Der Gazastreifen hat Jahrzehnte lang politisch Wellen geschlagen. Doch niemand spricht davon, was im Ozean nebenan passiert: Am Mittelmeer zwischen Ägypten und Israel hat sich eine Surf-Community entwickelt, die sich in der negativen Umgebung mit Hilfe des Surfboards das Lächeln zurückholt. Die Dokumentation „GAZA SURF CLUB“ von Philip Gnadt und Mickey Yamine wirft einen Blick auf die Gesichter von Gaza, welche sich hinter den objektiven Kriegsberichten der Medien verbergen.
Durch eine Fotostrecke eines Sportmagazins wurde Philip Gnadt 2012 auf die Surfer im Gazastreifen aufmerksam. Fasziniert von eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Porträts, begann er zu recherchieren und entdeckte dabei eine Subkultur, die sich inmitten einer isolierten Konfliktregion dem Freiheitsgefühl des Wellenreitens hingibt. Den kulturellen Differenzen zum Trotz schaffte Gnadt es mit Hilfe des in Cairo aufgewachsenen Produzenten Mickey Yamine eine Verbindung zur Surfer-Szene in Gaza herzustellen. Nach unzähligen Telefonaten, Skype-Meetings und Verzögerungen durch erneute Konflikte zwischen der Hamas und Israel konnte das Film-Team mit mehr als einem Jahr Verspätung im Oktober 2014 die Dreharbeiten starten.
Regentonnen und Kartoffelhälften
Neben der Anreiseplanung stellte das Surffilm-Thema die wohl größte Problematik dar, denn niemand hatte Erfahrungen mit Surfaufnahmen vorzuweisen. Als in Sankt Peter Ording die ersten Testaufnahmen gemacht wurden, war klar: Die Crew musste das Filmen im Wasser noch für sich erforschen. Nach einigen Experimenten im Drehort funktionierte dies mit einem selbst erbauten Floß aus zwei zementbeladenen Regentonnen. Gegen das ständige Beschlagen und die hängenbleibenden Wassertropfen rieb man Kartoffelhälften an die Linse. Traurigerweise war es einfacher, die Einheimischen vor die Kamera zu bekommen. Diese waren aufgrund der ständigen Berichterstattung im Kriegsgebiet daran gewöhnt, für Nachrichtensender immer dieselben Aussagen abzugeben. Erst durch Überzeugungsarbeit und viel Geduld konnte man hinter die Fassade der paraten Antworten blicken.
Brausende Wellen neben bombardierten Häusern
Eröffnet wird mit einem brausenden Wellenmeer, dann schwenkt die Kamera auf bombardierte Häuserreihen. Alles in graubraun. Ein Van fährt durch holprige Straßen. Plötzlich lichtet sich das Bild und man sieht das Innere des Gefährts. Drei junge Männer, die wegen Schlaglöchern in Stoff gewickelte Longboards halten. In der Gruppe befindet sich Ibrahim Arafat, der einen großen Traum hat: Er will die Surf-Community in Gaza aufbauen. Hierfür will er in das Surfparadies Hawaii reisen und dort alles über das Board Shaping lernen. In Gaza bekommt man so leicht keine professionelle Ausrüstung. Früher benutzte man deshalb Tür- und Schranküberreste. Besaß man ein echtes Surfboard, wurde das mit Freunden geteilt. Das Beschaffen der Surfbretter? Enorm schwierig mit einem Embargo für Luft, Land und See.
Surfen mit Kopftuch?
Für Frauen gibt es zusätzliche Hürden. Die Jugendliche Sabah erzählt. Einmal habe sie sich beim Surfen mit dem Kopftuch verfangen und es daraufhin abgenommen. Dafür musste sie sich vor ihren Cousins rechtfertigen, weil das von der Hamas nicht erlaubt wird. Leider ist nicht nur die Kopfbedeckung ein Hindernis für die Frauen: Sobald sie nämlich als solche gelten, ist es ihnen gar nicht mehr erlaubt, einen Wassersport auszuführen. Das gebührt der Anstand, das ist so nicht vorgesehen, meinen die Alten. Diese Konflikte mit der Tradition werden im Film immer wieder angeschnitten, weil sie den Alltag der Protagonisten bestimmen. Bei GAZA SURF CLUB handelt es sich um keine Grundsatzkritik und keine Kriegsdoku. Es ist ein Film über einen Sport, dessen Ausübung man sich in manchen Ländern der Welt erst erkämpfen muss. Er zeigt Charaktere, die sich ihre individuelle Freiheit nicht nehmen lassen und die Hoffnung nicht aufgeben. Traurig, dass es einen Dokumentarfilm wie diesen braucht, um einer ganzen Region ihre Menschlichkeit zurückzugeben.
GAZA SURF CLUB
Länge: 87 Minuten
Sprache: Arabisch und Englisch mit Untertiteln
Produktionsjahr: 2016
Premieren in Berlin:
Ab 18 Uhr im Klick
Ab 19:30 Uhr im Moviemento
Ab 21 Uhr im Central
Am 30. März kommt GAZA SURF CLUB ins deutsche Kino.
Wir verlosen 3×2 reguläre Kinotickets und 3×2 Gästelistenplätze für die Premieren in Berlin.
E-Mail mit Namen, Adresse, Wunschkino und dem Betreff „GAZA SURF CLUB" an:
verlosung@berlin030.de
Einsendeschluss: Dienstag, 16 Uhr
Viel Erfolg!
Fotos: © Niclas Reed Middleton