Wolfgang Mueller, der Freund von früher, btw Verlag, Berlin, 030, Interview

Jurist, Filmproduzent und Schriftsteller – Wolfgang Mueller ist ein Mann mit vielen Hingaben. Gerade erst hat er seinen Roman „Der Freund von früher“ veröffentlicht. Spitzfindig beschreibt er darin die aufkommende Medien-Szene in Berlin-Mitte nach dem Mauerfall. 

In den Mittelpunkt rückt dabei die Freundschaft von Oscar und Albert. Albert, der Schauspieler, der seine besten Jahre hinter sich hat, und Oscar, der nach nach Spandau gezogen ist, um mit Carla sein Glück im Bürgerlichen zu finden. Zufällig treffen die beiden nach Jahren aufeinander und verabreden sich. Am nächsten Tag findet Oscar seinen alten Freund tot in der Wohnung auf. Inmitten aller Zwänge, Träume und Realitäten der Medienbranche lässt sich Oscar von hier an in den Bann Alberts und seines Lebensentwurfs ziehen. Coming-of-Age nennt Mueller die Story. Warum? Das verrät er im Interview.

Herr Mueller, woher kam die Inspiration für den neuen Roman?

Der eigentliche Auslöser war sehr traurig. Ein Freund von mir starb in Berlin. Ich war zu der Zeit für Dreharbeiten in Los Angeles. Dann kam die Nachricht und alle Freunde haben sich in Berlin versammelt. Ich war daran beteiligt, aber eben nur aus der Ferne. Das war ein kollektiver Schockmoment. Alle standen neben sich. Insofern gibt es da einen Bezug zu meinem Leben.

Wie würden Sie den Protagonisten Oscar beschreiben? Was ist das für ein Typ?

Oscar hat in der Aufbruchstimmung von Berlin-Mitte alle Hoffnungen und Freiheiten erlebt und durchlebt. Irgendwann musste er feststellen, dass er eine Existenz benötigt, die über das Leben in der Enklave hinausgeht.

So richtig klappt’s mit dem perfekten Leben in Spandau trotzdem nicht. Eigentlich wollte er viel Geld mit dem Schreiben verdienen. Seiner Clara war er auch schon mal näher. Scheint, als sei Oscar zwischen dem Drang nach Selbstverwirklichung und dem Wunsch nach einem bürgerlichen Leben gefangen. 

Das ist er – wie so viele. Im Grunde geht es um die Schwierigkeit der Veränderung und um die Suche nach Akzeptanz.

Der Freund von früher

Sie selber sind Schriftsteller und Filmproduzent. Anwalt für Musiker waren Sie auch mal. Kennen Sie diese Schwierigkeiten?

Natürlich. Ich habe irgendwann verstanden, dass diese Rollen gleichzeitig existieren können und sollen. Ich habe als Schriftsteller angefangen. Von dem Schreiben zu leben war immer mein Wunsch. Dann habe ich Jura studiert und stand vor der Schwierigkeit, mich ernähren zu müssen. Nach einigen Jahren habe ich gemerkt, dass mich die Tätigkeit als Anwalt zu sehr vom Kreativen abhält. Seither bin ich Autor und Filmproduzent. Ich musste die Gleichzeitigkeit beider Berufe akzeptieren.

Wie stufen Sie Oscars Blick auf Albert ein? Auffällig ist doch, dass Albert in Oscars Augen immer der lotterige Kerl ist, der den Absprung aus der Enklave nicht geschafft hat. Erst nach dem Tod wird er zum herrlichen Kreativen hochsterilisiert.

Stimmt, ich glaube, dass sich die Wahrnehmung von Menschen nach einem Schockerlebnis wie dem Tod verändert. Diese Beleidigungen wird er untergründig immer gespürt haben. Es geht in diesem Roman aber vor allem um das Verzeihen, das Abschließen und die Veränderung in der Betachtung eines Freundes.

Albert nimmt im Verlauf der Geschichte Oscars Identität an; beantwortet beispielsweise in seinem Namen Mails. Nach und nach fühlt er sich wie ein Betrüger. Ist er das? 

Oscar ist so sehr Betrüger wie Sie und ich. Natürlich gibt es immer wieder Momente, in denen man etwas vorgaukelt. Ich glaube nicht, dass er einen durch und durch betrügerischen Instinkt hat. Es ist gerät eher in diese Sache hinein.

Aus Neugierde oder aus Egoismus?

Da spielt vielleicht beides ein bisschen mit. Im Großen und Ganzen geht es um den Erhalt eines Lebensgefühls. 

Wolfgang Mueller, der Freund von früher, btw Verlag, Berlin, 030, Interview

Wolfgang Mueller

Gleichzeitig beschreibt der Roman Berlin-Mitte nach der Wende, das mit all seinen Szene-Menschen und  Gentrifizierungserscheinungen in jedem Punkt an heute erinnert. Sehen Sie ihren Roman als Mileu-Studie?

Nicht so sehr, aber ich kann verstehen, dass man eine Welt von Mitte darin erkennt – so, wie sie einmal war und auch heute noch ist. Beim Schreiben habe ich das aber gar nicht bewusst betont.

In jedem Fall zeichnen Sie kein positives Bild der Szene. Was mögen Sie eigentlich an Berlin?

Mich fasziniert immer noch die Schnelligkeit, mit der sich die Dinge hier ändern – im Stadtbild und im Erscheinungsbild der Menschen. Überall machen neue Läden auf und alte zu. Diese Biografien, die ich beschreibe, findet man natürlich in allen großen Städten. Ich denke, es gibt da eine globale Kultur von Szene und eine große Anpassungsfähigkeit. 

Mit welchem Gefühl kann man „Der Freund von früher“ zuklappen?

Ich finde ja, dass es eine sehr späte Coming-of-Age-Geschichte ist, denn am Ende muss man akzeptieren, dass das Leben anders laufen und dennoch als gelungen wahrgenommen werden kann. Genau darum geht es mir.

„Der Freund von früher“ ist bei btb erschienen.

Wir verlosen zwei Exemplare. E-Mail mit eurem Namen und dem Betreff "Der Freund von früher" an: verlosung@berlin030.de