Funkhaus, Nalepastraße, DDR, Rundfunk, H1 Studio, Musik, Produktion, 030 Magazin, Berlin, Interview

Der einstige Sitz des staatlichen Rundfunks der DDR ist im Aufschwung – mit faszinierender Bauhaus-Architektur und einem der hochkarätigsten Soundzentren Berlins.


Ein verlassenes Gewerbegebiet im Süden Berlins, mitten in der Pampa von Oberschöneweide: Gewaltig ruht das Funkhaus an der Nalepastraße am Ufer der Spree. Einst sendete hier der sozialistische Staatsrundfunk – heute stellen hier Stars wie Depeche Mode ihre neue Platte vor und Major-Labels schicken ihre Zugpferde zum Aufnehmen. Denn was man bei dem abgerockten Gebäude nicht erahnt: Im Inneren warten gigantische Säle und Aufnahmetechnik vom Feinsten. Jeder Raum: eine bis ins letzte Detail ausgefeilte akustische Perle. So viel traut man dem Sozialismus gar nicht zu.

Fortschritt um jeden Preis

Ohne Rücksicht auf Preise und Aufwände wird das Gebäude in den 50ern von Franz Ehrlich gebaut – mit Marmor auf der Treppe, Edelhölzern an den Wänden und Parkett auf dem Boden. Es ist eines von zwei Gebäuden, bevor ihm die Arbeit untersagt wird. In den Studios und Aufnahmesälen für Klassik und Hörspiel sticht vor allem der Sendesaal 1 mit 1000mÇ heraus. Knapp 5000 Personen arbeiten hier – und doch weiß der „Klassenfeind“ bis in die 70er nicht, wo sich der Rundfunk der DDR befindet. Ausgleichsgeschäfte zwischen Ost und West forcieren später den Austausch. Kein Wunder: Technisch ist man der BRD glatt 15 Jahre voraus. Schon Anfang der 70er wird mit dem Stereoband gearbeitet, Ende der 70er sogar an 3D-Audio. Das meiste davon ist noch intakt.

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© Alexander Indra

Der Nalepa-Sound

Philipp und Tommy vom Studio H1 gehören heute zu den zahlreichen Klang- und Kunstschaffenden, die diese Qualität für sich entdeckt haben und dem gigantischen Komplex Leben einhauchen. Seit 2012 betreiben sie im Funkhaus das frühere "Hörspiel* 1 – Studio“ mit vier außergewöhnlichen Aufnahmeräumen, die in U-Form um eine zentrale Regie führen. Jeder Durchgangsraum fungiert zusätzlich als Klangraum. Sie selbst verstehen ihre Arbeit hier als High-End-Audiodienstleistung. Heißt: Bereitstellung der Infrastruktur und technische Betreuung – vom Sound Design bis zum Engineering. Wichtig ist ihnen dokumentarisches Aufnehmen. »Wir arbeiten mit den Gegebenheiten«, sagt Philipp. »Ein flexibler Umgang mit dem Großraumklang macht den „Nalepa-Sound“ aus!«

Ein Hoch auf die 80er

Was ursprünglich für klassische Produktionen vorgesehen war, wenden sie dafür kompromisslos auf den Pop an.» Wir nutzen die Raumakustik ganz gezielt durch unsere Mikroauswahl und -positionierung«, erklärt Philipp. Farbe, Tiefe und Atmosphäre lassen sich in den unterschiedlich konstruierten Räumen 1:1 planen. Mit dem synthetischen Mind-Set der meisten Produzenten können sie nichts anfangen. Klar, man kann alles am Computer machen, aber die Geräte der frühen 80er sind bis heute qualitativ nicht zu übertreffen. Warum sollte man das nicht nutzen? Also: Digitale Technik, ja – aber nur in Maßen.« Eine Philosophie, die sich auch in der Raumgestaltung niederschlägt: Technisches tritt hier für die Proberaum-Atmosphäre in den Hintergrund.

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© Alexander Indra

Und was bringt die Sound-Zukunft?

Bei so viel 80er-Liebe: Ist der Sound der Vergangenheit also der Sound der Zukunft? Hat sich das Ohr an lauter 80er-Hype nicht schon lange satt gehört? »Es geht weniger um den Sound an sich«, klärt Tommy über die Intentionen auf. »Es geht um den reinen „Approach“ als Kontrast zu den momentan gängigen Methoden!«. Berlin trage seinen entscheidenden Teil dazu bei: »Wir haben hier die Freiheit, das zu machen, was nicht der Norm gerecht wird. Hier passiert so viel, dass es kaum jemand wahr- und damit auch nicht übelnimmt. In anderen Städten wirst du dafür glatt angespuckt. Berlin ist die Stadt der Innovation!« Möge dieser Geist noch lange erhalten bleiben.

Hier seht ihr alle Fotos des Studiobesuchs

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© Alexander Indra

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