Mitten in Mitte liegt eine letzte Bastion unsanierter Fassaden und freien Kulturschaffens: das Haus Schwarzenberg. Mit Kino, Galerie – und der Bar Eschschloraque rümschrümp. Dort lichtet sich jeden Dienstagabend der Zigarettenrauch und das Stimmengewirr der bunten Gästeschar, und es heisst: Bühne frei für „Bande-à-Part“, die Tanz- und Performance-Reihe für Aussenseiter.
Caroline Gerbeckx, welche die Veranstaltungsreihe kuratiert und organisiert, kennt sich im Eschschloraque bestens aus. Sie arbeitet da nämlich auch an der Bar. „Wir setzen uns am besten hierhin, die Boxen hier sind etwas kaputt, da hören wir uns besser,“ lotst sie mich zu zwei freien Barhockern. Vor ein paar Jahren, erzählt Gerbeckx, hätten ihre Kollegen hier für sie eine Geburtstagsfeier organisiert. Unter anderem gab es dabei auch eine Tanzvorführung, auf der doch eher winzigen Bühne im hinteren Ende des Barraumes. Da ist gemeinsam mit einem der Gründer der Bar, Kai Fuhrmann, die Idee entstanden: warum nicht öfters mal eine Performance organisieren im Eschschloraque? Warum nicht? Es fallen einem auf Anhieb mehrere Gründe ein: weil da viel zu wenig Platz ist. Weil das Eschschloraque eine Bar ist und kein Bühnenbetrieb. Weil die Leute da ja hingehen, um ein Bier zu trinken, und nicht, um sich Tanz, Burlesque oder Schwertschluckerei anzusehen.
Vielfältig und experimentierfeudig
„Genau das ist aber das Spannende daran,“ meint Gerbeckx, „dass wir hier so ein gemischtes Publikum haben.“ Wenn jeden Dienstag einigermassen pünktlich um 23 Uhr die raue Stimme von Michel, dem Moderator der Abende, durch die Bar tönt und um Aufmerksamkeit bittet, dann wissen meist nur ein paar Eingeweihte, was sie erwartet. Viele der Anwesenden schauen überrascht vom Bartresen zur Bühne – auf der nun plötzlich eine ganz andere Welt stattfindet. Zeitgenössischer Tanz, Variete, Improvisation, Clownerie; das Programm ist vielfältig und experimentierfreudig. Und gerade die Beschränkungen des Raumes, gerade der für solche Darstellungen so ungewohnte Ort eröffnen neue Möglichkeiten. Manchmal bewegen die Performer sich bis weit in den Barraum hinein – und tanzen barfuss zwischen den Strassenschuhen der Zuschauer.
Tanzstadt Berlin
Gerbeckx – die sich wirklich so schreibt, ein belgischer Name – hat selber an der Ballettschule der Oper Leipzig die Ausbildung zur klassischen Ballettänzerin gemacht. Bei einem Praktikum in Berlin hat sie sich „total in diese Stadt verliebt“, und ist geblieben. Hier hat sich auch ihr Bild vom Tanz und den Performance-Künsten gewandelt, geweitet. „Viele Tänzer bezeichnen sich heutzutage nicht mehr als 'Tänzer', sie nennen sich lieber 'Performer'. Das lässt mehr Raum für verschiedene Formen.“ Mit der Kompanie „SR & Company“ tritt Gerbeckx manchmal auch selber im Eschschloraque auf, mit eigenen Choreographien. Besonders sehenswert das Stück „andererseits“, in dem Gerbeckx und Caroline Roggatz den engen Raum zweier Umzugskisten erkunden. Auch in einer „Tanz-Stadt“ wie Berlin sei es für freie Künster eben nicht so einfach, mit ihren Produktionen auftreten zu können. „Wenn man eine Bühne bucht, muss man den Leuten da meist schon neun Monate im Voraus ganz genau sagen können, wie die Vorstellung dann aussieht, was genau man tun wird“.
Forum für junge Performer
Aber eine Performance entwickle sich ja immer weiter, genauso wie der Künstler selbst. Bei ihr, bei „Bande-à-Part“, könnten die Performer auch eine halbe Stunde vor dem Auftritt noch etwas daran ändern. Der Tanz als lebendiger Prozess. So ist „Bande-à-Part“ (aus dem Französischen, in etwa: „etwas abseits von der Menge tun“) dank Gerbeckx und ihrem eingeschworenen Team seit gut fünf Jahren ein wichtiges Forum für junge Performer, sowohl aus Berlin wie auch von ausserhalb. Und ein Geheimtipp für etwas Poesie am Dienstagabend. Es sei dazugesagt: für gerade mal 4.- Euro Eintritt. Einer der spannendsten „Bande-à-Part“-Termine der nächsten Zeit ist übrigens der 5. April: Improvisations-Tanz zu Klängen des Avant Garde-Musikers Mani Hosseini. Caroline Gerbeckx ist mit „SR & Company“ am 9. April wieder auf der Bühne zu sehen, allerdings woanders: im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt.