Hausbesetzer, Berlin, 1981, Kreuzberg,
Foto: © Tom Ordelman, CC BY-SA 3.0

Als Berlin grau, dreckig und kaputt war. Und es keine Soja-Latte gab. Zurück in die 90er.

Du hast im Prinzip ’nen rechtsfreien Raum gehabt. Ja, das war fast wie Anarchie.
Sven Friedrich, damaliger Hooligan aus Ost-Berlin 

Bevor Soja-Latte erfunden wurde, bevor Veganer, Designer und Hipster nach Berlin zogen und die Stadt unter sich aufteilten, war Berlin anders. Das Berlin von damals war die Keimzelle der Party-Stadt von heute. Eine kleine [030] Zeitreise. 

Lass‘ dich einfrieren

Hätte man einen Berliner im Jahr 1995 entführt, eingefroren und 2018 aufgetaut – die technischen Möglichkeiten vorausgesetzt – man hätte ihn wohl direkt ins Krankenhaus einliefern können. Denn er dürfte sich in Berlin von heute vorkommen, wie in einem Paralleluniversum, das Berlin der Gegenwart ist zwar stylish und modern, aber an vielen Orten auch steril, verglichen mit damals. Weniger dreckig, frei und wild. Nach dem Mauerfall war Berlin ein großer Spielplatz, auf dem sich Leute aus Ost und West austoben konnten. Künstler eröffneten Galerien in Hinterhöfen, leerstehende Altbauten in Ostberlin wurden besetzt, Clubs in alten vergessenen Industriebrachen gegründet. Aufbruchstimmung wehte durch die Straßen. Jeder wollte dabei sein, wie Berlin sich neu erfand – und kam oft erst deswegen hierher. Eine Multimedia-Ausstellung in der Alten Münze setzt dem Berlin der 90er ein Denkmal. »Nineties Berlin« lässt das Jahrzehnt der Freiheit, der Underground-clubkultur und der Umbrüche wieder auferstehen.

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Mauerspechte. Foto: © Promo

Kohle killt den Spirit

Ja die 90er, Keimzelle des heutigen Berlin, das angesagt ist bei Leuten auf der ganzen Welt. Der „Tresor“, die „Tekknozid Partys“ oder das „Kunsthaus Tacheles“ stehen für eine weltweit bekannte Underground-Kultur, die sich hier entwickelt hat. Doch nur wenige dieser in den 90er-Jahren entstandenen Orte haben die Jahre überdauert. Der Kapitalismus kam und veränderte den Alltag. Freiräume verschwanden, neue Geschäfte und Wohnhäuser kamen. Bevor das passierte, blühte die Subkultur. Verfallene Gebäude aus DDR-Zeiten entwickelten zu kreativen Zentren. Die Jugend fand in Berlin einen riesigen Abenteuerspielplatz. Anarchie, Wandel, Visionen, Techno, Loveparade, Underground. Die Musik, vor allem Techno sorgte für ein großes Wir-Gefühl. Die Loveparade war das passende Fest dafür. In wenigen Jahren wurde aus der Stadt der Mauer, dem Ort des Kalten Krieges, eine neue Weltstadt, die gerade deshalb geliebt wurde, weil sie so anarchisch war. So unfertig.

Im Grunde genommen haben die Leute im Westen auch eine Wende erlebt. Also auch ihr Land sollte sich stark verändern.
Kai-Uwe Kohlschmidt, Ex-Punkrocker aus der DDR 

Wer heute 50 ist, der wird schon mal traurig, wenn er an die 90er denkt. Wehmut, Entsetzen können so Gefühle sein, die aufkommen. Die gute Nachricht: Die Ausstellung »Nineties Berlin« will ab 4. August Szene-Orte wieder auferstehen lassen, die schon längst untergegangen sind. Party, Kunst und Anarchie – bis heute begründen die wilden 90er-Jahre den Mythos Berlins als unvergleichlichen Abenteuerspielplatz. Der Tanz in den Ruinen eines untergegangenen Staates dauerte Jahre. Ausstellungen, exzessive Tanzpartys und legendäre Konzerte prägten die Zeit. Die Show in der Alten Münze greift die Zeit nach dem Mauerfall in Berlin auf und vermittelt die rasanten Transformationsprozesse. Ja, es hat sich viel verändert sprich transformiert. Und ja: Es gab sie, die Zeit in Berlin, als es noch keinen Kaffee Latte mit Sojamilch gab.

„Nineties Berlin“
ab 4. August in der Alten Münze
Molkenmarkt 2, 10179 berlin-mitte
täglich 10 – 20 uhr (365 Tage im Jahr)
mehr Infos: www.nineties.berlin

Foto: © Tom Ordelman, CC BY-SA 3.0

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