisch wehgetan. Aber ich musste lachen, weil das eine absolut absurde Situation war.

Ging die Geschichte noch weiter?

I: Nach dem Konzert bin ich dann raus und dann war noch Indie-Disco und die Beiden standen mitten auf der Tanzfläche. Auf einmal hat sie ihrem Mann mit der Faust so dermaßen auf die Fresse gehauen! Dann hat sie auf mich gezeigt und irgendwas auf Ungarisch gesagt. Er ist angekommen und hat in gebrochenem Englisch zu mir gesagt: I´m Sorry.  I was jealous. Später sind die Beiden Händchenhaltend wieder abgezogen – ein romantisches Ende.

Zum Thema Nazis habt ihr mal gesagt, es sind plakative Zeiten, da muss man Plakativ sein. Geht nicht der Spaß verloren, wenn man nur noch diese braune Welle in Schach halten muss? Bleibt da noch Zeit für die feinsinnigen Dinge im Leben?

I: Das darfst du Dir nicht nehmen lassen.

Guido: Natürlich gibt es grade viel Scheiße und man muss auch viel machen, wenn man wirklich nicht stumpf mit der Masse mitrennen will. Aber ich finde es immer ganz, ganz schlimm, wenn man abstumpft und nicht mehr das Schöne sieht. Es gibt einfach so viel Schönes auf der Welt. Und wenn man das nicht mehr sieht, wo will man die Power hernehmen, der Scheiße entgegenzutreten?

I: Ich finde es total wichtig, dass du einen positiven, konstruktiven Umgang damit findest. Du kannst natürlich meckern: Äh, alles ist scheiße. Du kannst aber auch einfach Manpower zeigen und zu einer Demo hingehen. Du kannst mit den Mitteln die Du hast an einer besseren Welt arbeiten. Ich glaube, dass ist nicht zu viel verlangt. Dafür muss man sich nicht die ganze Zeit selbst auf die Schulter klopfen, das ist eine Selbstverständlichkeit, die ich von jedem Menschen einfordern kann. Sei kein Arschloch. Sei ein guter Mensch.

Ihr arbeitet mit der Initiative: Kein Bock auf Nazis zusammen…

G: Das machen wir schon Ewigkeiten und wir haben wirklich den allerbesten Kontakt. Ich habe großen Respekt davor, dass die das so lange und so toll durchziehen und auch mit sinnvollen Kleinkampagnen, die zu einem gewissen Zeitpunkt gelauncht werden. Und sie sind super umtriebig, was Konzerte angeht. Sie haben auch bei unseren Shows, bei unserer Tour Infostände. Auch bei den Toten Hosen usw. Die gehen einfach dahin, wo du noch junge Kids erreichen kannst, die sich in der ganzen Diskussion möglicherweise noch nicht für eine Seite entschieden haben und wo man einfach gute, sympathische Basisarbeit leistet.

I: Das schlimme ist, dass Kids, wenn irgendwo der Stempel Politik drauf ist, sofort sagen: Boa, hab ich keinen Bock drauf, will ich nichts mit zu tun haben. Und find mal einen Weg, das Ganze so zu diskutieren, dass den Kids so näher zu bringen, dass sie Bock haben aktiv gegen Nazis zu sein. Das macht die Initiative „Kein Bock auf Nazis“ sehr gut.

Helene Fischer, Mark Forster, wie sieht es aus. Sollten die sich nicht mal positionieren?

