Moderat, Monkeytown

Geht es um Moderat, fällt schnell der Begriff Supergroup. Dabei handelt es sich bei Sascha Ring, Gernot Bronsert und Sebastian Szary im Grunde nur um drei alte Freunde, die irgendwann nach Jahren der Freundschaft eben auch ihre musikalischen Fähigkeiten vereinten. Apparat + Modeselektor = Moderat. Nach der 2016er Tour zum dritten Album Release vergangenen Sommer, trafen wir die drei Herren in ihrem Monkeytown Headquarter nahe der Jannowitzbrücke. Ein Gespräch über exotische Gefühle, musikalische Findungen und den (Nicht-)Einfluss des dicken Bs auf ihren Sound. 

Wann hattet ihr das letzte Mal das Gefühl, Exoten zu sein?

Gernot: Was heißt denn Exoten?

Dass ihr zu Beginn eurer Zusammenarbeit mit eurem Sound ein Alleinstellungsmerkmal hattet.

Gernot: Okay, wir sind immer noch Exoten. In beiden Camps: Für die einen ist es zu elektronisch, für die anderen nicht elektronisch genug. Das Gefühl ist noch da.

Sascha: Das ist eine negative Betrachtung. Ich finde, das ist viel universeller.

Gernot: Ich habe das positiv gemeint. Es ist doch geil, Exot zu sein.

Klar, aber es ist auch ein steinigerer Weg. Gab es einen Moment, in dem ihr das so empfunden habt?

Sascha: Nee, das war gerade gut, wenn man aus Berlin kam und nicht dem stereotypischen Berliner Image des Minimal Techno entsprach. Ich persönlich habe nicht mal besonders elektronische Musik gemacht und musste dennoch in Clubs spielen. Es gab keine anderen Räume. Ich stand da und musste gucken, wie ich klar komme.

Ist Dir, Sascha, in Bezug auf deine Musik und den beschrieben Kontext, das Gefühl des Scheiterns bekannt – sprich: Momente, in denen man sich gefragt hat, wann man endlich mit seiner Musik verstanden wird?

Sascha: Nee, das hat überraschend gut funktioniert. Da ist mir dann aufgefallen: Hey, man kann den Leuten im Club auch andere Sachen anbieten und die nehmen das dankend an. Man muss es nur machen. Promoter spielen gerne safe. Wenige lehnen sich deswegen heute aus dem Fenster.

Gernot: Wir sind immer mehr Live Act als DJs gewesen. Aus der Bequemlichkeit heraus, sich nicht kümmern zu müssen, was gerade hip ist, haben wir eigene Tracks gemacht. Wir waren deswegen nie in der Situation, mitgehen zu müssen. Wir haben immer unseren Willen durchgesetzt.

Wo steht ihr jetzt? Wie hat sich das in der Dreierkonstellation geändert?

Sascha: Wir sind sehr unterschiedliche Typen und müssen jedes Mal sehr viel darüber reden, was wir im Studio machen.

Gernot: Man darf das weder zu sehr auf den Apparat-, noch auf den Modeselektor-Aspekt beziehen. Die erste Platte war eine Zusammenführung beider Bands. Bei der zweiten haben wir gemerkt, dass es schlauer ist, den Image-Ballast auszufaden. Deswegen haben wir nach der letzten Tour noch eine Platte hinterhergepackt. Ich habe immer noch das Gefühl, es ist noch nicht alles gesagt. Da sind immer noch dunkle Flecken auf der Landkarte. Aber wir sind schon ziemlich nah an den Ort dran, an dem wir Moderat vermuten.

Ihr sucht noch? 

Gernot: Immer. Es ist eine Mischung aus Angst und suchen. Wie in einem Horrorfilm. 

Wenn ihr live vor tausenden Menschen spielt: Welche Filme laufen dann bei euch im Kopf ab? 

Sascha: Bei mir funktioniert das nicht mehr auf einer poetischen Ebene, weil ich so tief drin bin. Es gibt aber durchaus so einen Moment, wenn eine Idee frisch ist. Irgendwann wird es dann richtige Arbeit: Du hörst dann nur noch analytisch hin.

Gernot: Jeder von uns empfindet das anders und hat eine andere Beziehung zu den Songs. Für mich hat jede der Platten einen Grundton – und eine Seele in Form eines Songs, der alles zusammenhält. Bei der ersten war es „A New Error“, bei der zweiten „Bad Kingdom“, bei der dritten „Ghostmother“. 

Im Laufe der Zeit habt ihr mehrfach die Welt betourt. Wie viel Berlin ist noch auf euren Platten? Hat das Reisen andere Einflüsse in eure Musik gebracht?

Sebastian: Wir haben schon seit Langem eine andere Sicht auf Berlin. Das ist unser Zuhause.  Hier hat sich unser Schaffen gebildet, wenn du 25 Jahre zurückgehst. Wir sind aber nicht so doof, Berlin zu thematisieren.

Sascha: Ich habe mal eine halbe Platte in Mexiko gemacht und ich hatte nicht das Gefühl, dass die sich anders angehört hat. Ich glaube, das ist unabhängig vom Umfeld.

Gernot: Wir sind die größten Berlin-Fans, aber Berlin ist egal, wenn wir Musik machen. Die Stadt hinterlässt keine Farben auf unseren Platten.

Das Album „Live“ ist bei Monkeytown Music erschienen.

71dxixh02l-_sl1200_


Fotos: Marie Weikopf