Wenn Grabenkämpfe und Eitelkeiten mal keine Rolle spielen – weil es um etwas Wichtigeres geht: Über 140 Kultur-Institutionen haben die „Berliner Erklärung der Vielen“ unterzeichnet. Das HAU Hebbel am Ufer zum Beispiel. Sein neues „Stellar Fauna“ könnte eine Anspielung sein. Oder ein Ausblick?
Solidarität ist so viel wichtiger, als die ewige profilneurotische Konkurrenz zwischen den Institutionen.
– das HAU Hebbel am Ufer in der „Erklärung der Vielen“
Gegen Rassismus und für Solidarität. Die „Berliner Erklärung der Vielen“ wurde am 9. November veröffentlicht. Ein spezielles Datum der deutschen Geschichte, wie wir wissen. Vorsichtig ausgedrückt. An dem Tag ist in hundert Jahren schon viel passiert. Wollen wir jetzt nicht alles wiederholen, wir konnten genug darüber lesen. Die Berliner Kulturinstituionen setzen ein Signal und schließen sich damit der bundesweiten Initiative „Erklärung der Vielen“ an. Das HAU Hebbel am Ufer hat auch mitgemacht. Die Kampagne setzt damit ein Zeichen gegen rechtspopulistische und völkisch-nationale Strömungen. Aktive aus dem Kunst- und Kulturbereich wollen gezielt den Dialog anstreben mit Mitwirkenden, Publikum und Besucher*innen. Sie wollen reden. Über die gesellschaftspolitische Verantwortung der Kultur. Ein Zeichen setzen einsetzen für eine offene, demokratische Gesellschaft. Auch wenn das viele glauben: das ist keine Selbstverständlichkeit.
Unheimliche Welt
Kunst ist ein Spiegel, im besten Fall ein Brennglas. Mit dem ein Künstler draufhält auf die Probleme der Gesellschaft. Das HAU Hebbel am Ufer hat an diesem Freitag und Samstag die psychedelische Produktion „Stellar Fauna“ im Angebot. Künstlerin Kat Válastur hat eine surreale Tanz-Performance geschaffen, die man auch als kreatives Brennglas oder als versteckte Botschaft deuten könnte. Das Stück scheint etwas vorwegzunehmen. Unheil, zum Beispiel. Zwei Tänzerinnen verkörpern verändernde und übertriebe digitale Attribute. Sie wiederholen ein furchterregendes Mantra. Es lautet: “We are waiting for the flood to be free although that would be the end of us” (Wir warten auf das Einsetzen der Flut, auch wenn das unser Ende wäre). Grenzen zwischen privaten und sozialem Verhaltem werden aufgehoben. Abstrakt. Das ist Tanz, das ist Kunst.
Abstrakte Fragen
“Stellar Fauna” ist eine unheimliche Welt. Unsere? Philosophische Fragen werden gestellt durch tänzerische Figuren. Abstrakte Fragen, die aber konkrete Wurzeln haben und die als künstlerische Interpretation wiederum abstrakt auf etwas hindeuten, dass der Zuschauer vielleicht erst beim zweiten oder dritten Mal begreift. Vielleicht gibt es deshalb zwei Vorstellungen pro Abend. In der „Erklärung der Vielen“ schreibt das Hebbel am Ufer übrigens zwei bemerkenswerte Sätze, die wir euch am Schluss dieses Textes nicht vorenthalten möchten. Sie sprechen für sich selbst: „… Potenzial zur Begegnung werden wir auch in Zukunft aktiv nutzen, um mit Vorstellungskraft und künstlerischer Stärke Autoritarismus, Populismus, Hass und Ausgrenzung etwas entgegenzusetzen. Die Aktion der Vielen ist auch deshalb beispielhaft, weil wir es alle nicht nur wissen, sondern es sich jetzt auch als Notwendigkeit erweist, dass Solidarität so viel wichtiger ist, als die ewige profilneurotische Konkurrenz zwischen den Institutionen.“ Wir haben dem nichts hinzuzufügen.
„Stellar Fauna“: Tanz-Performance
HAU Hebbel am Ufer
Stresemannstraße 29
10963 Berlin