Moritz Bleibtreu wurde 1971 als Sohn von Monica Bleibtreu und Hans Brenner geboren. Populär wurde er Ende der 90er Jahre durch Filme wie „Knockin’ on Heaven’s Door“, „Lola rennt“, „Das Experiment“ oder den Kult-Komödie „Lammbock“. Sein vielseitiges Rollenspektrum reicht vom RAF-Terroristen in „Der Baader Meinhof Komplex“ bis zu Joseph Goebbels in „Jud Süß – Film ohne Gewissen“. Auch Hollywood wurde auf den Schauspieler aufmerksam. Ob in Steven Spielbergs Polit-Drama „München“ oder in Actionstreifen wie „Speed Racer“ oder „World War Z“ mit Brad Pitt. Nun kommt Bleibtreu als getriebener Erfolgsanwalt in „Die dunkle Seite des Mondes“ nach dem Bestseller von Martin Suter in die Kinos.
Herr Bleibtreu, was ist die besondere Qualität von Moritz Bleibtreu?
Besondere Qualität? Das weiß ich gar nicht…
Der „Lammbock“-Regisseur Christian Zübert meint, es sei Ihre Bodenständigkeit?
Bodenständig finde ich gut. Das ist besser als ständig umzukippen oder abzuheben. (Lacht)
Sie haben mit „Lammbock“ eine Kifferkomödie gedreht, die auch nach dreizehn Jahren noch Kult-Qualitäten besitzt und deren Sprüche im Internet gefeiert werden. Was ist der coolste Spruch für Sie?
Das ist extrem schwer zu sagen…
Zu den berühmten „Lammbock“-Dialogen zählt ein etwas anzüglichen Spruch, in dem Mehmet Scholl vorkommt, der damit von anderen Spielern gerne aufgezogen worden sein soll…
Ich hatte Mehmet damals um Erlaubnis gefragt, ob wir das machen können. Er hat zugestimmt, wobei er nicht so ganz genau wusste, wie der Spruch gehen würde. Ihn damit aufziehen zu wollen, ist völliger Quatsch – wer das macht, hat ‚Lammbock’ echt nicht kapiert. Wir haben Mehmet damit ein echtes Denkmal gesetzt. Der ganze Film ist ein Denkmal für Scholl.
War die Kiffer-Komödie eine Vorbereitung für die Drogensequenzen in ‚Die dunkle Seite des Mondes’?
Drogen sind gar nicht das Thema in diesem Film. Das sind nur die Auslöser, die zeigen, wie fragil ein menschliches Gehirn reagiert – und wie schnell ein Gleichgewicht aus der Balance gerät und sich Abgründe auftun. Dabei ist völlig egal, ob dies durch die Einnahme von psychedelischen Pilzen passiert oder durch ein traumatisches Erlebnis. Es kann überraschend schnell passieren, dass wir uns von gewohnten Wegen verabschieden und plötzlich Dinge tun, die wir uns nie vorgestellt hatten.
Metaphorik hin oder her – wie spielt man einen Horror-Trip, der glaubwürdig wirkt?
Persönliche Erfahrungen mit halluzinogenen Drogen habe ich nie gemacht, das ist mir völlig fremd. In der Schauspielerei geht es ja gerade darum, möglichst glaubhaft Dinge darzustellen, die man noch nie selbst erlebt hat. Erfahrungs-Schnittmengen mit einer Figur sind für mich nicht nötig, um zu einer Wahrheit zu gelangen. Wahrheit wohnt einem immer selber inne, und die gilt es zu finden – deswegen glaube ich auch nicht an das „method acting“. 99 Prozent meiner Arbeit basieren auf der Fantasie.
Sie haben schon Terroristen, Krebskranke und Propaganda-Minister gespielt, sind noch Rollen-Wünschen offen?