I: Es gibt viele Leute, die fragen: Ihr habt politische Texte, findet ihr nicht, dass Helene Fischer auch politische Texte haben sollte? Da kann ich nur sagen: Nicht unbedingt. Nein. Weil ihre Musik wahrscheinlich einen anderen Ansatzpunkt hat. Beziehungsweise will sie ein bisschen was anderes. Das ist vornehmlich nur Entertainment. Bei Subkulturmusik schwingt natürlich immer auch eine Message mit. Das kann man also nicht verlangen. Was man aber, finde ich, in den heutigen Zeiten schon verlangen kann, dass sich Künstler zumindest abseits der Bühne klar positionieren. In Interviews ganz klar sagen, wo sie in der Diskussion stehen. Und das tun Mark Forster, Helene Fischer und Co. leider zum großen Teil nicht. Das  finde ich ehrlich gesagt ein bisschen schade. Die haben die Möglichkeit, Millionen Kids zu erreichen, Millionen ältere Leute zu erreichen. Die denen zuhören, die denen aus der Hand fressen. Warum sagen die nicht einfach ganz klare Kante: Kein Fußbreit den Nazis.

Roland Kaiser hatte sich wohl gegen rechts positioniert.

I: Das ist ein cooler Typ. Der wohnt auch bei uns im Münsterland und der äußert sich ganz klipp und klar. Ich habe keine Verträge mit der Musik und ich kenne ihn nicht – aber bei so etwas denke ich sofort: Yeah Men.

Das ist das fiese an diesen Nazis, die hören alles durcheinander, die hören auch die Toten Hosen oder Iron Maiden oder Billy Idol oder so. Diese Nazis vermischen alles: Die denken sich einfach irgendwas aus. Denen ist egal, ob das jetzt wissenschaftlich fundiert ist oder ob das überhaupt einen Realitätsbezug hat was sie sagen.

I: Das ist dieses Befeuern von diesen klassischen Angstmaschinen um die Leute einzuschüchtern. Was man ganz stumpf sagen muss ist: Nicht alle Nazis sind Idioten. Das sind zum Teil ultraintelligente, studierte Typen. Das ist das perfide daran. Die haben eine ganze Menge Leute um sich gescharrt, die Mitläufer sind und die das eben nicht reflektieren, aber an den Schaltstellen sitzen richtig schlaue Leute. Die sind gefährlich-schlau. Die wissen, wie der Duktus sein muss, damit man am Verfassungsschutz vorbei rutscht. Die wissen, was man sagen muss um Leute zu Einen und ein Vorurteil zu streuen.

Ich habe manchmal das Gefühl Nazis sind wie Kannibalen, nur dass sie die Leute nicht essen, sondern quälen. Der IS hat Leute in ihren Wohnungen eingemauert.

I: Das ist die andere Seite. So etwas wie den IS kann man in keiner Weise gutheißen. Es gibt diesen Song „Atheist Peace“ von Bad Religion. Der ziemlich genau sagt, wo ich in dieser Diskussion stehe. Ich glaube, du kannst einen kompletten Frieden nur erreichen, wenn es keine Religionen und dergleichen gäbe. Religion ist für mich kein Unifier, sondern ein Great Devider, wo es im Grunde genommen schwieriger wird zusammen zu leben. Und Zeiten wie diese sind eigentlich da, um Mauern einzureißen und Hände zu reichen. Und nicht die Hände zum Beten verschränken und hoffen, dass es besser wird.

Ihr habt bei Rock am Ring gespielt, als es die Terrorwarnung gab. Wie war das für euch?

I: Wir waren am Tag zuvor, als es diese vermeintliche Terrordrohung gegeben hat, bei Rock im Park. Und kurz bevor unsere lieben Freunde von den Toten Hosen auf die Bühne gegangen sind, gab es die News.  Die kam da gerade rüber: Ey, die haben am Ring den Spielbetrieb eingestellt, es sind Konzerte abgebrochen worden. Es gibt eine Terrorbedrohung. Da haben natürlich alle erst mal im Strahl gekotzt. Das man sich mit der Scheiße auch hier auseinandersetzen müsste. Hinterher haben dann eigentlich alle Crews und Bands im Backstage zusammengesessen und es gab einen total zähen Informationsfluss: Was ist denn jetzt Phase? Es hat geheißen, die Polizei hätte alles abgeriegelt, kein Bus kommt aufs Gelände, keiner kommt runter. Und alle so: Können wir jetzt überhaupt von Nürnberg zum Nürburgring fahren?

