Nun ist es wieder soweit: Berlin öffnet die Türen zum Sommer. Open Airs, Straßenmusiker und Demos erwarten uns sehnlichst in allen Ecken der Stadt. Zum 16. Mal kann man in Kreuzberg auf dem „Myfest“ ein friedliches Feiern anstatt von Gewalt durchfechten. Kann man es jedoch noch My-fest nennen?
Nur noch acht Bühnen, statt zwanzig. In einigen Straßen wird es keine Standplätze mehr geben. Der Görli ist kein offizieller Veranstaltungsort mehr. Und das Ende des Ganzen wurde vorverlegt: auf 22 Uhr. Es scheint als wäre es zum Fest der Kreuzberger Familienvertretung geworden, zu Ihrem-Fest oder their-Fest, dass eher kindergerecht als vielfältig werden soll. Schön und gut, Gewalteindämmung ist ja vertretbar und wir wollen alle ein friedliches Miteinander. Allerdings rückt der Fokus langsam ins Spießige. Berlin am 1. Mai – ein bisschen Dreck, Chaos und wilde Musik war bis jetzt doch immer vorprogrammiert, oder?
Kein Ort für steppende Bären
Im Mauerpark wird man nicht in den Mai tanzen können. Die Polizei Berlin und das Bezirksamt haben Bammel vor Anwohnerbeschwerden. Also noch mehr Beschwerden, denn die lieben Kiezbürger werden älter und des Feierns müde. Psst, die Kinder schlafen. Bitte leise sein. Deshalb wird es dieses Jahr keine Musik geben, nur eine kleine Feuerstelle. Kuschelig!
Wo dann?
Aber wo kann man denn nun „die bösen Geister“ vertreiben und an Walpurga gedenken? Keine Sorge, ein paar Veranstaltungen sind noch zugelassen. In der [ipse] kann man es krachen lassen – draußen und umsonst. Damit werben die Veranstalter für ihr „Get-together“ am 1. Mai. Schleusenufer, Spree, Badeschiff, all das schreit nach Sommer, sowie die meisten Berliner auch. Auch im Ritter Butzke kann man die Hüften schwingen, mit dabei: Der Dritte Raum aka Andreas Krüger. Berliner Techno-Produzent, bei dem man auf hypnotische Klangtiefe und Rythmus-Variationen zählen kann. Marcus Meinhardt wird einen ebenfalls mit seinen Techno-Kreationen beglücken. Woop Woop!
Techno made in Germany
Der Polygon Club lädt zu straightem Techno ein: mit Klaudia Gawlas. Weltweit bekannt wegen ihrer Engagements beim Awakenings Festival in Holland, Tomorrowland Brasilien oder Nature One am Start. Sie weiß, wie’s geht. Oder zumindest wo der Mainstream seine EDM Schelle bekommt. Wer mag, wir wollten es jedenfalls mal erwähnt wissen.
Mit Kater ins Kater
Nach der Walpurgisnacht geht es dann weiter – mit Kater versteht sich. Kater Blau organisiert im HOLZMARKT ein Open Air mit einer Live-Performance von Stimming. Mal was anderes, der DJ spielt nämlich manchmal die Geige, die er seit dem 10. Lebensjahr beherrscht, live zu seinen Liedern dazu. Ab drei Uhr nachmittags kann man im hölzernen Komplex an der Spree verweilen und untertauchen in die Tiefen des Technos. Abends geht es dann direkt daneben weiter im Kater Blau. Außerdem könnte man wieder ins Ritter Butzke stratzen, dann wäre man quasi schon Stammkunde. Dort legt Format:B auf. Das Tech-House Duo ist bekannt für seine mitreißenden Beats und die daraus resultierende Abfahrt. Nach ihrem Debütalbum „Steam Circuit“ gründeten sie ihr eigenes Label Formatic Records. Die erneute Veröffentlichung ihres Tracks „Chunky“ durch das Mainstream-Label „Ministry of Sound“ brachte ihnen einen 29. Platz in den britischen Charts ein. Nun stacheln sie ab 13:00 im Ritter Butzke lautstark die Feierlaune an.
UFO in Sicht
In der Griessmühle findet ein Free Open Air statt, unter anderem mit Ellen Allien. Eine Techno- und Elektro-DJane, die auch das Techno-Label „Pitch Control“ gründete. Eins der wichtigsten Berliner Techno-Label seit 2000. Mit ihrem neuen EP „UFO“, das dieses Jahr auf ihrem neuen gleichnamigen Label erschien, landete sie einen Volltreffer mit außerirdischen Schwingungen.
Hinterhof Rave
Ein kleines Juwel im Dschungel der Gentrifizierung: Hinterhöfe. Ab 12 Uhr legt unter anderem Oliver Koletzki im 2. Hinterhof der Skalitzerstr. 34 auf, der sich mit seinen sommerlich angenehmen Tunes an die Spitze der Techno-Welt gespielt hat. „Stil vor Talent“ ist der Name der Veranstaltung, aber talentierte Künstler sind trotzdem zu erwarten.
Protestaktion
Für die politischen Aktivist*innen und Revolutionäre unter euch, die anstatt raven, eher protestieren am 1. Mai geplant hatten, hier noch die Route für die diesjährige Demo. Disclaimer: die Polizei wappnet sich dieses Jahr mit neuen Deeskalationsstrategien auf die Menschenmassen. Zum Beispiel ist eine Blockade mithilfe der Baustelle eines neuen Wohnungskomplexes durch einen Großinvestor geplant. Eigentlich sollte die Demo direkt an der Baustelle vorbeiziehen, um auf die Veränderung der Stadt zugunsten der Wohlhabenden aufmerksam zu machen. Ob die Demo tatsächlich genau diesen Weg verfolgen wird, ist unklar. Die offizielle Website der Demo selbst betont die nötige Spontanität des Ganzen: „die Demo wird, was wir daraus machen“.