Uwe, Wilhelm, Die sieben Farbes des Blutes

Autor Uwe Wilhelm über den (gescheiterten) interaktiven Leseabend zu „Die sieben Farben des Blutes“ mit Katja Riemann

Weltpremiere stand auf der Einladung. Einzigartig. Etwas noch nie da gewesenes. Thrillerautor Uwe Wilhelm, in früheren Tagen Drehbuchautor namhafter Filme wie „Bandits“ (zusammen mit Katja von Garnier), und aktuell mit seinem Roman „Die sieben Farben des Blutes“ an vorderster Front der deutschen Serienmörderjagd zu finden, lud vergangenen Dienstag zur interaktiven Lesereise nach Charlottenburg. Die kleine Krimibuchhandlung „Miss Marple“ diente rund  70 erwartungsfrohen Gästen als Anlaufstelle. Schöne Idee. An der Umsetzung muss allerdings noch etwas gearbeitet werden. 

Der Plan war folgender: Der Bus sollte an Orte in Berlin fahren, die in dem Roman eine wichtige Rolle spielen. Die Siegessäule, die Gerichtsmedizin in Moabit und schlussendlich das ARD-Haupstadtstudio. An diesen Punkten sollte Schauspielerin Katja Riemann („Der bewegte Mann“; „Fack ju Göhte“) stehen, um die entsprechenden Passagen aus dem Roman vorzulesen, während wie Zuschauer aus dem Bus auf sie blickten. Zudem sollte es via Facebook live übertragen werden. Soweit die Theorie. In der Praxis klappte davon leider nicht viel. Wir sprachen mit Uwe Wilhelm über den Abend und seine Widrigkeiten.

Herr Wilhelm, wir waren bei der Lesereise im schicken Nightliner – angekündigt als Weltpremiere – am 6. März dabei. Schon zu Beginn gab es Probleme mit der Übertragung innerhalb des Busses. Scheinbar hat die Technik ein paar Eigenheiten an den Tag gelegt. Ungünstig am Premierentag. Hatten Sie das Vorhaben nicht vorher geprobt, um solche technischen „Fehler“ auszuschließen? 

Doch. Unser Techniker war dreimal bei dem Busunternehmen, wir sind mit dem Bus gefahren. Hat alles funktioniert. Dann ist Premiere und der Teufel steckt im Detail. Wir wissen bis heute nicht, woran es lag. Wobei, als dann der Bus für die Veranstaltung kam und nicht mal über einen HDMI-Anschluss verfügte, sondern nur über einen analogen VGA, da schwante uns schon etwas. Aber als es dann losging und alle erwartungsvoll im Bus saßen, da gab es eben kein zurück. Augen zu und durch.

Uwe, Wilhelm, Die sieben Farben des Blutes, Die sieben Tore zur Hölle

Thriller-Autor Uwe Wilhelm Foto: © Florian Froschmayer

Apropos Augen zu. Im Endeffekt haben Sie sich das Busmikrofon geschnappt und ohne Videoübertragung aus Ihrem Buch vorgelesen. Ich empfand das eigentlich als recht angenehm. Man cruiste im Dunkeln durch Berlin und hört ein Livehörbuch. Mehr hätte es eigentlich nicht gebraucht.

Schön zu hören, aber die Idee war natürlich eine andere. Wir wollten was Neues machen. Was Modernes. Den Gästen etwas bieten und es sollte ein zusätzliches Element sein, dass man Katja über den Facebook-Live-Stream sieht. Also eigentlich sollten sie als Gast alles auf Ihrem Handy sehen. Aber da auch ein paar ältere Leute dabei waren, haben wir uns schon auf die unkompliziertere Version mit dem Busmonitor geeinigt. Wissen sie,  die kleinen, lokalen Buchläden kämpfen um jeden Kunden. Vor allem gegen Amazon. Das ist für mich ein Grund, den Local Bookstore mit solchen Aktionen zu unterstützen – und nicht über eine große Kette. Deswegen haben wir es gemacht.

Wir sind gefühlte 25-mal um die Siegessäule gefahren, während Katja Riemann bei 4 Grad draußen im strömenden Regen stand und tapfer aus ihrem Buch vorlas. Da hat man schon etwas Mitleid entwickelt und sich gefragt: Warum kommt die nicht endlich rein? Die erkältet sich ja sonst.

Ich kenne Katja glücklicherweise seit ewigen Zeiten, da ich einige ihrer Filme geschrieben habe. Da ist sie ganz Schauspielerin und Profi. Letztendlich haben wir sie ja auch reingeholt. Als wir ihr dann eröffneten, dass wir die ganze Aktion abbrechen und zurück zum Buchladen fahren, um im Trockenen die restlichen Kapitel zu lesen, schien es mir auch so, als hielte sich ihre Enttäuschung in Grenzen. (lacht)

Es gab eine schöne Szene, als die Übertragung mal funktionierte, Frau Riemann allerdings gerade davon ausging, wir wären offline. Sie saß klitschnass im Schutze einer Bushaltestelle. Der Kameramann meinte aus dem Off, dass der Mietwagen weg sei und sie keinen Ersatz haben. Katja kommentierte die Situation da draußen im Regen mit einem Herzlichen: «Fuck!» Was wiederum für lautes Gelächter im Bus führte. Mal ehrlich, sie hat sich im Regen schon gefragt: Was mache ich hier eigentlich, oder? 

