Berlin, Stadt der Superlative. Seit drei Jahren läuft hier das längste Theaterstück der Welt: Um die Volksbühne tobt ein erbitterter Kampf, ein Kulturkampf, wie ihn das Land noch nicht gesehen hat. Dieser Kampf hat ein prominentes Opfer gefordert: Der Intendant der Volksbühne geht. Chris Dercon hört auf! Hört ihr ihn, den Seufzer der Erleichterung, das Aufatmen? Durch die Berliner Kulturszene weht ein lautes „Endlich“. Chris Dercon ist eine tragische Figur. Von Anfang an war der Belgier in Berlin verhasst und wurde aufs Heftigste von Intellektuellen kritisiert. Die Kritiker liefen Sturm gegen die Personalie. Sie fürchteten, dass Dercon aus der Traditionsbühne eine Eventbude macht.
Tims Wahl: nicht der Renner
Dercon war Direktor Londoner Museums Tate Modern, kannte sich im Theaterbetrieb nicht aus. Noch bevor er als Nachfolger des legendären Langzeit-Intendanten Frank Castorf berufen wurde, brach ein Krieg aus, der immer schmutziger wurde. Im September besetzten Aktivisten besetzten die Volksbühne für mehrere Tage. Die Polizei musste das Theater räumen. Programmmacher und Publikum rebellierten gegen den Nachfolger. Der Kampf wurde immer schmutziger, wörtlich gesehen. Nicht nur Pöbeleien und Angriffen machten Dercon das Leben schwer. An seine Bürotür wurde Kot geschmiert. Acht Schauspieler kündigten, im Dezember schmiss auch Volksbühnen-Star Sophie Rois hin. Eins ist Fakt: Der damalige Kultursenator Michael Müller und Kulturstaatssekretär Tim Renner haben weder noch Berlin noch der Volksbühne mit ihrer Berufung Dercons einen Gefallen getan. Eine der renommiertesten Theaterbühnen des Landes steht vor einem Scherbenhaufen. Schon wieder.