Im Rhythmus einer aggressiven und drückenden Techno-Musik bewegen sich die dicht aneinander gedrängten, nackten Oberkörper einer Gruppe von Männern auf und ab. Ihre Münder weit offen, durch einen extremen Slow-Motion-Effekt im Schrei erstarrt. Die Kameraeinstellung von leicht unten erweckt den Anschein als ob sie inbrünstig eine Prügelei anfeuern. Regisseur Andrew Neel wählt ein starkes Intro, ein Vorbote von unheimlichen und unguten Dingen. Dann ein schwarzer Bildschirm und der Titel: Goat. Und natürlich der Hinweis, dass dieser Film auf wahren Begebenheiten beruht.
Der Zuschauer wird so schnell wie es geht in das Thema der physischen und psychischen Gewalt hineingeworfen, wenn Hauptcharakter Brad (Ben Schnetzer) allein von einer Party nach Hause will. Er entschließt sich dazu, zwei Unbekannte im Auto mitzunehmen und das Ganze endet in schwerer Körperverletzung, geklauten Wertsachen und einem gestohlenen Auto. Fast wie beim Anfang eines Horror-Films wünscht sich der Zuschauer, Brad würde in die andere Richtung rennen und im Kinosaal flüstern manche: „Tu es nicht.“ Erst scheint es, als ob mit dem Angriff das Schlimmste überstanden ist. Aber dann kommt die Geschichte erst richtig ins Rollen. Das Setting verändert sich von US-amerikanischer Kleinstadt zur College-Fraternity-Landschaft. Im Mittelpunkt weiterhin die Brüder Brad und Brett, deren Namen zeitweilig leicht zu verwechseln sind. Brett ist der Ältere von beiden, gespielt vom sonst mit Popmusik die Charts stürmenden Nick Jonas, der die ideale Mischung zwischen Beschützer und perfektem Frap-Boy trifft.
Newbees müssen leiden
Ben Schnetzers Brad ist sensibler und wirkt nerdiger, entschließt sich aber trotzdem, dass er der gleichen Bruderschaft beitreten möchte. Produzent James Franco sorgt auf dem College-Gelände für einen albernen Gastauftritt, der damit aber zur Absurdität der ganzen Frap-Kultur beiträgt. Mit dem Anfang der Pledge-Week, auch ‚hell-week‘ genannt, nimmt das Unheil seinen Lauf. Den Neulingen, den sogenannten ‚Goats’, werden Aufgaben gestellt, die eklig und erschreckend sind. Manchmal mag man gar nicht hinschauen. Wie weit kann man gehen, ohne bleibenden Schaden zu hinterlassen? Ab wann hinterlassen seelische und körperliche Verletzungen Wunden, die sich nicht mehr heilen lassen? Wie viel lässt man mit sich machen, bis einem der Kragen platzt? Der Film arbeitet förmlich auf den Moment hin, in dem alles zu viel wird und in einem Ausbruch kulminieren muss.
Gewalt ist nicht alles
Es geht nicht nur um Ausübung von Gewalt, sondern um Vertrauen, persönliche Stärke, Schuldzuweisung und die wahre Bedeutung von Bruderschaft. Darum, dass einen manche Menschen am Ende durch ihre Charakterstärke überraschen können. Der Film erinnert an Riot Club, die britische Angehensweise an das gleiche Thema aus dem Jahr 2014, in dem Ben Schnetzer ebenfalls mitspielt. Wie Riot Club überzeugt Goat nicht nur durch die erschreckende, aber ehrliche Erzählweise. Sondern auch durch eine Reihe junger, talentierter Schauspieler, die eins mit ihrer Rolle werden, noch unverbrauchte Gesichter haben und von denen das internationale Kino mehr gebrauchen kann.
“Goat“ läuft an folgenden Tagen im Panorama Spezial:
Mi. 17.02. um 21:30 im Zoo Palast 1
Do. 18.02. um 12:30 im CinemaxX 7
Fr. 19.02. um 14:30 im Cubix 9
Sa. 20.02. um 19:00 im Zoo Palast 1