»Die Katze auf dem heißen Blechdach«: so ein Film. Die moderne Version: »Der Chefket auf dem heißen Flachdach«. 39 Grad, gefühlt aber 100. Die Stadt stöhnt. Auf dem Dach von Universal ist es wie auf einer Herdplatte, die auf höchster Stufe läuft. Ein heißes Interview!
Burn, Baby, burn!
Unsere Füße brennen, zum Glück haben wir Schuhe an. Chefket trägt Pilotenbrille, Hawaiihemd, Shorts. Wir packen uns mit ihm in die Ecke. Schatten! Jemand hatte die Idee, auf dem Dach von Universal an der Oberbaumbrücke einen Pavillon zu bauen. Danke diesem Helden! Wir reden mit Chefket, dem Sohn türkischer Zuwanderer aus Heidenheim und Rap-Poet, über sein neues Album. »Alles Liebe (Nach dem Ende des Kampfes)« ist seit 17. August raus, Nachfolger des Debüts -Albums »Nachtmensch«, das 2015 in die Top Ten der Albumcharts kam. Auf dem neuen Werk sind auch Rapgrößen wie Marsimoto (aka Marteria), Sido und Crackaveli dabei. Chefket kommt auf Tour, am 5. Oktober im Astra. Seine Auskopplung »Sowieso« gibt es auf YouTube, wie ihr sehen könnt. Aber erstmal solltet ihr unser Interview lesen. Hier kommt es.
Ich bin einfach ein Deutscher, der gut Türkisch kann.
– Chefket
Du bist in Deutschland zu einem bekannten Rapper geworden, du lebst bestimmt gerne hier…
Danke dass ich hier leben darf (lacht). Danke, dass ihr meinen Namen immer falsch ausgesprochen habt. Dadurch hatte ich direkt einen Künstlernamen, musste nicht lange suchen. Aber ich will nirgendwo anders leben auf jeden Fall.
Sind wir down mit Erdogan – oder nicht?
Hast du das Gefühl, du wirst vereinnahmt als Vorbild, als Integrationsfigur?
Da muss man auch einfach aufpassen, ob man das mit sich machen lassen will. Bei »Entscheide du« komm‘ ich bei dem Song rein mit: „Es ist Chefket, kein Vorzeige-Türke rapshit, ich komm so rein dann gibt es kein Missverständnis. Ich hab das Beste aus zwei Kulturen in mir vereint. Am Plakativsten wäre jetzt ein Bild mit Spätzle und Chai. Bilingual mit zwei. Trilingual mit zehn. In zwei Ländern zu Hause und ich kann alles verstehen. Doch viele wollen mich verarschen, während ich mit Farben klecker’. Sie kommen und sagen: „Nur eine Farbe wäre besser.“
Du wurdest sicher schon oft auf das Thema Mesut Özil angesprochen, weil du ja türkische Wurzeln hast. Man hat ja nach der WM gesagt, dass Özil mit ein Grund war, dass wir so früh ausgeschieden sind.
Das ist halt so ein Quatsch. Da brauchen wir überhaupt gar nicht weiter drüber zu reden. Wenn wir über Fußball reden, dann sollten wir auf jeden Fall über die ganze Mannschaft reden, die einfach nicht spannend gespielt hat. Warum wird das jetzt so krass thematisiert? Das hab ich jetzt nicht verstanden. Sind wir down mit Erdogan oder nicht? Ist das die Erdoganziehungskraft oder nicht? (lacht) Ich hab’s irgendwie nicht so ganz gecheckt.
Ich hab‘ viele Freunde, die es ankotzt, dass sie immer gefragt werden: Wann geht ihr wieder zurück?
Dein Album heißt »Alles Liebe (nach dem Ende des Kampfes): Da hab ich mich spontan gefragt: welcher Kampf?