Eine durchgeknallte Transe fehlt noch in der Sammlung! (Lacht). In solchen Kategorien denke ich gar nicht, ich empfinde mich eigentlich noch immer wie am Anfang meines Schaffens. Alles, was hinter mir liegt, ist Vergangenheit. Und was die Zukunft bringt, ist ein riesiges Feld, das für mich so groß und unerreicht ist, wie ich es mit 19 Jahren empfunden habe. Insofern fange ich mit meiner Karriere gerade erst an!
Wäre ein „Tatort“-Kommissar auf diesem riesigen Feld vorstellbar?
'Tatort' würde mich nicht reizen. Es gibt schon so viele Kollegen als Kommissare und die machen das alle so gut, da braucht man mich nicht.
Sie haben mit Spielberg gedreht und mit Brad Pitt. Hätten Sie nicht mehr Lust auf mehr Hollywood?
Das sind keine Entscheidungen, die man selber trifft. Wenn man das große Glück hat, dass man dort Angebote bekommt, wird wohl niemand absagen, wenn die Filme überzeugend klingen. Wobei ich in den letzten 15 Jahren ja ständig im Ausland gearbeitet habe, fast auf jeden meiner deutschen Filme kommt eine internationale Produktion. Das geht vielen Kollegen übrigens ganz ähnlich, wenngleich das hierzulande oft gar nicht so richtig bemerkt wird.
Gibt es in Ihrer Karriere eine perfekte Szene, auf die Sie absolut stolz sind?
Nein, ich kann mich selber nicht bewerten, das müssen andere tun. Die subjektive Sichtweise fällt erfahrungsgemäß oft völlig anders aus als das Urteil des Publikums. Es gibt Szenen, die mir extrem gefielen und wofür ich mit Tomaten beworfen wurde. Umgekehrt gibt es Sequenzen, die ich selbst sehr langweilig fand und die bejubelt wurden. Ich kann vor der Kamera immer nur mein Bestes geben, was die Zuschauer später damit anfangen, liegt nicht mehr in meiner Hand.
Die Romane von Martin Suter landen fast immer auf den Bestseller-Listen. Was macht die besondere Qualität dieses Autors aus?
Suter besitzt ein grandioses Talent, auf faszinierende Weise menschliche Innenwelten zu beschreiben. Seine Geschichten spielen in einem Umfeld, das den meisten Lesern unbekannt ist – und diese Kombination lässt seine Roman zu einem sehr spannenden Erlebnis werden.
Ein zentrales Thema im Film ist der Wald – was verbinden Sie damit?
Wald ist ein ganz archaisches Symbol, zumal in der deutschen Kultur. Wälder sind gruselig und zugleich wunderschön – eine solche Mischung ist ganz einzigartig. Wie enorm die Stimmung in einem Wald kippen kann, haben wir bei den Dreharbeiten oft festgestellt: Am Morgen hätte man an bestimmten Stellen einen idyllischen Werbespot drehen können und am Nachmittag wäre daraus die perfekte Kulisse für einen Dracula geworden.
Mit Til Schweiger verbindet Sie ein nicht nur ein berufliches, sondern auch ein freundschaftliches Verhältnis. Wie erleben Sie die Reaktionen auf seine Auftritte auf Facebook?
Man muss mit sozialen Medien unheimlich vorsichtig umgehen. Ich persönlich habe mir zur Angewohnheit gemacht, alles was in sozialen Medien stattfindet, nicht wirklich ernst zu nehmen. Ich will mich nicht angegriffen fühlen von irgendwelchen Leuten, die irgendwelche Dinge über mich schreiben in irgendeiner Parallelwelt, die in der Realität gar nicht existiert.
Demnächst drehen Sie die Fortsetzung von „Lammbock“ – wie groß ist die Angst vor der Erwartungshaltung des Fanblocks?
Null Angst, der Regisseur und Autor Christian Zübert hat seine Hausaufgaben gemacht – er hat ja schließlich 13 Jahre dafür Zeit gehabt!
Mit dem Schauspieler sprach [030] Mitarbeiter Dieter Oßwald.
Moritz Bleibtreu ist seit dem 14.01.16 in »Die dunkle Seite des Mondes« im Kino zu sehen.