Aber dann ging es doch…

I: Irgendwann in der Nacht haben sich alle Busse in Bewegung gesetzt und sind hingefahren. Wir sind morgens um sieben oder halb acht in unserer Koje aufgewacht und waren Backstage bei Rock am Ring. Und es lag ein Zettel von unserem Tour-Manager auf unserem Tisch im Bus, wo drauf stand: Es sieht ganz gut aus, dass heute gespielt wird. Es durchkämmen aber gerade mehrere Hundertschaften von einer Spezialeinheit das Gelände  und schauen ob es eine Bombe gibt. Da habe alle draußen vor den Bussen gestanden, Zigaretten geraucht, Kaffee getrunken und gewartet. Irgendwann hieß es: Ja, es kann weitergehen. Dann wurde es auf einmal total hektisch, weil alle ganz schnell die Arbeit nachholen mussten, die jetzt mehrere Stunden liegengeblieben war. Und dann waren wir die zweite Band auf der Hauptbühne, nachdem der Spielbetrieb wieder aufgenommen wurde. Bei uns war es dann das erste Mal wieder richtig knacke voll vor der Bühne  und ich habe gedacht, oh fuck, wir lassen jetzt gleich ein Banner runter, wo draufsteht: „Lauter als Bomben“. Wir singen jetzt gleich einen Song, der heißt: „Keiner kommt hier lebend raus“. Ist das das richtige Signal? Wenn Leute verängstigt im Publikum sind und nicht wissen, gibt es da eine Bombe auf dem Gelände oder nicht? Wir hielten kurz inne und sagten uns dann: Moment mal, aber genau darum geht es ja in dem Text. Sich nicht einschüchtern lassen, von der ganzen Angst-macherei. Zeig, dass du da bist und lass uns positiv zusammenstehen, weil wir sowieso alle nur 60 bis 80 Jahre auf diesem Planeten haben und irgendwann den Löffel abgeben. Wir haben dann eine ziemlich lange Ansage gemacht, die sehr gut vom Publikum aufgenommen wurde. Ich bin im Nachgang so glücklich darüber, wie gut dieser Auftritt trotz all dem oder vielleicht sogar deswegen gelaufen ist.

G: Das war eine Stimmung von den Leuten: Jetzt erst recht. Und wir lassen die Sau raus, das war sehr cool.

Das ist bestimmt total krass auf so großen Festivals zu spielen. Gehen wir mal davon aus, dass alles friedlich bleibt.  

I: Das ist schon beeindruckend. Das ist natürlich viel  anonymer als wenn du eine Clubshow spielen würdest aber es ist schon beeindruckend, wenn du, so weit du guckst, nur noch Köpfe siehst. Also von 60 000 Leuten, die da vor der Bühne stehen. Und dann wenn die alle am Springen sind, dass sieht schon krass aus.

Wie schafft man es mit dem Adrenalin umzugehen?

G: Ob wir jetzt vor 20 Leuten spielen oder ob es jetzt 120 000 Leute sind, du machst nie was anders, du sagst nicht, ab der Anzahl geben ich mir erst Mühe und vorher nicht. Deswegen geht man mit einem ähnlichen Gefühl raus: Wir rasieren den Leuten, egal wie viele draußen sind, jetzt den Arsch. Und es kann immer das Beste Konzert werden und ich finde wenn du einer Sache mehr Bedeutung gibst, weil es größer ist, geht doch einfach raus und mach deine Mukke.

Das Album „Lauter als Bomben“ ist bei Universal Music erschienen.

Die Donots spielen live am 23. Februar im Huxley’s.

Foto: © Dennis Dirksen

[amazon_link asins=’B075N18WK6,B0038LYQ1C,B076TJ1Y5P,B00U35N5HW,B0014BO6TU‘ template=’ProductCarousel‘ store=’030magazin0a-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’ad70e11b-0803-11e8-9cf8-95a553917b03′]