Beyond Binary: Die aufstrebende Bedeutung der Androgynität in der Mode- und Kulturwelt

Frau? Mann? Beides? Oder nichts von beidem? Die damit verbundenen Debatten der vergangenen Monate und Jahre zeigen, dass die Welt von Geschlecht, Gender und Identität deutlich variabler ist, als es für viele Menschen lange Zeit den Anschein hatte. Und diese Vielfalt und der damit verbundene Abwechslungsreichtum drücken sich natürlich auch in Mode, Kunst und Kultur aus. Gerade androgyne Outfits sorgen dabei immer wieder für Überraschungen, skeptische bis begeisterte Blicke und Kontroversen. Aber ist sein Ansatz wirklich so neu?

Androgyne Stylings: Alte Ideen unter neuen Gewändern

Menschen, die sowohl ihre männlichen wie weiblichen Attribute gekonnt zur Schau stellen und beides nicht verstecken, sondern den jeweiligen Vorzug noch betonen: „Wo gibt es denn so etwas? Ist das nicht wieder so ein neumodischer Schnickschnack, ohne den die Welt bisher sehr gut ausgekommen ist?“, meint man so manch einen Boomer denken zu hören, wenn es um die Kombination von Abendkleidern mit Sakkos im Herrenschnitt und Co. geht. Und gleichzeitig möchte man ihm zurufen: „Nein Thomas, das ist kein neumodischer Schnickschnack, ganz im Gegenteil!“ Denn wenngleich nicht alle weltweit vertretenen Kulturen das Konzept der Androgynität zu kennen scheinen, ist es doch so, dass sie in Mittelamerika, in China und im Mittelmeerraum durchaus bekannt war. Oftmals waren die mit ihr verbundenen mythologischen Wesen sogar göttlicher Natur oder die Göttinnen und Götter erschufen androgyne (Menschen-) Figuren, die besondere Eigenschaften mitbrachten. Die wiederum – logischerweise – spezielle Frage aufwarfen:

  • Handelt es sich um Wesen, die in einer besonderen Weise moralisch besonders wertvoll sind, weil sie vollkommen und perfekt ausbalanciert sind?
  • Oder sind sie widernatürlich und deswegen ablehnenswert?

Gut? Oder schlecht? Oder beides? Wer weiß das schon?

Es dürfte klar sein, dass diese Fragen in verschiedenen Kulturen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich beantwortet wurden. Gerade dann, wenn man mehrere Personen mit voneinander abweichenden Gesellschaftsstatus um ihre Meinung bat. – Und wie das auch jetzt passieren könnte, wenn unter anderem das Stichwort Strapon und wer ihn mit welchem Hintergedanken benutzt, fällt.

Gleichzeitig war die Kontroverse keinesfalls immer negativ besetzt, sondern durchaus mit einiger Neugier verbunden. Was sich unter anderem in der Frage ausdrückte, wie die androgynen Wesen entstanden. Waren sie einmal eins, das sich hinterher Frau und Mann auftrennte, wie es bei Platons Kugelwesen der Fall war? Oder eines, dass die Aspekte der Weiblich- und Männlichkeit miteinander verband und sozusagen verschmelzen ließ?

Bei Platon jedenfalls handelte es sich bei den Kugelmenschen um drei verschiedene Gruppen:

  • Die rein weiblichen, deren Ursprung in der Erde lag,
  • die rein männlichen mit einer Abstammung von der Sonne
  • und den gemischt-geschlechtlichen andrógynoi, deren Herkunft mit dem Mond verbunden war.

Allerdings schafften es die andrógynoi, Zeus gegen sich aufzubringen. Mit dem Ergebnis, dass er sie in zwei Hälften zerlegte, die nun ihr Gegenstück wiederfinden müssen.

Was wiederum beweist: Androgyn und unisex sind nicht miteinander gleichzusetzen

Young Thug, No my name is Jeffrey

Young Thug gilt als Trendsetter. – Foto: Promo

Wie die Erzählung von Platons Kugelmenschen nahelegt, steckt hinter dem Wort ‚androgyn‘ eine gleichberechtigte Kombination aus ‚anér‘ (Mann) und ‚gyné‘ (Frau). Dementsprechend geht es nicht darum, weibliche und männlich Attribute wie bei ‚unisex‘ gleichzumachen und verschwinden zu lassen. Vielmehr sollen sie bewusst miteinander kombiniert werden und sich partnerschaftlich ergänzend nebeneinander stehen. Ob dabei nur das Outfit an sich oder auch die Geschlechtsidentität gemeint ist, ist individuelle Ansichts- und Geschmackssache. Künstlerinnen und Künstler wie Young Thug, Jared Leto, David Bowie, Cara Delevigne, Pink oder Ellen DeGeneres beweisen, dass die potenzielle Bandbreite enorm ist. So enorm, dass manch einer, der eine bestimmte Outfit-Vorliebe mit der Sexualität der entsprechenden Person gleichsetzt, gehörig ins Schwimmen kommen dürfte. Aber wahrscheinlich ist das auch ganz gut so – denn wo blieben ansonsten der Spaß, die Abwechslung und das Dazulernen mithilfe von Kontroversen …

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