The Witch, A24, Horror, Kino, 030 Magazin

Gerade das Horrorkino zeichnet sich durch eine hohe Anzahl an uninspirierten Fließbandprodukten aus, die Monat für Monat den Markt überschwemmen. Umso erfreulicher, wenn es zwischen all den standardisierten, hastig heruntergekurbelten Genrewerken hier und da echte Perlen gibt, denen man eine originelle und effektive Herangehensweise an Codes und Konventionen bescheinigen kann. Zutreffend ist dies zweifellos für „The Witch“, das beunruhigende Spielfilmdebüt des US-Amerikaners Robert Eggers.

Neuengland im 17. Jahrhundert: Da der strenggläubige William (Ralph Ineson) nicht von einer absolut reinen Auslegung der christlichen Lehre absehen will, werden er, seine Frau Katherine (Kate Dickie) und ihre fünf Kinder aus einer puritanischen Siedlung verbannt und müssen sich mitten in der Wildnis eine neue Existenz aufbauen. Zunächst scheint die aus Großbritannien stammende Familie das autarke Leben am Waldrand meistern zu können. Doch dann kommt es zu einem dramatischen Zwischenfall, der die kleine Gemeinschaft in ihren Grundfesten erschüttert. Als der jüngste Sohn beim Spielen mit der ältesten Tochter Thomasin (Anya Taylor-Joy) spurlos verschwindet, geht plötzlich die Angst vor einer Hexe um. Und die im Glauben nach Hilfe suchenden Familienmitglieder verdächtigen sich schon bald gegenseitig, für das Unglück verantwortlich zu sein.

The Witch, A24, Horror, Kino, 030 Magazin 

Im Rahmen der Fantasy Filmfest Nights 2016 sorgte die mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte Schauermär für ausverkaufte Säle, was dem fulminanten Debütwerk auch bei seinem deutschen Kinostart zu wünschen wäre. Wahrscheinlich dürfte das eigenwillige Horrordrama aber an den meisten Zuschauern vorbeigehen, da es nicht in die zunehmend konfektionierte Multiplex-Landschaft passt. Anders als viele Genrekollegen setzt der bislang vor allem als Szenenbildner in Erscheinung getretene Eggers nicht auf billige Geisterbahneffekte, sondern eine langsam anziehende, brodelnd-unheimliche Atmosphäre. Unbehagen beschleicht den Betrachter schon in dem Moment, als Williams Familie die christliche Kolonie verlassen muss und sich einer unwirtlichen Natur gegenübersieht. Ohne Hast zieht „The Witch“ im Folgenden die Spannungsschraube an und entwirft ein familiäres Höllenszenario, in dem fanatischer Glaubenseifer, böswillige Anschuldigungen und handfeste Paranoia auf unheilvolle Weise zusammenkommen. Überzeugende Darsteller und eine bedrohliche, variantenreiche Musikuntermalung tragen dazu bei, dass der selbstbewusst inszenierte und historisch genauestens recherchierte Independent-Film eine unerwartete Sogwirkung entfaltet. Im Finale fährt Debütregisseur Eggers, der auch das Drehbuch verfasste, einige blutige Schockmomente auf, ohne allerdings in stumpfsinnige Exzesse zu verfallen. Kurzum: Wer etwas Geduld mitbringt und sich auf die antiquierte Sprache einlassen kann, wird mit einem der stärksten Gruselfilme der jüngerer Vergangenheit belohnt.

The Witch

Länge:  92 Minuten

Regie: Robert Eggers

Darsteller: Anya Taylor-Joy, Ralph Ineson, Kate Dickie, Harvey Scrimshaw, Ellie Grainger, Lucas Dawson, Bathsheba Garnett

Kinostart: 19. Mai 2016