Das ist einfach dieser lange Weg, den man hinter sich gelassen hat, seit dem man Musik macht und nicht genau wusste, wohin die Reise geht. Ich hab mich für die Musik entschieden und Rap ist halt die Form gewesen, mit der ich irgendwie das Schreiben gelernt hab, wo das Schreiben im Vordergrund steht. Das kann ich jetzt auch anwenden auf alle Genres, die ich bediene.
Glaubst du, dass man sich nach der WM auf ihn gestürzt hat, weil er einen Migrationshintergrund hat?
Wie hieß es: „Türkensau“ und andere Sachen. Da liegts schon ganz klar auf der Hand, dass sie auf ihm rumgehackt haben. Was man dann auch natürlich als Rassismus bezeichnen muss. Es ist natürlich auch immer wieder interessant, dass man jetzt ein Album rausbringt als jemand mit türkischen Wurzeln und dann darauf angesprochen wird. Nicht reduziert, aber darauf angesprochen. Und es ist auch wieder interessant, nur weil jemand die selben Wurzeln hat und sich so und so verhält, ist man plötzlich in dieser Position, wo man irgendwie eine Meinung dazu haben muss. Ich glaube eher, dass das so ein Sommerloch-Ding war. Man wusste nicht so genau, was man da erzählen soll. Ich hätte es auch interessant gefunden, wenn man über die NSU-Akten ein bisschen geredet hätte, die jetzt für 130 Jahre verschlossen werden.
Wenn ich an „Fremd“ denke, den Song auf deinem neuen Album: Da ist die Zeile drauf: „Bleibe hier für immer fremd“. Ist das deine Aussage oder das was andere denken?
Es ist auf jeden Fall beides. Der Song ist viel größer als ich selber. Das kann für einen Flüchtling stehen, der in ’nem Land angekommen ist, oder für den Amerikaner, der in Deutschland lebt, der die ganze Zeit gefragt wird, wann er denn wieder zurück nach Amiland geht. Ich hab‘ viele Freunde, die sagen, wie es sie ankotzt, dass sie das immer ständig gefragt werden. Miteinander reden, statt nur übereinander: das auf jeden Fall der Weg glaub ich. Das hilft, dass man so ein paar Vorurteile abbaut. Aber dieses große Weltpolitische, da sind wir alle in einer Ohnmacht und fühlen uns ziemlich klein. Aber wir sind eigentlich größer als wir alle denken, wenn wir uns auf unser Umfeld beziehen und da können wir auch ganz viel ändern.
Vorzeige-Türke: Nö. Türkeispezialist: Geht so.
Fühlst du dich manchmal mehr als türkischer Botschafter, statt als Rapper?
Als ich klein war. Da hab ich das immer so gespielt. In der schule, wo ich dann der Türkeispezialist war für den Lehrer. Dann musste ich mich erstmal einlesen, um überhaupt die Antworten zu haben. Aber das hab ich dann auch schon lange wieder abgelegt. Ich bin einfach ein Deutscher, der gut Türkisch kann.
Was bedeutet Liebe für dich im Alltag?
Dass du eine Oma siehst, wie sie gerade ihre Schlüssel nicht findet in ihrer Tasche und dann fragst einfach, ob alles cool ist und dann kannste der hoch helfen in ihre Wohnung. Dann siehst du, dass die Wohnung komplett durcheinander ist. Dann bietest du deine Nummer an, dass sie anrufen kann, wann immer sie will. Wir hatten früher Nachbarn, ein älteres Paar und die hatten keine Kinder. Als meine Eltern arbeiten waren, haben diese menschen auf meine Schwestern aufgepasst. Herr und Frau Zimmermann waren das.
Wie sieht es mit deiner Tour aus?
Die Tour steht bald an. Es ist fast schon alles ausverkauft. Das ist sehr gut. Wir spielen in Berlin. Im Astra. Am 5. Oktober.
Vielen Dank für das Gespräch.
Foto: © Franz Mangel / [030] Magazin