Klar, sie hat es sich auch anders vorgestellt. Sie gibt ihr Gesicht dafür her und ihre Stimme – deswegen war sie manchmal irritiert. Auf der anderen Seite ist sie auch Profi. Und dann sind wir zur Buchhandlung gefahren. Da ist sie einfach professionell und überhaupt nicht eitel.

Ich bin letztendlich froh, dass wir, bei so vielen technischen Unwägbarkeiten, nicht in einem Flugzeug saßen.. 

(lacht) ja, genau. Schöne Idee. Denke ich drüber nach. Der Auslöser für das alles war: Cornelia Hüppe sagte, es ist so schwer für die Buchhandlungen. Es kommt kaum jemand zu Lesungen. Vor allem Jüngere. Wir wollten den traditionellen Ort Buchhandlung verlassen und ein Spektakel bieten. Und damit eben auch wieder jüngere Menschen für Lesungen begeistern.

Apropos junge Leute. Bei der anschließenden Lesung in der Buchhandlung gab es noch einen Zwischenfall?

Ja, eine junge Frau ist ohnmächtig geworden, während Katja Riemann von einer brutalen Szene aus dem Buch erzählte. Ein Kreislaufkollaps. Das hat das Ganze mit Spannung aufgeladen. Katja hat einfach zu Ende gelesen. Die Leute waren gebannt.

Na wenigstens ist niemand gestorben, auch wenn das gut zum Genre ihres Buches gepasst hätte.

Ich glaube auch, das wäre dann etwas zu viel für einen Abend gewesen. Glaubt einem ja keiner.

Um sie zu beruhigen, als beteiligter „Zuschauer“ hatte man den Eindruck, so schlimm war das alles gar nicht. Es gab halt viel zu lachen, was aber sicherlich nicht die gewünschte Reaktion auf einen Leseabend im Thriller-Genre sein sollte?

(lacht) ja, der Plan war ein anderer, das stimmt. Wir haben uns aber im Nachhinein auf eine Lesart geeinigt, die lautet: Bis zur Hälfte haben wir das gemacht, was wir machen wollten, nämlich Siegessäule. Danach mussten wir improvisieren und haben trotzdem eine gute Show geliefert. Die finale Lesung in der „Miss Marple“ war toll, die Katja hat toll gelesen. Das hat mich versöhnt mit dem Scheitern an der Technik.

Würden sie denn eine solche technische Herausforderung, trotz der erlebten Widrigkeiten, noch mal angehen?

Im Mai kommt mein neues Buch, da plane ich bereits die nächste Aktion. Allerdings ohne diese Technik. In Zukunft würden wir auch mehr auf die Details achten, um ein perfektes Spektakel zu bieten. Wir wollen Lesungen machen, die mehr sind als in der Buchhandlung. Es soll etwas geboten werden. Etwas Einzigartiges. Folglich war mir das vor den Gästen, die sich ja auf einen schönen und vor allem besonderen Abend eingestellt hatten, wirklich sehr unangenehm. Daher fand ich es im Nachhinein auch nur richtig ihnen den Kaufpreis als Erstattung anzubieten, was allerdings, und das weiß ich zu schätzen, nur Wenige in Anspruch genommen haben.

Zum Abschluss noch eine Frage: Ein weiteres Detail des Abends, welches sich mir nicht sofort erschloss, war die Verteilung von Schokomarienkäfern. Lecker zugegeben, aber so richtig im Kontext war das jetzt nicht oder legt der Mörder in ihrem Buch am Ende seines Taten neben jede Leiche einen solchen Käfer? Beispielsweise in Anlehnung an die Schmetterlinge in „[amazon_textlink asin=’3453432088′ text=‘Das Schweigen der Lämmer‚ template=’ProductLink‘ store=’030magazin0a-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’8c0fd574-2394-11e8-9b1f-690ca04b84c4′]“ von Thomas Harris?

(lacht) nein. Das sollte Sie nur kulinarisch zu beglücken. Das hatte keinen näheren Bezug. Ein kleiner Gag. Wir wollten eigentlich Bloody Mary in Dosen verteilen, aber das erwies sich dann als zu teuer. So kam meine Tochter auf die Marienkäfer.

Herr Wilhelm, vielen Dank für den unterhaltsamen Abend und das ebensolche Gespräch.

„Die sieben Farben des Blutes“ ist bei blanvalet erschienen.
Im Mai erscheint der zweite Teil „Die sieben Kreise der Hölle“

Foto: © Luca Senoner

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